Volksentscheid in Bayern: keine Ausnahmen mehr beim Rauchverbot.

Für einmal schaut die Welt nicht in die Schweiz, um das Ergebnis einer Volksabstimmung zu kommentieren. Vielmehr sind die interessierten Augen auf Bayern gerichtet, wo ein strikter Raucherschutz in Gaststätten und Bierzelten angenommen wurde.

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Ausgeraucht. Bayern geht mit einem Volksentscheid als erstes deutschen Bundesland zu einem strikten Rauchverbot in Gasthäusern und Bierzelten über.

Bei einer Stimmbeteiligung von knapp 38 Prozent der 9,4 stimmberechtigten BürgerInnen, votierten 61 Prozent für und 39 Prozent gegen das neue Gesetz. Ministerpräsident Horst Seehofer, gleichzeitig Parteivorsitzender der CSU, mochte das Ergebnis nicht umgehend kommentieren, setzte lieber die Feier zu seinem 61. Geburtstag ausserhalb der Abstimmungslokale fort. Rasch reagierte dafür der Initiant, der Passauer Lokalpolitiker Sebastian Frankenberger. Er zeigte sich überzeugt, dass es jetzt auch in Berlin und Nordrhein-Westfalen entsprechende Vorstösse geben wird und Deutschland damit zu einem umfassenden Rauchverbot tendieren werde.

Im Vorfeld des Volksentscheides in Bayern hatten sich die SPD und die Grünen für ein striktes Raucherverbot stark gemacht. Unterstützt wurden sie von Aerzteorganisationen. Die FDP war dagegen. Die CSU wiederum vermied einne klaren Positionsbezug. Sie hatte zwar das Gesetz 2007 aus gesundheitspolitischen Gründen vorgeschlagen, dann aber die Landtagswahlen 2008 verloren. In der Folge befürwortete sie Schlupflöcher im Rauchergesetz. Faktisch war das Rauchen in Bayern in Nebenräumen, kleinen Gastbetrieben und in allen Bierzelten seit August 2009 wieder erlaubt.

Der zurückliegende Abstimmungskampf polarisierte zwischen dem Schutz der Nichtraucher in Gaststätten einerseits, dem Verbotsstaat anderseits, der es den Gastwirten verunmögliche, eigene Lösungen zu treffen. Die Kampagnen mobilisierten bei weitem nicht so stark wie jene zu Landtagswahlen, doch ergab die Volksentscheidung ein klare Mehrheit zugunsten eines strikten Rauchverbotes. Die Lockerung müssen damit rückgängig gemacht werden.

Von aussen gesehen überrascht die Entscheidung nicht zuletzt auch deshalb, weil auch Bierzelte in das Rauchverbot einbezogen sind. Das ganze erinnert ein wenig an den den Kanton Tessin, dem ersten Schweizer Gliedstaat, der das Rauchen untersagte. Angesichts der Boccalino-Kultur in der italienischsprachenden Schweiz hatte man nicht unbedingt damit gerechnet.

Die Entscheidung in Bayern ähnelt der vor wenigen Wochen im Kanton Solothurn. Auch da wurde eine vom Gastgewerbe verlangte Liberalisierung des Rauchverbots bevölkerungsseitig abgelehnt. Die Lungenliga reichte in der Folge die Unterschriften zur ihrer schweizerischen Volksinitiative ein, welche ein striktes nationales Verbot fordert. Es wird mit einer Volksentscheidung innert dreier Jahre gerechnet.

Das neue Gesetz in Bayern tritt am 1. August in Kraft. Beim nächsten Oktoberfest gilt es also bereits: nun nicht parlamentarisch verordnet, sondern direktdemokratisch legitimiert!

Schuldenbremse, Volksabstimmungen und Parlamentsentscheidungen

Diese Woche war ich auf Einladung der Schweizerischen Generalkonsuls in Düsseldorf und hielt eine Rede vor der lokalen Deutsch – Schweizerischen Vereinigung. Das Thema war die Direkte Demokratie im aktuellen Umfeld. Hier ein kleiner Auszug daraus zum Schuldenmachen und zur Schuldenbremse in direkten und parlamentarischen Entscheidungen.

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“Richtig ist, dass es zwischen dem Steuernverständnis einerseits und Volksabstimmungen anderseits einen interessanten Zusammenhang gibt: Vereinfacht ausgedrückt gilt, dass direkte Demokratien zu tieferen Steuern führen als repräsentative. Denn die Stimmbürgerschaft ist, wenn sie über die eigenen Steuerleistungen befinden muss, zurückhaltender als Politiker und Politikerinnen.

Zwar gibt es zwischen rechten und linken Parteien Unterschiede in der Steuerpolitik. Doch die Gemeinsamkeiten sind nicht zu übersehen: Letztlich sind Parteien, die in Koalitionen regieren, daran interessiert, ihr jeweiliges Klientel zu begünstigen. Das kann in Form von staatlichen Umverteilungen geschehen; es kann aber auch als Steuerprivilegierung erfolgen. Letzteres ist vor allem in Wahlkämpfen eine populäre Forderung, verliert aber häufig nach der Wahl an Priorität. Denn dann regiert die staatliche Finanzierung von Projekten, die man realisieren will oder muss, und das kostet in der Regel.

Nun können wir auch in der Schweiz nicht über das Budget des Bundes oder der Kantone in Volksabstimmungen abstimmen. Das ist nur auf der lokalen Ebene möglich. Auf den übergeordneten Ebenen bleibt das die Aufgabe des Parlamentes. Die Instrumente der schweizerischen Volksrechte sind jedoch soweit offen, dass wir die Rahmenbedingungen von Budgets sehr wohl beeinflussen können. Die Schuldenbremse gehört eindeutig hierzu. Sie verlangt zwar nicht, dass jedes Budget ausgeglichen ist. Doch muss das im Verlauf eines Konjunkturzyklus der Fall sein. Eine solche Regelung lässt Spielräume offen, verhindert aber chronische Defizite, deren Begleichung man späteren Generationen überlässt.

In der stimmberechtigten Bevölkerung gibt es einen weit verbreiteten Konsens, wonach es sinnvoll ist, solche Schuldenbremsen einzuführen. Die gesamtschweizerische Volksabstimmung hierzu zeigte im Jahre 2001 eine Unterstützung von über 84 Prozent. Anders als die Vorläufer-Programme, nämlich Haushaltsziele, wie jede Regierung sie formuliert, führte die Schuldenbremse unmittelbar zu einem Rückgang der Neuverschuldung und zu einer Stabilisierung der Verschuldung der Schweiz.

In einem Gutachten über die modellhaften Auswirkungen der schweizerischen Schuldenbremse auf anderen Staatshaushalte kam die Konjunkturforschungsstelle der renommierten ETH Zürich zum Schluss, dass die fehlenden institutionellen Rahmenbedingungen der Hauptgrund ist, weshalb die Schuldenbremse nicht exportiert werden könne. Die Unabhängigkeit des Parlamentes von der Regierung, wie sie in parlamentarischen Systemen unüblich ist, und der Druck direktdemokratischer Entscheidungsverfahren wurden dabei explizit herausgestrichen.”

Das ganze Referat findet sich hier.

Die nationale Hochrechnung: Nein, Nein, Ja

10 15: Start zur Hochrechnung
Die Arbeit an der Hochrechnung des Forschungsinstituts gfs.bern zu den eidgenössischen Volksabstimmungen beginnt. Alle Vorbereitungen an der Infrastruktur wurden schon am letzten Freitag abgeschlossen. Und die ersten Gemeindeergebnisse treffen bald ein, denn die frühesten Trendgemeinden schliessen ihre Abstimmungsurnen um 10 Uhr.
Für die Medien der SRG hochgerechnet werden die Vorlagen, über die gesamtschweizerisch abgestimmt wird: die Senkung des BVG-Umwandlungssatzes, gegen die das Referendum ergriffen worden ist, die Initiative für einen Tierschutzanwalt und der Verfassungsartikel zur Forschung am Menschen.
Um 12 Uhr 30 liegen die Trendrechnungen vor, um 13 Uhr die Hochrechnung mit maximal 3 Prozentpunkten Fehlermarge und um 14 Uhr mit einer solchen von +/- 2 Prozentpunkten. Danach folgen die Erstanalysen.

11 00: Mein heutiger Schutzengel

Vieles ist heute wie immer: Das Team für die Kontakte zu den Trendgemeinden ist da, die Analyseteam für die Erstauswertungen ist vor Ort, und für die Kommunikationen in Radio und Fernsehen werde ich von Lukas Golder tatkräftig unterstützt. Auch vor der Kamera ist es, wie man es kennt: Urs Leuthard führt kompetent durch die Abstimmungssendung von SF.
Und dennoch gibt es einen Unterschied: Ich habe heute einen besonderen Schutzengel dabei! Denn es ist ein wenig so wie beim Autofahren: In 98 Prozent der Fälle gelingt die Fahrt ohne weitere Probleme, doch hie und da kommt es zu einem Unfall. Und heute morgen hatte es stellenweise Glatteis. Damit ich nirgends ausrutsche, habe ich heute meinen Schutzengel dabei.

11 55: Die Spannung steigt

In 10 bis 15 Minuten geht es intensiv los. Nach 12 Uhr treffen viele Gemeinden ein. Vorerst haben wir solche aus dem Kanton Aargau. Und in einzelnen Kantonen wie in Zürich gibt es vorläufige Hochrechnungen, aber nur zu den Kantonsergebnissen.
Das grösste Interesse besteht am Ausgang der Abstimmung über das BVG. “Der Abstimmungskampf (dafür) war lang, intensiv und teuer”, steht in einer der Sonntagszeitung. Und dennoch rechnen die Referendumsführer zu gewinnen. Die SP meldet bereits ihr Pensionskassenprogramm für die Zeit nach dem 7. März an. Was gilt, wissen wir um 12 30.

1235: Die Trendrechnungen

Die Trendrechnungen liegen zu allen drei gesamtschweizerischen Vorlagen vor: Zwei Nein und ein Ja. Angenommen wird der Verfassungsartikel zur Forschung am Menschen. Abgelehnt werden die Senkung des BVG-Umwandlungssatzes und die Tierschutzinitiative. Die genauen Zahlen liegen noch nicht vor, doch sind die vorliegenden Resultate so klar, dass am Ausgang der Abstimmungen kein Zweifel mehr besteht.

1315: Die Hochrechnungen

Zwischenzeitlich liegen drei Hochrechnungen vor: Alle Ergebnisse sind deutlich. Die Fehlerquoten sind bei +/-2 Prozent. Verworfen wird die BVG-Vorlage, in der Hochrechnung sind 74 Prozent dagegen. Abgelehnt wird auch der Tieranwalt für die ganze Schweiz. Die Nein-Quote liegt hier bei 71 Prozent. Und die Forschung am Menschen wird angenommen, mit 76 Prozent Zustimmung. Angesichts der klaren Ergebnisse sind keine Probleme beim Ständemehr zu erwarten. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass es drei flächendeckend einheitlilche Entscheidungen geben wird.

1345: Kantonsergebnisse

Zwischenzeitlich treffen die realen Kantonsergebnisse ein. Sie bestätigen die Hochrechnung weitestgehend. Die Abweichungen zwischen den hochgerechneten Resultaten einerseits, den effektiven Ergebnissen anderseits sind meistens sehr gering. Das spricht dafür, dass sich in den Einschätzungen bis am Abend nichts ändert.
Damit ist klar, dass die Forschung am Menschen von Volk und Ständen angenommen wurde. Ueberraschend ist das nicht. Es wird aber auch deutlich, dass die BVG-Vorlagen scheitern wird. Das ist doch eine Ueberraschung, insbesondere weil sich ein Nein in allen, das heisst auch den stark bürgerlich geprägten Kanton abzeichnet. Und den gesamtschweizerichen Tierschutzanwalt wird es nicht geben. Denn auch hier sagen Volk und Stände klar Nein.

14 35: Kleine Verschnaufpause

Eine kleine Pause ist angesagt, um sich auch zu stärken. Das Telefonteam hat erfolgreich gearbeitet, wurde verdankt und bereits nach Hause entlassen.
Jetzt beginnt die Analysearbeit anhand der vorläufigen amtlichen Ergebnisse und der Hochrechnungsresultate. Zuerst geht es um die Stimmbeteiligung, dann um die Erstanalyse der Tierschutzinitiative resp. der BVG-Vorlage.

15 05: Stimmbeteiligung

Die hochgerechnete Stimmbeteiligung auf nationaler Ebene beträgt 46 Prozent. Das ist ziemlich nahe beim längerfristigen Mittel, das wir bei eidgenössischen Volksabstimmungen kennen. Demnach gab es keine wirklich auffällige Zusatzmobilisierung bei diesen Abstimmungsthemen.
Die wichtigste Festellung ist, dass die regionale Zusatzmobilisierung kaum mit dem Zustimmungsprofil zu einer Vorlage zusammenhängt. Das heisst, es gab keine eigentliche Beteilgungsgründe, die direkt von einem der Themen resp. von der Position hierzu bestimmt war. Keine Seite bei keiner Vorlage muss sich also den Vorwurf gefallen lassen, wegen eine schlechten Mobilisierung verloren zu haben. Umgekehrt gilt der Schluss auch nicht. Kein Komitee hat wegen einer speziellen herausgeholten Beteiligung gewonnen.

15 45 Erstanalyse Tierschutzanwalt

Die Volksinitiative für einen Tierschutzanwalt scheiterte am Volks- und Ständemehr deutlich. Die Erstanalyse aufgrund der regionalen Unterschiede legt nahe, von wenig klaren Unterschieden auszugehen. Am deutlichsten sind diese entlang der Stadt/Land-Achse. Die Ablehnung ist über dem Mittel, wenn es sich um rurale Gebiete handelt, und weniger als im Schnitt in den urbanen. Damit einher geht, dass die Initiative vermehrt abgelehnt wurde, wo es noch viele Landwirte unter den Erwerbstätigen hat. Und teilweise identisch ist damit, dass hier die CVP über dem Durchschnittlich stark ist.
Das Nein repräsentiert als die traditionellen, ruralen, vielleicht auch christlichen Werte, wo man noch klar zwischen Mensch unt Tier einen hierarchische Unterscheidung vornimmt. Bei modernen, urbanen und laizistischen Werten macht man diese Unterscheidung nicht mehr, und war die Zustimmung zur Initiative verstärkt.

16 15 Erstanalyse BVG-Umwandlungssatz

Die Vorlage von Regierung und Parlament scheiterte klar. 74 Prozent der Stimmenden votierten dagagen. Da es sich um eine Gesetzesänderung handelte, brauchte es kein Ständemehr. Dennoch geben die regionalen Unterschiede gewisse Hinweise darauf, wo vermehrt dafür resp. dagegen gestimmt wurde. Zunächst fällt dabei die Links/Rechts-Achse aus, weniger bezogen auf Parteien als auf das Stimmverhalten bei linken und rechten Themen. Das ist bei sozialpolitischen Vorlagen meist der Fall. Diesmal kommt hinzu, dass Kantone mit geringen Einkommensunterschieden besonders dagegen waren. Hier wurde die aktuelle Entwicklung zur Oeffnung der sozialen Schere am klarsten mit der Vorlage in Verbindung gebracht und am deutlichsten auch verworfen.

16 30: Wieder Pause, ich kann mich informieren
Ich finde Zeit, mich etwas über die Stadtzürcher Wahlen aufzudatieren. Im Moment führt Rotgrün eindeutig. Die sechs KandidatInnen sind unter den ersten 9. Es folgen FDP- und CVP-Vertreter. Das sieht nach einem Linksrutsch im Zürcher Stadtrat aus. Eine Hochrechnung liegt aber nicht vor, sodass alles spekulativ bleibt.

17 05 Die vorläufig definitiven Endergebnisse
Es liegen die Endergebnisse vor, wenigsten die vorläufig amtlichen. Sie lauten:
Ja zu Forschung am Menschen mit 77,2 Prozent Ja und allen Kantonen dafür,
Nein zur Senkung des Umwandlungsatzes beim BVG mit 27,3 Prozent Zustimmung und
Nein zur Tieranwaltinitiative mit 29,5 Prozent Ja und allen Kantonen dagegen.
Die Stimmbeteiligung liegt bei 45,2 Prozent für die BVG Vorlage.

19 00: Wieder im Zug
Ich danke meinem Schutzengel und fahre entspannt nach Bern zurück.

Claude Longchamp

Hochrechnungen zu den eidgenössischen Volksabstimmungen vom 7. März 2010

Am Sonntag ist es soweit: Die nächsten eidgenössischen Volksabstimmungen finden statt. Mit Hochrechnung und Analysen von gfs.bern.

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Wie seit 1992 regelmässig, erstellt das Forschungsinstitut gfs.bern die Hochrechnungen hierzu, und nehmen ich als Gesamtverantwortlicher hierfür die Analyse der Ergebnisse für Radio und Fernsehen der SRG-Medien statt.

Es werden alle drei Vorlagen hochgerechnet, namentlich sind dies:

– die Forschung am Menschen
– die Tierschutzanwalt-Initiative
– Mindestumwandlungssatz beim BVG

Der vorgesehene Ablauf ist wie folgt:

– 12:30 Uhr: Erste Trends (qualitative Aussagen ohne Zahlen: Ja-Trend, Nein-Trend, keine Trendaussagen möglich) für alle drei Vorlagen
– 13:00 oder 13:30 Uhr: die neue, beschleunigte Hochrechnung (mit einer Fehlerquote +/- 3%)
– 14:00 Uhr bekannte Hochrechnung (mit einer Fehlerquote +/- 2%)

Ab 15:00 Uhr gibt es Analysen zur Stimmbeteiligung und Kampagnen sowie zu den Hauptergebnisse des Abstimmungssonntags. Im Zentrum stehen wird dabei die Würdigung der Volksentscheidung zum BVG.

Ferner liefern wir am späten Nachmittag kleine Analysen zuden Wahlen in den Kanton und grossen Städten.

Um 18:40 gibt es dann den Schlusskommentar zum Abstimmungs- und Wahltag von gfs.bern-Institutsleiter Claude Longchamp.

Politische Internetnutzung erreichte 2009 neue Höchstwerte

2009 war das Jahr der Internet-Nutzung in Abstimmungskämpfen der Schweiz. Knapp ein Viertel der Teilnehmenden informierte sich auf diesem Weg über die Sachfragen, die es zu entscheiden galt – der bisherige Höchstwert.


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Die langfristige Auswertung der VOX-Analysen zeigt ein beträchtliches Ansteigen der Nutzung von Internet durch die Stimmenden. Bis 2003 blieb der Wert regelmässig klar unter 10 Prozent. Die damaligen Nationalratswahlen brachten aber einiges in Bewegung. Das gilt, beschränkt auch für die Parlamentswahlen von 2007.

2009 nun erreichte die Internet-Nutzung in Abstimmungskämpfen ihren bisherigen Höhepunkte – mindestens was die Nutzung durch die Stimmenden betrifft. 22 Prozent von ihnen griffen auf Internetangebote zurück, als sie sich für die Volksabstimmung vom 29. November informierten. Vor der Entscheidung über die Personenfreizügigkeit am 8. Februar waren es 21 Prozent gewesen.

In Zahlen ausgedrückt sind das rund 500’000 aktive BürgerInnen, die sich in der Schweiz auf diese Weise informieren. Die wenigstens von ihnen tun das exklusiv so; die meisten greifen auch auf die anderen Angebote im Print- und elektronischen Bereich zurück.

Die Aenderung im Informationsverhalten ist zunächst ein Generationenphänomen: Je jünger die BürgerInnen sind, desto häufiger nutzen sie Internet. Das gilt auch für den Schulabschluss: Je höher dieser ist, desto häufiger zeigen sich die Neuerungen. Und es trifft auf Männer im Vergleich zu Frauen zu.

Ueber die Auswirkungen auf die Meinungsbildung weiss man noch recht wenig. In der Regel zeigt sich vorerst kein signifikanter Zusammenhang mit der Stimmabgabe, wenn man das soziologische Profil der Verwendung kontrollierend mitberücksichtigt. Mit anderen Worten: Junge Menschen stimmen gleich, ob sie Internet nutzen oder nicht. Im Einzelfall mag es Abweichungen davon geben.

Das spricht vorerst vor allem für die These, wonach neue Medien alte ersetzen, ohne das ein eigentlicher Verlierer sichtbar wird. Das galt zunächst auch für das allgemeine Informtionsverhalten, bei dem sich aber in einer zweiten Phase vor allem die Printmedien als Verlierer an Nutzung und Glaubwürdigkeit entpuppen. Es ist nicht auszuschliessen, dass das auch in der politischen Kommunikation eintreten wird.

Wer führt Kampagnen: politische Akteure oder Massenmedien?

Gute politische Akteure bereiten Kampagnen mediengeeignet vor, sodass sie in zentralen Argumentationsfelder Erfolg haben und von der Gegenseite aufgenommen werden müssen. Das ist die wichtigste Beobachtung der Politikwissenschafterin Regula Hänggli in ihre Studie, die sie heute in Genf vorgestellt hat.

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Zu den interessanten Präsentationen, die ich in der Arbeitsgruppe “Comportement politique” an der diesjährigen Veranstaltung der Schweizerischen Vereinigung für politische Wissenschaft (SVPW) erfahren habe, gehört die von Regula Hänggli. Die junge Forscherin an der Universität Zürich beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen politischen Akteuren und Massenmedien. Vor allem interessiert sie sich für die Frage, was das mediale frame building beeinflusst. Vereinfacht ausgedrückt untersuchte sie dafür die Entstehung und Veränderung von Argumentationstypen in Schweizer Abstimmungskämpfen. Drei Kampagnen dienten ihre als Ausgangsbasis.

Vier Faktoren des Framebuildings konnte Hänggli identifizieren:

erstens den politischen Akteur, der in einer Kampagne den Lead einnimmt,
zweitens dessen Kampagnenmacht,
drittens die Häufigkeit des Inputs von Frames und
viertens den Multiplikatoreffekt durch die Kommunikation.

Die Forscherin widerspricht Vorstellungen, wonach die Medien heute eine hohe Eigenleistung in der Bildung von Argumentationsstrategie erbringen. Im Wesentlichen dominiert nicht ihre Logik, sondern die der Politik. Jedenfalls in der Schweiz scheint die Aufgabe von Kampagnenakteuren akzeptiert zu sein. Hänggli konnte aber zeigen, dass die Medien deren Absichten filtern und abschwächen, – mit zwei Ausnahmen: Missbräuche und Massenphänomene sind mediale Stereotype die noch häufiger zur Sprache gebracht werden, als dies Akteure tun.

Den wichtigsten Multiplikatoreffekt in Kampangen haben Bundesräte. Themen, die sie in der Oeffentlichkeit einnehmen, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, flächendeckend verbreitet zu werden. Das gilt selbst oder gerade dann, wenn BundesrätInnen nur wenige Male in einer Kampagne äussern.

In der Vorbereitung von Kampagnen mit Blick auf ihre Medieneignung sind wenige Akteure von Belang. Sie sind wirkungsvoll, wenn sie sich durch Kampagnenmächtigkeit auszeichnen, das heisst durch langfristige Beziehungen und Formung von Botachaften das geeignete Medienframing und -placeing betreiben.

Die Studie war vorbildlich eingeschränkt, und kommt zu brauchbaren Schlüssen. Vielleicht könnte man sagen, wäre die Analyse für eine Medienwissenschafterin ok, für eine Politikwissenschafterin noch etwas abgekürzt. Denn diese Disziplin interessiert sich in der Regel für die Kampagnen vor allem mit Blick auf die Entscheidungen, die am Ende eines Abstimmungskampfes gefällt wird. Ueberraschend thematisierte die Forscherin das indessen nicht, oder vielleicht noch nicht.

Eine Beobachtung von Hänggli ist mir besonders hängen geblieben: Sie geht davon aus, dass es in Kampagnen nur wenige klar unterscheidbare Frames gibt, die eine der beiden Seiten mit solcher Eindeutigkeit definiert, dass die Gegenseite nicht immer, aber immer wieder reagieren muss. Das spricht für eine bschränkt dialogische Struktur von Kampagnen – anders als es theoretische Arbeiten postulieren. Denn sie empfehlen nicht selten, sich nie auf die Felder der anderen Seite einzulassen. Ganz offensichtlich findet in der Realität aber genau das Gegenteil statt.

Links/Rechts-Polarisierung, Parteibindungen und Werthaltungen bei Wahlen und Abstimmungen

Zu den wichtigen Veränderungen der Schweizer Politik der Gegenwart zählt ihre parteipolitische Polarisierung. Wer sich klar positioniert und das im Alltag zu kommunizieren weiss, gewinnt Wahlen, und der scharfe Gegensatz prägt auch eine wachsende Zahl von Sachentscheidungen.

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Genau dem ist Thomas Milic , heute Lehrbeauftragter für politische Psychologie an der Uni Zürich, in seiner Dissertation jüngst nachgegangen. Entwickelt hat er seine Fragestellung aus der internationalen Literatur. Ueberprüft hat er sie aufgrund von Schweizer Wahl- und Abstimmungsnachbefragungen.

Die zeitgenössische Veränderung
Lange herrschte in der Politikwissenschaft zur Schweiz die sog. Surrogatsthese vor. Demnach seien Positionierungen der BürgerInnen auf der Links/Rechts-Achse nur ein Ersatz für ihre Parteiidentifikation. Wer mit der SP sympathisiert, ist links; bei Verbindungen mit der CVP, ist man in der Mitte, und wer hinter der SVP steht, versteht sich als Rechte(r). Wer keiner Partei nahesteht, verortet sich mit Vorliebe im Zentrum. Dieser Vorstellung widersprochen haben vor allem WertforscherInnen: Mit der Entwicklung neuer Werte wie Oekologie oder Selbstverwirklichung verschwinde die Bedeutung der Parteibindung für die Selbstdefinition, argumentieren sie bis heute unverändert.

Milic gibt eine differenzierte Antwort: Typisch für die ideologischen Teile der Wählerschaft sind Parteibindung und Wertemuster, die zu einer eindeutigen Position auf der Links/Rechts-Achse führen. Bei den Un- oder Ueberparteilichen findet sich ähnliches, gibt es aber keine feste Parteibindungen. Und bei den Unpolitischen (mit oder ohne Parteibindungen) entsteht kaum eine ausgeprägte und konsistente Verteilung auf der Links/Rechts-Achse.

Die Surrogatsthese, folgert Milic, trifft bei BürgerInnen ohne ausgeprägtes politisches Interesse zu, während die These des Wertedeterminismus bei den Unparteilichen Gültigkeit beanspruchen kann. Miteinander kombiniert erscheinen beide These bei den ideologischen WählerInnen erfüllt.

Die Konsequenzen bei Wahlen und Abstimmungen

Die weltanschauliche Polarisierung zwischen den Parteien spricht die IdeologInnen unter den Wählenden an, die thematische Auseinandersetzung ist für die Ueberparteilichen wichtig, während die Unpolitischen wohl am meisten auf die Aktualität reagieren.

Komplexer sind die Folgen der Links/Rechts-Positionierung bei Abstimmungen. Hier bringt Milic nicht Ideologien, sondern Heuristiken ins Spiel – Entscheidungsroutinen, die mehr als nur einmal angewendet werden. Typisch hierfür sieht die Position zum EU-Beitritt, die in zahlreichen weiteren Themen Antworten gibt. Vertrautheit mit der Fragestellung einerseits, die Konflikthaftigkeit bei Auftauchen entsprechender Probleme sieht er für die Entscheidungen wichtiger an als Parteiparolen. Auf diese greift man vor allem dann zurück, wenn ein Thema unbekannt oder unwichtig ist.

Bei bekannten Themen folgt man nach Milic nicht blind einer Partei, orientiert sich aber an ihnen. Der Forscher vermutet, dass sich die BürgerInnen jenen Argumenten zuwenden, die von ihrer Partei kommen und die ihre eigenen Werthaltungen stützen. Kurz streift er auch die Bedeutung neuer Reizwörter, zu denen man “Privatisierung/Liberalisierung”, “Ueberreglementierung/Bevormundung” und “Verschwendung/Steuerlast” zählen kann. Sie dürften insbesondere für das wenig politische Publikum entscheidend sein.

Würdigungen
Die Links/Rechts-Dimension, eine Folge der Erschütterungen in europäischen Parteiensystem nach der Russischen Revolution, ist nach Milic als überlebensfähig, weil sie politische Komplexität reduziert. Doch ist sie periodischen Transformationen unterworfen, sodass die Inhalte ändern. Diese Veränderungen sind wichtiger als die Dimension selber. Neueinbindungen entstehen über neu auftretende Themen, die man mit Parteien in Verbindung bringt, und für bestimmte (Werte)Konflikte typisch sind.

Mit Grund, fügt er an: Denn links und rechts fehlt in der Schweiz letztlich das Affektive, dass Personen, Parteien und Werten eigen ist, weshalb sie mehr zu politischen Entscheidungfindung beitragen als Worthülsen.

Ich staunte, als ich mich das erste Mal mit den Thesen von Thomas Milic auseinandersetzte. “Ideologie im Stimmverhalten” hielt ich für überzeichnet. Gut fünf Jahre danach habe ich meine Meinung geändert, denn der Zürcher Politikwissenschafter hat so frühzeitig ein Thema aufgegriffen, das sich in der politischen Realität der Schweiz wandelt, âber weder von der Wahl- noch in der Abstimmungsforschung der Schweiz bisher systematisch untersucht worden ist. Mehr davon, vor allem für die Entscheidungsmechanismen der Unpolitischen angesichts der Offensive des Nationalkonservatismus beispielsweise wäre wünschenswert.

Menschenrechte und Demokratie gehen auseinander hervor.

In die Kontroverse um Demokratie und Menschenrechte greift nun auch der Staats- und Völkerrechtler Walter Kälin ein: weder das eine noch das andere gelte absolut, ist seine These; Menschenrechte und Demokratie bedingen einander vielmehr und müssen gemeinsam weiterentwickelt werden, schreibt er in der heutigen “NZZ am Sonntag”.

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Walter Kälin, seit 1988 Professor für Staats- und Völkerrecht an der Universität Bern, weltweit anerkannter Experte für Menschenrechtspolitik

Man erinnert sich: Nach der Volksabstimmung über die Minarett-Initiative kritisierte namentlich der Club Hélvetique, der Entscheid sei menschenrechtswidrig und müsse rückgängig gemacht werden. Die SVP reagierte harsch und stellte eine Volksinitiative gegen jegliche Einschränkung von Volksrechten in Aussicht. Polarisierung pur!

Gelassener beurteilt Professor Walter Kälin, Schweizer Mitglied des UNO-Menschenrechtsausschuss, die Sache. Seine These: Menschenrechte und Demokratie bedingen einander: Demokratie ohne Menschenrechte bedeutet Diktatur der Mehrheit. Doch Menschenrechte stehen nicht an sich über der Demokratie, denn beides geht auseinander hervor.

Menschenrechte setzen Demokratien zunächst Grenzen. Denn auch Dmokratie bedeutet nicht ungebremste Herrschaft, wenn das Volk es legitimiert. Entsprechend müssen Minderheitsrechte auch vor demokratischen erzwungenen Einschränkungen geschützt werden.

Das gilt für den Kern von Menschenrechten, etwa dem Verbot unmenschlicher Behandlung, dem Diskriminierungsverbot, dem Anspruch auf eine faires Gerichtsverfahren und dem Schutz vor Zwang zu religiösen Handlungen.

Doch sind auch Menschenrechte gerade in Demokratien nicht sakrosankt. Dient ihre Beschränkung einem legitimen Zweck und geht sie dafür nicht weiter als notwendig, geht das für den Juristen in Ordnung. Denn Menschenrechte schreiben nicht vor, was eine Demokratie zu entscheiden habe, nur was sie unterlassen soll.

Im konkreten Fall des Minarettverbots in der Schweiz postuliert Walter Kälin: Sollten die hohen Gerichte in Lausanne oder Strassburg die Zulässigkeit bestreiten, dürften die Initianten weiter für ihr Anliegen kämpfen. Sie müssten aber Vorschläge unterbreiten, die nicht-diskriminierend seien.

Oder allgemein ausgedrückt: “Gefragt sind weder die Diktatur der Mehrheit, noch die Herrschaft der Richter, sondern die richtige Balance zwischen Demokratie und Menschenrechten. Sie zu realisieren, braucht Besonnenheit und Denken in grösseren Zusammenhängen”, sagt der Experte.

Was ist Volkssouveränität? – eine philosophische Antwort.

“Das Volk – was ist das?”, stellt sich in der heutigen NZZ am Sonntag der Zürcher Philosoph Georg Kohler als Frage, um die Antworten auf die Debatte über Volksentscheide nach der Minarett-Abstimmung zu finden. Volkssouveränität sei in erster Linie der Name für Verfahren, die dem Einzelnen zur grösstmöglichen Autonomie in einer liberalen Rechtsordnung verhelfen, folgert er.

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Georg Kohler, Professor für politische Philosophie an der Uni Zürich äussert sich zur laufenden Debatte über Demokratie und Recht, Volk und Souveränität

Für den politischen Philosophen ist die Volkssouveränität der grundlegendste Kriterium einer jeden Demokratie. Es beinhaltet zwei Vorstellungen: Entscheidungen dürfen keine andern Autorität zustehen, und sie müssen nach festen Regeln erfolgen. Denn Volkssouveränität verweist “einerseits auf die Geltung vorgeschriebener Prozeduren, anderseits auf ein durch die Zahl der Einzelentscheidungen erfasstes Stimmenverhältnis.”

Die generelle Gedanke muss gerade im Deutschen noch differenziert werden. Denn “das Volk” steht gleichzeitig für Demos, Ethnos und Natio. Die beiden letzteren Begriffe beinhalten nicht das Staatsvolk, sondern bezeichnen Kollektive mit gemeinsamer Abstammungsgeschichte. Ethnos ist der Stamm, und Demos sind die StimmbürgerInnen. Natio ist am komplexesten, denn die ursprüngliche Vorstellung ist dem Ethnos ähnlich, während heute reduziert Nationalität als Besitz des BürgerInnenrechts verstanden wird.

Da liegt nach Georg Kohler die Krux der Volksdefinitionen, die zwischen dem Stamm und dem Staatsvolk osziliere. Vorstellungen der Nation kippten rasch von Nationalität zu Nationalismus, die sich dann nicht mehr auf das Recht, sondern auf die Herkunft beziehen und den Bodensatz für Populismus liefern.

Demokratie, schliesst Kohler, beruhe auf der politischen Erkentnis, dass keine Entscheidung nicht mehr überbrückbare Spaltungen der Gesellschaft erzeugen solle. Im Rahmen der Verfassung sei darum jede demokratische Entscheidung revidierbar. Volkssouveränität “ist in erster Linie der Name für die Verfahren, die dem Einzelnen zur grösstmöglichen Autonomie in einer liberalen Rechtsordnung verhelfen.”

PS:
Der Artikel ist leider nicht auf dem Internet greifbar.

Wer links, wer rechts stimmt, und wer die Mehrheit ausmacht.

Nun liegt auch die Halbzeitbilanz zum Abstimmungsverhalten der einzelnen NationalrätInnen vor. Die Auswertung der 1194 Namensabstimmungen zeigt, wer seit den letzten Wahlen links, wer rechts stimmte, und wer das Zentrum in der gegenwärtigen Volksvertretung ausmacht.


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Auswertung der Namensabstimmung im Nationalrat in der 1. Hälfte der 48. Legislatur durch Jeitziner/Hermann.


Die Pole

Pirmin Schwander und Geri Müller sind beide Nationalräte mit Schwerpunkt Aussenpolitik. Müller, der Grüne aus dem Aargau, ist Palästina-Freund und derzeit Präsident der Aussenpolitischen Kommission, während Schwander, für die Schwyzer SVP im Parlament, Präsident der AUNS ist und den Alleingang der Schweiz propagiert. Doch auch sonst haben die beiden keine Gemeinsamkeit. Denn Müller ist der linkeste Parlamentarier in der Schweiz, Schwander der rechteste.

Die Polarisierung
Schwander ist für seine Fraktion typisch. Er markiert das vorläufige Ende einer Entwicklung, die in der SVP im Jahre 2000 einsetze und seither fast ununterbrochen nach rechts führte. Eine kleine Kurskorrektur gab es nur gerade 2004 und 2006, als man verstärkt im Bundesrat repräsentiert war. Die Abspaltung der BDP 2008 erscheint so nicht die Ursache des Rechtsrutsches, sondern die Folge.

Geri Müllers Partei, die Grünen, keinen keine so klare Entwicklung. Zwar ist das linke Dutzend im Nationalrat mit den Ausnahmen wie Christine Goll und Paul Rechsteiner ausnahmeslos bei den Grünen zu Hause. Doch gibt es innerhalb der Fraktion neuerdings auch eine Gegentendenz, denn Yvonne Gilli, Daniel Brélaz und Alec von Graffenried rückten in die Mitte. Dafür drifftet die SP-Fraktion immer mehr nach links ab. Seit diesem Jahr ist sie gar links der Grünen positioniert.

Der dritte Pol
Die Positionen der Fraktionen im Nationalrat lassen zwischenzeitlich eine klare Dreiteilung der politischen Landschaft erkennen. Das Zentrum bilden die die CVP, die BDP und die FDP. Die FDP hat sich ziemlich homogen Mitte/rechts positioniert. Die CVP streut klar breiter, bildet mit den glp- und EVP-ParlamentarierInnen zusammen, die optimale Mitte. Die BDP, so klein sie ist, tendiert sowohl in die Mitte wie nach rechts Martin Landolt und Hans Grunder liessen sich problemlos in der FDP unterbringen, während Ursula Haller, Hasnjörg Hassler und Brigitta Gadient besser zur CVP passen.

Das personelle Zentrum der Schweizer Nationalrates bilden übrigens ParlametarierInnen wie Christa Markwalder Bär, Fabio Abiate und Jean-René Germanier von der FDP, Jakob Büchler und Pius Segmüller von der CVP. Denn haben etwa gleich viele KollegInnen links und von rechts von ihnen in der gegenwärtigen Volksvertretung.

Ein- oder zweidimensional?

So klar die Auswertung auf der Links/Rechts-Achse ausfällt, so deutlich wir aber auch, dass es in den Einschätzungen der Fraktionen Divergenzen gibt, je nachdem ob man das Parteienspektrum ein- oder zweidimensional darstellt. Insgesamt gefällt mit die zweidimensionale Aufteilung besser, denn sie macht die Unterschiede zwischen CVP und FDP deutlicher. Jene ist im Zentrum, die FDP ist dafür liberaler, was sich beispielsweise in Finanz-, Wirtschafts-, Sozial- und Umweltfragen auf ein rechtes Stimmverhalten auswirkt, in anderen Bereichen wie der Aussen- oder Gesellschaftspolitik nicht findet.

Claude Longchamp