Bilanz zum neuen Parteiensystem aus der Wahltagsbefragung

Die neue Mitte ist das Hauptphänomen der Nationalratswahlen 2011. Gebildet wird sie aktuell durch CVP, GLP und BDP. Zusammen sind die drei Parteien von 16 auf 23 Prozent Wähleranteil angestiegen. Verringert hat sich das Gewicht links von ihr um rund 2 Prozentpunkte, rechts von ihr um rund 5 Prozentpunkte.

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Vor allem im Langfristvergleich fällt die Neuerung auf. Waren alle nationalen Wahlen seit der “historischen” EWR-Entscheidung vom 6.12.1992 durch die Polarisierung, seit 2003 auch durch eine Rechtsentwicklung gekennzeichnet, hat das Pendel diesmal umgeschlagen: Die Rezentrierung ist das aktuelle
Kennzeichen.

Dafür spricht nicht nur das Wahlergebnis. Auch die Wahltagsbefragung charakterisiert die meisten Wählerströme durch die neue Tendenz. BDP und GLP sind Magnete für WechselwählerInnen geworden. Je unvoreingenommener der Parteientscheid 2011 gefällt wurde, desto grösser ist die Chance, dass man sich für eine der beiden Parteien entschied. Beide Parteien waren auch für Wechselwählende attraktiv. Das alleine erklärt die Veränderungen der Parteistärken noch nicht. Hinzugerechnet werden müssen auch die Mobilisierungseffekte. Diese zeigen, dass vor allem die GLP für die Neumobilisierten attraktiv war.

Der Wandel der Grosswetterlage von der Polarisierung zur Harmonisierung lässt sich auch anhand der Position der Parteien auf der Links/Rechts-Achse ablesen. Erstmals ist die Distanz zwischen SVP einerseits, SP und GPS anderseits nicht mehr gewachsen; sie hat aber auch nicht abgenommen. Die neuen Parteien entstanden nicht durch die Wählenden der klaren Pole, eher durch jene mit gemässigten Positionen leicht links oder rechts der Mitte, die sich von diesen Polen abwandten.

Die Themen- und Werteausrichtung der GLP überzeugt die neue Wählerschaft der Partei am meisten: Mit der Kernenergiedebatte nach dem Unfall in Fukushima hat die Partei nicht nur ihr Thema gefunden, sondern auch ihre Rolle als Vermittlerin im Parteiensystem. Das wirkte namentlich auf bisherige WählerInnen von FDP und SP anziehend aus. Besonders attraktiv ist dies für Wählende aus dem urbanen Gebiet, für Angehörige der oberen Mittelschichten und für jüngere Wählende.

Bei der BDP sind die Personenausrichtung und die Grundhaltung der Partei wichtig. Thematisch ist die zweite neue Partei noch weniger profiliert. Gewählt wurde sie wegen den KandidatInnen, die für die „Neue Kraft“ stehen, und selbstredend wegen der Bundesratsfrage. In der Grundhaltung ist man für eine vermittelnde, staatstragende Sicht auf die Dinge aus. Das hat sich auf frühere Wählende von FDP, SVP und SP positiv ausgewirkt. Es hat der Partei vor allem im Segment der RentnerInnen stimmen gebracht, aber auch bei jungen Wählenden ohne bisherige Parteipräferenz. Sie tendiert dazu, in verschiedenen Städten zur Alternative zur FDP zu werden, während sie auf dem Land teilweise die SVP herausfordert.

Die SVP verlor bei dieser Wahl, weil sie den gewohnten Spannungsbogen, den sie in die Politik und die Wahlkämpfe brachte, nicht mehr im gleichen Masse entwickeln konnte. Das zeichnete sich mit der Kontroverse um den Kampf gegen Personenfreizügigkeit ab, die bis in die Partei hinein wirkte. Vernachlässigt hat die SVP auch die Themenarbeit in Wirtschaftsfragen, die gerade mit dem starken Franken von Belang wurden. Entscheidend blieb, dass trotz des Versuchs, den eingespielten Dreh in der Kampagne zu imitieren, die gewohnte Schlussmobilisierung ausblieb. Massgeblich war, dass die Polarisierung von rechts nicht mehr verstärkt werden konnte. Stark zurück entwickelt hat sich auch die Attraktivität der SVP für Wechselwählende, Gegenüber keiner anderen Partei hat die SVP heute eine positive Wanderunsbilanz. Gegenüber der BDP ist diese sogar negativ.

Die FDP hat ein Positionierungsproblem. Die hat die Abwanderung von Wählenden nach rechts zwar stoppen können. Sie konnte indessen nicht verhindern, dass die Front zur Mitte bröckelt. BDP und GLP sind zur Konkurrenz geworden. Der Fukushima-Effekt ist hier von Belang. Vermuten kann man auch, dass die verschiedenen Positionswechsel zur inneren Demobilisierung beigetragen haben.

Dies ist auch bei der CVP das entscheidend. Dank der Mitte-Position konnte die CVP Abwanderungen zu anderen Parteien gering halten, nicht aber die bisherige Wählerschaft mobilisieren. Ihr Problem besteht darin, dass das weltanschauliche Fundament im Christentum kaum mehr trägt, die Stil- und Personenorientierung überhand nehmen, und die Wählenden ohne Probleme auch Kandidaturen anderer Parteien berücksichtigt, selbst wenn das der Partei an Stimmkraft kostet.

Die GPS kann das grüne Potenzial nicht mehr für sich allein beanspruchen, denn die GLP ist zur Konkurrentin geworden. Elektoral ist das nicht einmal das Entscheidende, denn die GPS verlor in erster Linie wegen der inneren Demobilisierung. Unter den Verbliebenen macht der Anteil weltanschaulich gebundener WählerInnen eine Proportion wie in keiner Partei aus, was dafür spricht, die konkrete Themenarbeit künftig wieder mehr zu pflegen, und die Offenheit der Partei zu erhöhen.

Die SP hat ihre Position neu bestimmt, klar auf den linken Pol gezielt, um verbessert mobilisieren zu können. Das scheint ihr auch einigermassen geglückt zu sein, allerdings mit dem Preis verbunden, dass es Abwanderungen zu anderen Parteien gegeben hat, die entweder klar ökologischer oder deutlich moderater positioniert sind. In der Romandie ging das Rezept auf, in der deutschsprachigen Schweiz kaum.

Auch wenn die Polarisierung mit ihrer positiven Wirkung auf die Wahlbeteiligung an ihre Grenzen gestossen ist, die Wahlbeteiligung ist 2011 erneut gestiegen. Man kann davon ausgehen, dass heute ein Sockel von 42 bis 43 Prozent besteht, der sich mehr oder weniger fest ins Wahlgeschehen eingebunden fühlt. Gegenüber den letzten Wahlen hat er zugenommen. Darüber hinaus kommt es darauf an, wer neu mobilisiert wird und wohin diese Wählenden gehen. In dieser Hinsicht besteht eine Änderung gegenüber 2007. Die Neuwählenden ziehen heute die Mitte vor, während die gewohnte Supermobilisierung der SVP weitgehend ausgeblieben ist.

Claude Longchamp

Kulturen des Misstrauens

Daniel Binswanger, einer der prominensten Intellektuellen unter den Schweizer JournalistInnen, analysiert im “Magazin” dieses Wochenendes die Entwicklungen der Demokratien im In- und Ausland. Ausgangspunkt ist die Kultur des Misstrauens, begründet durch Wirtschaftslage und Institutionenkrise. In meinen Kursen zu solchen Themen taucht regelmässig ein weiteres Thema auf, das Binswanger beredet umgeht.

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“Empörung” ist das Stichwort, mit dem der Essay von Daniel Binswanger beginnt. Dafür gibt es gute Gründe: die Wirtschaftskrise, die Arbeitslosigkeit, die Angst vor Verarmung. Doch das alleine reiche nicht, um die gegenwärtigen Vorgänge in den USA, in Frankreich oder in Deutschland zu verstehen. Denn zur Ueberraschung vieler beschränke sich die neue Empörungskultur nicht auf Diktaturen. Vielmehr sei sie auch repräsentativen Demokratien eigen geworden.

Diese Regierungsform stecke in einer tiefgreifenden Krise, ist Binswangers These. Denn Hoffnung auf politische Steuerung der Herrschaft durch Wahl und Abwahl von PolitikerInnen reiche in vielen Sachfragen nicht mehr aus. “Der Bürger möchte die Mandatsträger präziser überwachen, als dies mit periodischen Wahlen möglich ist”, folgert der Autor – eine “Kultur des Misstrauens” skizzierend. Gefragt sei nicht mehr Repräsentation, sondern Partizipation.

Das sei für viele der Moment der Schweiz, stellt Binswanger fest. Es spreche einiges dafür, dass die Schweizer Volksrechte zur Zukunft der Demokratie einen Beitrag leisten würden. Denn bei allen Abstrichen im Einzelfall, unser Land könne im internationalen Vergleich bestehen, weil es die primäre Orientierung am Output durch die Möglichkeit erweitert habe, den Input mitzubestimmen. Das merke auch die EU, die ihre Entscheidungsprozesse durch ein eigenes Initiativrecht erweitern will.

Doch, so Binswanger, das politische System der Schweiz sei nicht frei von ähnlichen Probleme. Zwei Sachen fallen dem Analytiker auf: die Zunahme von Volksinitiativen, positiv bewertet, und Aushölung des Milizsystems, das Negative für den Autor. Ersteres werde durch den neuerlichen Erfolg von Volksbegehren beflügelt, letzteres durch den Personalmangel an der Basis ausgelöst. Zugespitzt könne man sagen, auch hier verdränge die direkte Demokratie die repräsentative.

Zahlreiche dieser Beobachtungen und Folgerungen tauchen auch in meinen Kursen zur gegenwärtigen Politik, zum Zustand der Demokratie und zur Volksherrschaft regelmässig auf. Doch fällt mir eines auf: Journalist Binswanger macht einen riesigen Bogen um das Verhältnis von Medien und Demokratie, zur veränderten Beziehung von Oeffentlichkeit und Institutionen. Genau das ist heute aus keiner Diskussion mehr wegzudenken, seien es so verschiedene Gruppen wie LehrerInnen, PR-Fachleute oder auch PolitikerInnen.

Alle fühlen sich von den Medien abhängig. Die Lehrer können ihr Programm nicht einhalten, weil sie sich mit den Themen in “20 Minuten” befassen müssen. Die OeffentlichkeitsarbeiterInnen beklagen sich, dass ihre Botschaften gar nicht mehr gehört werden. Und die PolitikerInnen fühlen sich von den Medien getrieben.

Diese, nicht die WählerInnen geben die Themen vor, stecken den Rahmen von Lösungen ab und lenken die Meinungsbildung in den Institutionen. Entscheidend sei heute das Bild, die Person, die für etwas steht, nicht mehr aber die Sache selber. Das lenkt die institutionelle Politik von Lösungen ab, führt zum Managament von Impressionen. Meine Gewährleute sagen mir auch, dass die Wut der BürgerInnen von einem politisch-medialen Verbund instrumentalisiert werde, um Empörungen kurz vor Entscheidungen aufleben zu lassen, der inszenierte Protest aber ebenso schnell wieder verschwinde, wenn die Entscheidung einmal gefallen sei. Das alles verstärke den Eindruck der Beliebigkeit und Zufälligkeit der Politik, ja, es erzeugt oder verstärkt jedenfalls die Kultur des Misstrauens. Auch in unserer Demokratie.

Schade, dass ein so kritischer Zeitgenosse wie Daniel Binswanger diese selbstkritischen Reflexionen in seinem Essay nicht miteinbezieht, um so, Nähe zur Sache, aber auch Unparteilichkeit in der Analyse zu erlangen, wie es der im Artikel mehrfach zitierte Pariser Politologe Pierre Rosanvallon eigentlich vom Analytiker einfordert.

Claude Longchamp

Die NetzwerkerInnen

Werden, wie bisher, zwei ZürcherInnen im Bundesrat sitzen? Werden es, neu, zwei BernerInnen sein? Oder werden, was Weltrekord wäre, gar fünf Frauen in der siebenköpfigen Bundesregierung das Sagen haben? – Das sind die Kriterien vieler Alltagsdiskussionen, wenn man die Chancen der vier FavortInnen unter den BundesratskandidatInnen auslotet. Doch, so frage ich, welche Rolle spielen Netzwerke bei einer PolitikerInnen-Wahl?

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Ich bin ein Befürworter vom Transparenz im Beziehungsgeflecht unserer PolitikerInnen. Nichts ist meiner Meinung nach anrüchig, wenn man in einem Verwaltungsrat sitzt, einer Interessengruppe angehört oder eine Stiftung präsidiert. Doch sind das alles Gruppen, die von politischen Entscheidungen betroffen sind, auf sie Einfluss nehmen, weil sie Gewinner oder Verliererinnen sein können. Deshalb gehört die Verbindung der PolitikerInnen in diese Akteure offen gelegt.

Der Beobachter hat sich in verdienstvoller Weise die Netzwerke der BundesratskandidatInnen von SP und FDP ausgelotet. Basis bildete das “Register über die Interessenbindungen” der Bundesversammlung. Kontrolliert wurde es durch das “Zentrale Firmenregister”, dem offiziellen Handelsregister.

Zunächst fällt auf, dass RegierungsrätInnen wie Karin Keller-Sutter keine direkten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verbindungen (mehr) haben. Sie haben nur öffentliche Mandate, die mit den anderen Regierungsmitglieder abgesprochen sind. Bei der St. Galler Justizdirektorin sind das etwa der Regionalvorstand der SRG, aber auch die Stiftung für internationale Studien an der HSG.

Ganz anders ist das Profil der Interessenbindungen von eidgenössischen ParlamentarierInnen. Das markiert denn auch einen wesentlichen Unterschied der nominierten FDP-Frau zum FDP-Mann. Johannes Schneider-Ammann ist zu allerst Unternehmer an der Spitze der Ammann-Gruppe in Langenthal. Darüber hinaus sitzt er auch in wichtigen Verwaltungsräten, wie jenem der Swatch Group. Er ist in zahlreichen Wirtschaftsverbänden auf lokaler, nationaler oder internationaler Ebene Prädisent oder im Vorstand. Zudem wirkt er in einigen wirtschafts- oder gesellschaftsnahen Stiftungen mit, die Streikversicherungen unterhalten oder den Orientierungslauf fördern mit.

In der Struktur ähnlich, der Ausrichtung aber gegensätzlich sind, erwartungsgemäss, die Interessenbindungen der SP-KandidatInnen. Jacqueline Fehr präsidiert soziale Institutionen wie die AG für Suchtpolitik, die Stiftung Kinderschutz, und sie ist in führender Stellung bei der Pro Familia, der Pflegekinderaktion und der Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt. Das ist bei der Berner Ständerätin Simonetta Sommaruga ähnlich, wenn auch etwas offener in der Ausrichtung. Bekannt geworden ist sie als Konsumentenschützerin, deren wichtigste Stiftung sie heute noch präsidiert. Darüber hinaus ist sie im Stiftungsrat von Slow Food, Swissaid und dem Berner Bärenpark. Wirtschaftlicher ausgerichtet sind ihre Mitgliedschaften in der Energieallianz und im Verwaltungsrat einer AG.

Wer gewählt wird, wird aus diesen Aemtern ausscheiden, die persönlichen Verbindungen aber mitnehmen. Wer nun glaubt, dass die PolitikerInnen nur noch Hampelmänner- und frauen im Spinnennetz der Lobbies seien und diese die Macht bei Wahlen ausüben, dürfte Netzwerke überschätzen. Diese sind in Themenfragen zweifelsohne von Belang; doch unterliegen sie gerade auch da der medialen Kontrolle. Bei Wahlen sind sie ein Elemente, das meinungsbildend wirkt, wohl aber nicht letztentscheidend ist. Das zeigt sich unter anderem auch daran, dass Ruedi Noser schon bei der Nomination in der FDP-Fraktion scheiterte, obwohl er von allen im “Beobachter” Beobachteten das ausgebauteste Netzwerk hat und dieses auch am professionellsten unterhält.

Denn Politik ist und bleibt bestimmt durch Oeffentlichkeit und den Leistungen bei Entscheidungen, die man darin anerkannter Massen erbringt resp. erbracht hat. Netzwerke sind dabei nach meiner Erfahrung gelegentlich eine hilfreiche, manchmal auch hinderliche Grösse. Deshalb sollte man sie weder unter- noch überschätzen.

Claude Longchamp

Der Mann im Hintergrund

Spätestens seit seinem Auftritt im gestrigen “Club” auf dem Fernsehkanal von SF ist Diplomat Peter Maurer eine öffentliche Figur, die Bundesrätin und Aussenministerin Micheline Calmy-Rey den Rücken stärkt. Und: Seit ich ihn kenne, weiss ich: Seine Frisur wirkt umso kecker, je mehr sie dem Wind der Welt ausgesetzt ist.

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Peter Maurer, Staatssekretär im EDA, zwischen Bundesrätin Micheline Clamy-Rey und Max Göldi bei der Ankunft in Kloten.

Kennen (und schätzen) gelernt habe ich den Thuner Peter Maurer während meiner Studienzeit an der Uni Bern. Beide studierten wir Geschichte der Neuzeit und verfolgten wir die Seminare von Prof. Walther Hofer. Nur ein wenig weiter war der um ein Jahr ältere Peter, sodass er schliesslich Assistent am Lehrstuhl war, als mich an den Abschluss machte.

“Vom Schwein zum Korn” hiess seine Diplomarbeit. Generell ging es ihm um die Lebensmittelversorgung der Schweiz Zweiten Weltkrieg. Konkret untersuchte er den Beitrag des Plan Wahlens hierzu. In seinem Fazit nahm er kein Blatt vor den Mund: Mit der Intensivierung der Landwirtschaft sicherte die Schweiz einen Teil ihrer Nahrungsversorgung, geriet aber wegen nötigen Zulieferungen in neue Abhängigkeiten. Sehr gut recherchiert und bestens verfasst, lobte unser Professor den Erstling seines Schützlings.

Danach empfahl Walther Hofer, vormals SVP-Nationalrat und selber Aussenpolitiker mit Aspirationen, Aussenminister zu werden, als Diplomat in Schweizer Diensten. Maurers Stationen führten ihn über Südafrika, die USA und nach Bern, wo er zunächst Leiter der wichtigen Politischen Abteilung IV im EDA war, bevor er zum Schweizer Botschafter bei der UNO ernannt wurde. Mitte Jahr kehrte er erneut in die Zentrale in Bern zurück, um als neuer Staatssekretär die Nummer 2 in Calmy-Reys Aussendepartement zu werden.

Peter war stets ein engagiert und umsichtig handelnder Mensch. Thun hatte ihn politisiert. Er stand links, war aber, wie alle Oberländer, nie extrem. Sein Aufstieg im diplomatischen Milieu zeigte, dass er viel arbeitete und so die Schweiz einbringen konnte. Vielerorts verstand er es sich immer wieder von Neuem einzufühlen und durchzusetzen. Schon immer war eine internationaler Schweizer.

Ende letzten Jahre beschwerte sich Alfred Heer, Präsident der Zürcher SVP, über unsern Botschafter bei der UNO. In Fernseh-Sendungen ziehe er die Schweiz mit ihren Eigenheiten ins Lächerliche, war der Vorwurf. Der Bundesrat antwortete deutlich: “Botschafter Peter Maurer leistet in New York ausgezeichnete und allseits anerkannte Arbeit. So wurde er im vergangenen Jahr durch die Mitgliedstaaten der Uno in hohe Ämter gewählt. Seine hervorragende Arbeit wurde kürzlich explizit vom Uno-Generalsekretär verdankt.”

Seine reichhaltigen Erfahrungen als Diplomat konnte Peter Maurer dieser Tage gewinnbringend einsetzen, als das darum ging, einen Strich unter die unrühmliche Affäre um die entführten Schweizer in Libyen zu setzen. Mit Aussenministerin Micheline Calmy-Rey reiste er am Wochenende nach Madrid, um gemeinsam mit dem spanischen Aussenminister nach Tripolis zu fliegen. Dort hatte er schon zuvor die Heimkehr von Max Göldi administrativ vorbereitet. Und wird er die viel zitierte Normalisierung der Beziehungen schön in wenigen Tagen weiter voran treiben.

Gespannt war man deshalb auf die gestrige Diskussionsendung im “Club”. Maurer machte klar, dass Göldi auf eine Art und Weise in eine Sache hineingezogen wurde, die Libyen kein gutes Zeugnis ausstellt. Nicht verschweigen wollte er aber auch die Probleme, die ihm die Schweiz selber machten. Die Publikation der Fotos von Hannibal Ghadhafi war «einer der grossen Stolpersteine für die Lösung des Konflikts», sagte Maurer in ungewohnter Deutlichkeit. Es gebe nichts Gefährlicheres, als wenn man in der Arbeit mit «willkürlichen Systemen» deren Methoden anwende. Gemeint war damit die Demütigung durch die Tribune de Genève, die zu Gegenmassnahmen auf vergleichbarer Ebene führte und nicht halt vor unseren BundesrätInnen machte.

Einmal mehr, sage ich mir, nimmt Peter Maurer kein Blatt vor den Bund – und stärkt und schützt so auch seine Chefin. Was mir schon früher aufgefallen ist: Peters Frisur, leicht zum steilen Bürstenschnitt neigend, wird wie immer besser, je mehr sie dem rauen Winde der Welt ausgesetzt ist.

UBS oder Bundesrat? – Stand der Dinge

Welches Bild auch immer gebraucht wird: In der heutigen Sonntagspresse kommt klar zum Ausdruck, die Krise, welche mit dem GPK-Bericht diskutiert werde, sei von der UBS, nicht vom Bundesrat verursacht worden. Entsprechend erwartet man weitere Schritte gegen die UBS. Beim Bundesrat gehen die Meinungen über Massnahmen auseinander.

Die Kritik und ihre Reaktionen
Bundespräsidentin Doris Leuthard reagierte schon am Freitag auf den GPK-Bericht. Im ersten Teil des Rapports – der UBS-Krise gewidmet – falle die Kritik moderat aus und treffe vor allem Kollege Merz. Im zweiten Teil über den Staatsvertrag, sei die Kritik am Gesamtbundesrat stark übertrieben. Ueberrascht zeigte sich die GPK, welche Konsequenzen, nicht Kommentare vom Bundesrat erwarte. Dieser hielt damit in der Sonntagspresse nicht zurück.

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Peter Siegenthaler, Ex-Chef der Finanzverwaltung: Der Focus alleine auf den Bundesrat zu legen, zäumt das Pferd am Schwanz auf. Nötig ist es, die Zügel anzuziehen. Das heisst, gegen die UBS Klage zu erheben.


Stellungnahmen aus Regierungskreisen

Zufrieden mit dem Bericht ist namentlich Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Nach der Herzattacke, die Merz mitten in der UBS-Krise erlitten hatte, übernahm sie das Dossier. Eine eigentliche Uebergabe nach der Rückkehr des Finanzministers habe nicht stattgefunden, erläutert sie der NZZ am Sonntag. Das dürfte die beiden FinanzspeizialistInnen im Bundesrat nicht näher gebracht und die Leseweise der GPK beeinflusst haben.

In diese Phase fällt auch der Entscheid des damaligen Bundespräsidenten Couchepin, aus Angst vor Indiskretionen die Verhandlungen in der UBS-Frage nicht zu protokollieren. Das hielt die BK jedoch nicht davon ab, Notizen zu erstellen, man im Februar 2009 auf Nachfrage von Neu-Bundesrat Maurer der Gesamtregierung überreicht habe.

Bundesrat Moritz Leuenberger wehrt sich aktiv gegen den Vorwurf, passiv reagiert zu haben. Als der Bundesrat im September 2008 mündlich informiert worden sei, habe man rasch reagiert. Vom GPK-Bericht nicht verarbeitet worden sei beispielsweise sein Mitbericht, mit dem er vor den Folgen der Herausgabe von UBS-Kundendaten via Finma gewarnt und eine rechtlich einwandfreie Vorgehensweise skizziert habe. Gleiches gilt für einen Mitbericht von Bundesrätin Calmy-Rey.

Leuenberger bestreitet, dass der Bundesrat sei ein Kuschelclub sei; vielmehr werde regelmässig kontrovers und in handlungsalternativen diskutiert. Der “Sonntag” glaubt aber wissen, dass der GPK-Bericht in der Schlussphase politisch austariert worden sei. Dabei sei die Hauptverantwortung für die Probleme sei von Bundesrat Merz auf das ganze Gremium verlagert worden.

Klare Worte findet Peter Siegenthaler – gelegentlich auch Retter der UBS genannt – wenn es um die Aufklärungsarbeit der UBS geht. Generell lobt er die gute Zusammenabreit auf der Fachebene: Verwaltung, Finma und SNB hätten gut kooperiert. Sie hätten der UBS signalisiert, in einen finanziellen Eng zu geraten – nicht umgekehrt. Politisch ist sein Urteil durchzogener: Nachdem das Problem klar gewesen sei, hätte er sich eine breite Abstützung in der Regierung gewünscht. Vorher sei wegen Auswirkungen auf die Existenz der UBS Diskretion angezeigt gewesen.

Die Finanzkrise sei jedoch nur das eine, die kriminellen Machenschaften des UBS-Kaders in den USA das andere. Die Verantwortung hierfür müsse noch geklärt werden. Das Beste wäre es, wenn die UBS gegen die alte Führung klagen würde. Die jetzige UBS-Spitze scheint den wachsenden Druck zu erkennen, scheint aber ein andere Vorgehen zu bevorzugen. Gesprochen wird vor allem in CVP-Kreisen darüber, eine Kommission aus Fachleuten mit einer unabhängigen Persönlichkeit an der Spitze müsse nun die internen Vorgänge untersuchen, was indirekt der Finma kein gutes Zeugnis ausstellt.

Regierungsreform: ja oder nein
Doris Leuthard sieht die laufende Diskussion über den GPK-Bericht im Sonntag für einen Steilpass für die bundesrätliche Regierungsreform. Sie will die Verlagerung der Bundesratsarbeit vom Krimskrams hin zu strategischen Fragen untersützten. Damit reagiert sie in diesem Punkt offensiv auf die geäusserte Kritik.

Skeptischer ist hier Moritz Leuenberger die Regierungsreform im jetzigen Umfeld. “Der Schlüssel”, sagt Leuenberger dem Sobli, “liegt bei dem Personen, nicht beim System”. Als Beispiel nennt er die Indiskretionen. Ohne Ex-Bundesräte kritisieren zu wollen, hält er fest, mit dem jüngsten Wechsel im Gremium habe sich die Situation deutlich verbessert. Der Hinweise auf Couchepin ist unmissverständlich.

Siegenthaler ist auch da am klarsten: Er schlägt vor, dass der Bundesrat inskünftig Themen festlegen müsse, die er alleine behandle, ohne die Stäbe und die Verwaltung. Und zu den Protokollen der Bundesratssitzungen konnte man heute lesen: Machen müsse man sie auf jeden Fall, wer sie erhalte, sei eine andere Frage.

Was für eine Woche!

Urs Gredig, Tagesschau-Sprecher vom SF, versprach sich gestern nicht, als er sagte, diese Woche müsse man den Rucksack aus dem Staatskundeunterricht stets griffbereit halten. Denn die Themenlage erreicht eine unübliche Dichte, und sie ändert sich in einem selten gesehenen Tempo. 20 Minuten habe ich eben frei gehabt und eingesetzt, um meine Uebersicht zu wahren.

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Die Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat bei der Präsentation des GPK-Berichtes zur Krisenmanagement des Bundesrates in Sachen UBS und Bankgeheimnis

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Höhepunkt dieser Entwicklung war die Präsentation des GKP-Berichts zum Bundesrat in der jüngsten Finanz- und Steuerkrise. Verzicht auf Protokolle in der UBS-Affäre auf präsidiale Order hin, kein Informationsaustausch im Bundesrat und Misstrauen unter Regierungsmitgliedern resp. gegenüber der Oeffentlichkeit waren ohne Zweifel irritierende Festellungen der untersuchenden ParlamentarierInnen. Die Delegation zentraler Aufgaben an Fachaorgane wie die Finma sind zwar in Sache zu begrüssen, darf aber nicht zum Ersatz für politische Führung werden. Diese versagte offensichtlich, wobei die Deutungen schwanken zwischen schwachen Figuren im Bundesrat und nicht mehr zeitgemässen Regeln, wie dieses Gremium funktioniert.

Unabhängig davon, ob es nun zu einer PUK kommt oder nicht, ob gegen die UBS Anklage erhoben wird oder nicht, die Diskussion über das Regierungssystsem der Schweiz ist voll lanciert worden. Sie braucht politischen Leitideen, welche bisher keine Partei entwickelt hat, und sie braucht den Rat von Fachleuten und BürgerInnen, die sich Sorge machen, wie es mit dem Bundesrat weiter gehen soll.

Sachpolitische Entscheidungen
Zentrales Dossier in der parlamentarischen Behandlung ist der Staatsvertrag der Schweiz mit der USA, um die Uebergabe von knapp 5000 Kundendaten der UBS zu regeln, selbst man damit das Bankgeheimnis kippt. Die Ausgangslage hat sich geändert, seit FDP und CVP trotz Kritik aus dem Bundesgericht nicht mehr alleine dafür einstehen, sondern auch die SVP ihre ursprünglich Opposition aufzugeben bereit ist. Im Stöckli hat das schon mal für die Mehrheit gereicht. Das hat namentlich die Veto-Position der SP klar geschwächt, und die Diskussion hin zur Frage verlagert, ob es ein bewilligter Vertrag dem Referendum umstellten werden solle oder nicht.

Auch in der Frage der Abzocker-Initiative gab es diese Woche eine Wende. Der Nationalrat verzichtet nun darauf, dem Volksbegehren einen direkten Vorschlag auf Verfassungsstufe gegenüber zu stellen; vielmehr befürwortet er wie der Ständerat eine Gesetzesrevision, die möglichst zu einem Rückzug der Minder-Initiative führen würde, sicher aber eine Abstimmung darüber aus dem Wahljahr kippt.

Erste Bilanz

Bilanziert man das, sind die Chances des UBS-Staatsvertrages diese Woche etwas gestiegen, und versucht man, eine Volksabstimmung über die Minder-Initiative zu verhindern. Gesunken ist die politische Unterstützung des Bundesrates, teilweise seiner Mitglieder, vor allem aber der Funktionsweise des Gremiums. Die UBS widerum sieht sich denkbaren Klagen gegenüber. Statt einer PUK scheint sie für einmal eine Historikerkommission als Instrument der Krisenbewältigung zu favorisieren.

Das bürgerliche Lager steht am Ende der ersten Woche in der Sache einem Punktesieg nahe, ohne sich wirklich freuen zu können. Die SVP hat sich durch die entschiedene Blockbildung im Zentrum bewegt, spielt aber mit der Rückkehr von alt-Bundesrat Christoph Blocher in die aktiven Institutionenpolitik. Die Linke wurde mindestens teilweise isoliert, kann sich aber als Partei der Volksabstimmung profilieren und damit den Druck aufrecht erhalten. Sie kann auch noch damit spekulieren, in der Boni-Frage mit der CVP zu einem Teilerfolg zu kommen.

Es ist schon Wahljahr
Zurecht wurde dieser Tage auch darauf hingewiesen, dass mit der Rücktrittsankündigung von Markus Notter für die Zürcher Regierungsratswahlen das Superwahljahr 2011 mit den Zürcher Wahlen im Frühlikng und den eidgenössischen Wahlen gerade eben begonnen hat, das rotgrüne Lager trotz Rechtsruck zersplittert dasteht, die SVP sich ausdehnen könnte und das Zentrum elektoral unter erheblichen Druck agiert. Das hat man auch in Glarus begriffen, wo man die FDP und CVP schneidet, aber der BDP als unverbrauchter bürgerlichern Zentrumskraft vertraut.

Den i-Punkt setzte der Ständerat mit einem scheinbar populären, vor allem aber symbolischen Entscheid: Der Wolf ist zum Abschuss frei!

Von der Bi- zur Tripolarität der Schweizer Parteienlandschaft

Zwei unterschiedliche Konzepte der politischen Strukturierung haben die Parteien in den letzten Jahr angetrieben: Die breite Zusammenarbeit aller Regierungspartei zerfiel zuerst in eine Blockbildung “Bürgerlichen vs. erstarkte Linke”, dann immer mehr auch in eine “Alle gegen erstarkte SVP”. Beide Bi-Polarisierungen müssen im Politsystem der Schweiz auf die Dauer vermieden werden, wozu ein tripolares Parteiensystem einen Beitrag leistet.

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Mein Kommentar zur laufenden Debatte über die neue “Allianz der Mitte”


Bipolarisierungen in der jüngsten Vergangenheit

Die SVP hat als erste nach ihrem Wahlsieg von 1999 versucht, ihre sachpolitische Isolierung machtpolitisch zu überbrücken. Sie hat der FDP ein Angebot für eine gemeisame Politik von rechts gemacht. 2003 kam es – ganz in diesem Sinne – mit den Stimmen der SVP und FDP zur Doppelwahl von Christoph Blocher und Hans-Rudolf Merz in den Bundesrat, aber auch zu einer Blockade der Gremiums.

Die rechte Bundesratsmehrheit hatte im Parlament keine Entsprechung und erlitt in wichtigen Volksabstimmungen Schiffbruch. Mobilisiert wurde dafür eine rot-grün-schwarze Allianz, die 2007 mit der Abwahl von Christoph Blocher aus dem Bundesrat erfolgreich war. Sachpolitisch zu wenig breit abgestützt, misslang es 2009 indessen, daraus eine Allianz zu bilden, welche der CVP zu Lasten der FDP einen zweiten Bundesratssitz gebracht hätte.

Beide Strategien der Bi-Polarisierung der Parteienlandschaft sind zwischenzeitlich gescheitert. Die FDP konnte ihre Serie von Wahlniederlagen nicht aufhalten, unverändert verliert sie, während die SVP gewinnt. Bei der CVP ist nicht auszuschliessen, dass das Zwischenhoch von 2007 schon vorbei ist, und selbst die letzten treuen nationalkonservativen Wählerinnen noch zur SVP wechseln.

Alte und neue Tripolarisierungen
So überrascht es nicht, dass man erneut über die Tripolarisierung der Parteienlandschaft nachdenkt. Erstmals war das Mitte der 90er Jahre der Fall, als das Nein zum EWR die EU-Beitrittsfrage aufs Tapet brachte. Um scharfe Gegensätze vermeiden zu können, entstand die Politik des Bilateralismus: wirtschaftspolitisch offen, staatspolitisch jedoch ohne Mitgliedschaften mit bindendem Charakter auf EU-Ebene.

Die SVP blieb diesem Projekt gegenüber skeptisch, weil sich die ausgelöste Dynamik nicht mehr aufhalten lässt. Die SP sah darin ihre Chance, gesellschaftlichen Modernisierung mit sozialpolitisch flankierenden Massnahmen durchzusetzen. Unübersehbar ist aber, dass diese Projekt als tragende Brücke über innenpolitischen Gegensätzen an seine eigene Grenze geraten ist.

Der neue Versuch hin zur Tripolarität des Parteiensystems braucht zunächst eine oder einigen Zukunftsvorhaben dieser Art. Deshalb ist es zu begrüssen, dass es sachpolitisch aufgegleist wird und Kerndossiers von FDP und CVP mit einer mittelfristigen Perspektive ins Zentrum gerückt werden. Priorität haben dabei die brüchig gewordenen Aussenbeziehungen der Schweiz, verbunden mit einer koordinierten die Wirtschafts-, Gesellschafts- und Staatspolitik.

Der Bundesrat kann jedoch nicht als übergeordnete Instanz der Parteienkoordination dienen. Das muss von den Parteien selber kommen. Mehrheiten für einen Pol sind nicht gut, vor allem nicht, wenn sie im Parlament nicht abgestützt sind. Das spricht gegen 4 Sitze für die Allianz der Mitte im Bundesrat, zumal eine Mehrheit bei den Parlamentswahlen 2011 nicht in Aussicht ist.

Das politische System als Rahmenbedingung nicht übersehen

Die politische nötige Erweiterung einer Allianz der Mitte kann auch zwei Arten geschehen: mit einem Uebergang zu einem Regierungs- und Oppositionssystem, oder mit wechselsenden Allianzen nach links und rechts, die ihre Zentrum aber in der Mitte und nicht an den Polen hat.

Ersteres wirkt attraktiver, hat aber Tücken: Der Föderalismus zwingt politische Projekte in der Regel politisch in der Mitte anzusiedeln. Die direkte Demokratie verstärkt diesen Effekt, indem politisch aktzentuierte Vorlagen in der Volksabstimmung scheitern.

Allianzen auf Regierungsebene, die nur noch fallweise entstehen, lassen demgegenüber Führung vermissen, fördern Personengerangel in der Regierung, und es mangelt ihnen an politischer Kohärenz, was nicht sinnvoll ist.

Gegenüber dem Status Quo braucht es eine Stärkung der Tripolarität des Parteiensystem könnte dem Abhilfe schaffen, indem es das Zentrum thematisch stärkt. Das wird aber nur mit Partner umsetzbar bleiben, und diese sollten ohne feste Ausgrenzungen nach links oder rechts erfolgen.

Denn das hat die allerjüngste Geschichte uns gelehrt: Selbst Parteien, die in die Opposition gehen, werden im Politsystem Schweiz damit rasch unglücklich und streben deshab bald wieder nach einem neuen Arrangement in Bundesrat.

Für eine Holding aus FDP, CVP und BDP

Eine Woche nun diskutiert man in der Schweiz, ob es eine Allianz der Mitte gibt, und was es dafür bracht. Die NZZ am Sonntag verweist auf den nötigen Ueberbau, den es über den Zentrumsparteien bräuchte, um konstant koordinierte Politik zu betreiben.

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Felix Müller, Chefredaktor der NZZaS

“Debattiertklub”, nennt Felix Müller, Chefredaktor der NZZ am Sonntag” die “Allianz der Mitte” in ihrem gegenwärtigen Zustand leicht despektierlich. Der Idee an sich steht er aber deutlich positiver gegenüber. Denn das Zentrum ist die stärkste politische Kraft in der Schweiz. Doch ist sie, so der hauptsächliche Befund, chronisch zersplittert. Parallel zu ihrer Atomisierung nimmt ihr politischer Einfluss nicht zu, sondern ab.

Müller plädiert dafür, die Latte höher zu legen. Für eine Koalition brauche es einen institutionellen Rahmen. Was in der Wirtschaft eine Holding sei, biete biete in der Politik die Fraktionsgemeinschaft. Denn alles andere zerbricht frühestens bei ersten Belastungsprobe und zerberste spätesten bei ultimativen Elch-Test, den Bundesratswahlen.

Statt einer Zweckallianz von Fall zu Fall fordert Müller in seinem Wochenkommentar eine Koalition aus FDP, CVP und BDP, welche diesen Namen verdiene. Damit geht er klar weiter als CVP-Präsident Christophe Darbelley, und ist er auch konkreter als Fulvio Pelli.

So nachvollziehbar dieser Schritt ist, übersieht man gerne die Nachteile, welche die nationalen PolitikerInnen abhalten. Die Beiträge an die Fraktionen sinken so, was die Allgemeinheit freut, sich aber nicht die PolitikerInnen. Und ihe Redeanteile verringern sich ebenfalls, wie Andreas Ladner, Politologie-Professor in Lausanne, diese Woche richtig analysierte.

Immerhin fem. nimmt die dritte der Forderungen, die seit der Publikation der Allianz der Mitte vor einer Woche im Raum steht, zurecht auf, bevor sie in Vergessenheit gerät. Denn sie ist weniger spektakulär als die Sitzzahl im Bundesrat, aber umso wichtiger, wenn man sachorientierte Politik auf dauer betreiben will.

CVP: sachpolitisch Schritt für Schritt vorankommen

Die CVP will die Zusammenarbeit in der Sache vom Zentrum aus erneuern, um zu sehen, ob die BürgerInnen auf die Zentrierung der Schweizer Politik positiv reagieren, und die Mitte-Parteien 2011 stärken.

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Christophe Darbellay, CVP-Präsident, hätte es vorgezogen, wenn alle Beteiligten über die geplante Zusammenarbeit von FDP, BDP und seiner Partei öffentlich geschwiegen hätten.
“Allianz der Mitte” gefällt Christoph Darbellay besser, wenn er über die Zusammenarbeit seiner CVP mit FDP und BDP spricht. “Liberale Allianz” tönt ihm nämlich zu stark nach FDP. Die wiederum mag die Mitte nicht, spricht lieber von mitte-rechts. Einig ist man sich aber, dass es darum geht, die Kräfte zu sammeln, die regierungswillig seien. Das sind nach 2009, als FDP und CVP bei den Bundesratsersatzwahlen frontal aufeinander prallten, neue Töne.

Nachdem er einige Tage geschwiegen hatte, beteiligt sich nun auch Christophe Darbellay an der öffentlichen Debatte zum Machtkampf der Mitte-Parteien. Neuralgische Themen wie Armee, Ausländerpolitik und UBS-Staatsvertrag hätten gezeigt, dass SVP und SP vermehrt thematische Allianzen eingehen, obwohl sie in der Regel das Gegenteil voneinander wollen. Hauptsache sei, man bremse das Zentrum. Zudem scheuten beide Parteien nicht, regelmässig das Referendum zu ergreifen und Initiativen zu lancieren.

Dem will CVP-Präsident etwas gegenüber stellen. Er liebäugelte schon mit einer neuen Zentrumspartei. Und seine CVP führt gegenwärtig mit EVP und glp eine Zentrumsfraktion unter der Bundeskuppel. Das eine wirkt gegenwärtig zu utopisch und ist vor allem auf der kantonalen Ebene wenig realistisch; das andere könnte 2011 ein Ende haben. So erstaunt es nicht, dass man nach einer Alternative Ausschau hielt.

Für den Walliser Nationalrat sind die Parteiengespräche im Zentrum auf Sachpolitik beschränkt. Diese soll Schritt für Schritt entwickelt werden. Und sie müssen Abstimmungs- und Wahlerfolge ins Zentrum zurückbringen. Denn letztlich bleibt es das Ziel der CVP, aus eigener Kraft den Anspruch auf einen zweiten Bundesratssitz anmelden zu können. 2011 hatte man sich als Zeithorizont hierfür vorgenommen, als man nach der Abwahl von Ruth Metzler 2003 über die Bücher musste.

Die variable Geometrie der politischen Kräfte

Die SP kennt ihren Marktwert unter der Bundeskuppel. Sind sich die Bürgerlichen einig, was häufig der Fall ist, sind die Mehrheiten auch ohne SP-Support klar. Streiten sich aber SVP, FDP und CVP, ist das Zentrum namentlich im Nationalrat auf die Stimmen der SP, allenfalls auch der Grünen angewiesen. Das nennt man variable Geometrie der politischen Kräfte.

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Die laufende Debatte über den Staatsvertrag der Schweiz mit den USA zeigt exemplarisch, was gemeint ist. Von der SVP bekämpft, kann die SP Zustimmung signalisieren, dafür aber mit der Einführung einer Boni-Steuer den Preis diktieren. Das ist im Zentrum zwar wenig beliebt, weshalb man Entgegenkommen verspricht, ohne Verpflichtung eingehen zu wollen. Genauso so analysiert SP-Präsident Christian Levrat das.

Solange in der Schweiz Konsenspolitik betrieben wurde, kam diese Konstellation selbstredend nicht vor. Aktuell ist das im Nationalrat mindestens nicht mehr der Regelfall. Das blockiert zwar nicht alle Geschäfte, erschwert dem Zentrum aber die Arbeit. Alleine kann es im Bundesrat regieren, und es ist gut möglich, dass es dafür auch im Ständerat Sukkurs findet. Doch es droht ein Scheitern im Nationalrat, denn hier können so abgestützte Vorlagen zwischenzeitlich von SVP, SP und Grünen schon in den vorberatenden Kommission gestoppt werden.

Mit dieser Veränderung müssen FDP, CVP und BDP umgehen lernen. Denn es ist eine direkte Folge der Polarisierung bei den Wahlen seit 1995 mit den entsprechenden Veränderungen in den WählerInnen-Anteilen. FDP und CVP sind heute Schwächer als vor 30 Jahren.

Nicht zu verübeln ist ihnen, dass sie bestrebt sind, unter veränderten Bedingungen indessen ihre Schlagkraft zu erhöhen. Das begann nach den Wahlen 2007 mit Parteifusionen und Fraktionsgemeinschaften, fand seine Fortsetzung in der erhöhten Parteidisziplin und wird gegenwärtig mit der Allianzbildung im Zentrum fortgesetzt.

Genauso wenig sollte man aber auch die Polparteien beklagen, wenn auch sie sich heute strategischer verhalten und die Linke Forderungen stellt, wenn die SVP blockt, resp. diese Bedingungen nennt, wenn die SP und die Grünen nicht mitziehen wollen.

Das kann zwar zum Scheitern von Vorlagen führen, oder die Einsicht wachsen lassen, dass es für die Mehrheit in der Schweiz drei grössere Parteien braucht, die am gleichen Strick ziehen. Die BDP im Zentrum ist dafür kein Ersatz, weder parlamentarisch, noch direktdemorkatisch. Die drei, die die Politik führen, müssen allerdings nicht immer die gleichen sein, weshalb man es treffend auch die variable Geometrie der politischen Kräfte nennt.