Vor der SP-Nomination der Kandidat:innen für den Bundesrat: Favoriten, Verfolger und Aussenseiter

Drei explizite Prognosen zu den Wahlchancen der sechs SP-Bundesratsanwärter liegen vor. Sie sehen Jon Pult und Evi Allemann an der Spitze. Beat Jans und Daniel Jositsch bilden die Verfolgergruppe, Roger Nordmann und Matthias Aebischer sind die Aussenseiter.

Die drei Vorhersagen
Die Nomination in der neuen SP-Fraktion findet an diesem Samstag statt.
Erstellt wurden die Prognosen hierzu von Adrian Vatter, Politologie-Professor an der Uni Bern, sowie von den Wahlbörsen «50plus1» von Prof. Oliver Strijbis (Franklin Uni Lugano) und Wahlfieber, einem Wettkollektiv mit Sitz in Wien (A) und Kiel (D).
Vatter stützt sich auf seine Typologie der Bundesrät:innen. Sie hat den Vorteil, auch qualitative Beurteilungen zu liefern. So zählt er Pult zu den «Populären», Nordmann und Jositsch wären «Intellektuelle», Jans ein zielstrebiger «Regent» und Allemann resp. Aebischer gut vermittelbare «KonkordanzpolitikerInnen».
Die Wahlbörsen haben weniger hohe Absichten. Sie wollen nur ermitteln, was die Erwartungshaltungen (bei MeinungsführerInnen) sind.

Die Stärken und Schwächen der SP-Interessierten
Das Ergebnis ist nicht einheitlich, letztlich aber eindeutig: Aebischer und Nordmann wird eine Wahl am wenigsten zugetraut, vor allem wegen ihrer Herkunft. Mit Albert Rösti (BE) und Guy Parmelin (VD) sind bereits je ein Mitglied aus ihrem Herkunftskanton im Bundesrat.
Jositsch und Jans wurden vor allem zu Beginn des Auswahlverfahrens als Favoriten bezeichnet. Bei Jans zählte der Posten als Regierungspräsident aus Basel, bei Jositsch seine wiederholt brillante Wahl als Zürcher Ständerat. Zwischenzeitlich sieht man aber auch Grenzen: Jans sei nicht mehr im Parlament und damit weniger gut vernetzt. Jositsch habe mit seinem Vorpreschen vor Jahresfrist bei der Nachfolge von Simonetta Sommaruga seine parteiinternen Chance vermindert.
Bleiben die beiden Favorit:innen in den Prognosetools: Evi Allemann, die einzige Frau unter den Interessierte mit einem soliden Leistungsausweis als Legislativ- und Exekutivpolitikerin, sowie Jon Pult, dem Draufgänger aus Graubünden, dem Kommunikationstalent mit Naturverbundenheit. Beide verkörpern bei allen Unterschieden die nachrückende SP-Generation.
Die Vorentscheidung fällt am Samstag die SP-Fraktion. Für sie locken die Chancen, mit Evi Allemann die Frauen im Bundesrat in die Mehrheit zu versetzen resp. mit Jon Pult eine energische Identifikationsfigur anzubieten.

Die Entscheidung der Fraktion und der Bundesversammlung
Offen ist noch, ob es ein Zwei- oder ein Dreierticket gibt. Normal ist ein Doppelvorschlag. Doch mit einem Dreifach-Vorschlag könnten auch weitere starke Bewerbung eine Chance erhalten.
Denn die finale Entscheidung fällen die Fraktionen und die Bundesversammlung. Da treten auch die Grünen gegen die FDP an, und man spekuliert auch über eine Mitte-Bewerbung gegen die FDP.
Namentlich von SVP-Fraktionspräsident Aeschi ist bekannt, dass er sich gegen ehemalige Juso-Politiker:innen ausgesprochen hat, was Allemann und Pult betreffen würde. Das kann auch als Kampfansage für Bewerbungen ausserhalb des Ticket gesehen werden.
Die FDP wiederum dürfte damit beschäftigen sein, ihre beiden Mitglied bestätigen zu können, während die Mitte am schwersten einzustufen ist, welche Zeichen sie setzen wird. Von der SVP hört man aber, wenn sie angreife, müsse man darüber diskutieren.
Das Ergebnis der Wahl entscheidet die Mehrheit der National- und Ständerät:innen am 13. Dezember 2023. Für alle SP-Kandidierende gilt: Sie kommen in einer potenziell turbulenten Bundesratswahlen als letzte dran, müssen sich also auf überraschende Einflüsse aus den Wahlgängen davor gefasst machen.

Claude Longchamp

Vatter’s Typologie der BundesrätInnen:
https://magazin.nzz.ch/hintergrund/so-sieht-der-perfekte-bundesrat-aus-ld.1588186