Abraham Lincoln for ever

Fliegenträger Abraham Lincoln ist und bleibt das Vorbild als US-amerikanischer Präsident, urteilen 65 HistorikerInnen im “Presidential Ranking” des Senders C-Span. Viel schlechter als George W. Bush hat man es dagegen in der Geschichte der USA nicht gemacht, lautet das vernichtende ExpertInnen-Urteil.

800px-mount_rushmore_national_memorial
Mount Rashmore Memorial: Washington, Jefferson, (T.) Roosevelt und Lincoln in Stein gemeisselt. Zwei von ihnen sind auch im neuesten HistorikerInnen-Urteil ganz oben, wenn es um die besten amerikanischen Präsident geht.

65 JurorInnen gab es. 10 Kriterien hatten sie anzuwenden, und 42 Kandidaten standen ihnen zur Auswahl: Abraham Lincoln vor Georges Washington und Franklin D. Roosevelt, heisst das Ergebnis.

Lincolns Qualitäten lagen gemäss den HistorikerInnen in seinem Führungskraft, die er angesichts des Bürgerkriegs entwickelte. Ausgezeichnete wurde er auch für die Umsetzung seiner Visionen im politischen Alltag. Zudem ist der Präsident der Sklavenbefreiung das Vorbild für Gerechtigkeit. Ueber allen steht er, weil er, mehr als alle anderen Präsidenten, die Herausforderungen seiner Zeit meisterte.

Bestnoten gab es für George Washinton egen seinen Wirtschaftsleistungen, seiner moralischen Autorität, seinen internationalen Beziehungen und seiner Fähigkeit, die Administration zu führen. Franklin D. Roosevelt schliesslich gilt als der amerikanische Präsident mit der höchsten Ueberzeugungskraft in der Oeffentlichkeit und den besten Beziehungen, die je eine Präsident zum Kongress gehabt hatte.

Das lebende Gegenbeispiel ist der abgetretenen Präsident George W. Bush. Vernichtend fällt das Urteil der Fachleute über ihn aus, wenn sie an seine internationalen Beziehungen denken, an sein Wirtschaftsmanagement und an seine Fähigkeiten, die Administration zu führen. Ueber alles gesehen reichte es gerade zum 36 Platz unter 42 Kandidaten. Damit ist landet er unter den zeitgenössischen Präsidenten klar auf dem letzten Platz. Ronald Reagan, insgesamt auf dem 10. Platz, gilt unter ihnen als bester, gefolgt von Bill Clinton, der insgesamt als 15. klassiert wurde.

In den USA sind solche Rankings seit Beginn der Nachkriegszeit beliebt, seit 1982 werden sie ziemlich regelmässig gemacht. Meist basieren sie auf Bevölkerungsumfragen, seltener auf Urteilen von Experten. Dabei hat sich C-Span besonders hervorgetan. Zum Millenium realisierte der Sender erstmals eine solche Bestandesaufnahme, nun zu Beginn der jüngsten Präsidentschaft war das zum zweiten Mal der Fall. Geleitet wurde die Studie von Douglas Brinkley, Geschichtsprofessor an der Rice Universität. Die angefragten JurorInnen haben sich alle als WissenschafterInnen mit amerikanischen Präsidenten beschäftigt und wurden so zusammengestellt, um die USA geografisch, demografisch und ideologisch zu repräsentieren.

Es fragt sich eigentlich, warum es so etwas nicht auch für die Schweizer BundesrätInnen gibt?

Claude Longchamp

Realignment or not? – Die Debatte zur Analyse der US-Wahlen 2008 ist eröffnet.

Jay Cost, Autor des HorseRaceBlogs, nimmt sich kritisch der These an, die jüngste Präsidentschaftswahlen liessen sich als Realignent oder Neueinbindung ins amerikanische Parteiensystem interpretieren. Damit stellt er sich gegen die mediale Dramatisierung der Wahl, – mit Argumenten, die für einen Historiker der Wahlen gar nicht so schlecht sind.

In einem zeitbezogenen Ueberblick bestimmt er, was realignment für die USA heisse: “The parties had to manage issues of existential importance that could not be ignored. This is why we remember Lincoln’s “House Divided,” Bryan’s “Cross of Gold,” and Roosevelt’s “New Deal.” Each man took clear stands on issues whose resolution would determine the course of the nation. In these elections, little else mattered.”


Effekt des Realignment von 1932: breiter nationaler Konsens für eine Wechsel von den Republikanern zu den Demokraten.

Diese Problemstellung habe das normale Funktionieren der Parteien ausser Kraft gesetzt. Die Parteien hätten in der Bestimmung der Wahlkampfthemen und der Antworten darauf gar keine Wahl gehabt. Historisch gesehen ging es bei den Wahlen ohne Alternative um Sklaverei, Industrialisierung und Bewältigung der Depression. Und: Wer hierzu eine Partei gewählt habe, der sie auch bei ihr geblieben.

Dann setzt Cost zur entscheidenden Frage an: “Did the parties behave similarly this year as they did then? Were the issues similar?” Und gibt folgende Antwort: “I think the answers to both questions are negative, which cuts against the hypothesis that this election was a “realignment”.”

Im ersten Moment mag man staunen, denn die Subprime-Krise hat sich erheblich auf den Wahlkampf ausgewirkt. Doch Cost ist anderer Meinung: Beide Kandidaten hätten mit verschiedenen Themen zu punkten versucht. Das habe eine klaren Kontrast verhindert. In der entscheidenden Frage, dem Hilfsprogramm für die amerikanische Wirtschaft, hätten beide Senatoren gleich gestimmt. Deshalb habe es auch keine dauerhafte Richtungsentscheidung wie etwa 1932 beim New Deal gegeben.

Cost schliesst: “It might be that 2008 was a kind of realignment – perhaps a “partial” or “soft” or “semi” or “emerging” realignment.” Und das sei nicht viel mehr als schon bei den Wahlen von 1948, 1958, 1968, 1974, 1980, 1992, 1994, 2002 und 2006 geschehen sei.

Schluss: “I’m left wondering if the country has ever been aligned so that it can then realign!”

Claude Longchamp

Das (amerikanische) Fadenkreuz für die Analyse von Ideologien

Eine interessante Variante zum “Politischen Kompass” stellt der Radar “Moral Politics” dar. Vordergründig ist alles ganz anders, hintergründig ergeben sich vergleichbare, aber differenziertere Bewertungen politischer Ideologien.

Moral Politics baut nicht auf Stellungnahme in Streifragen, sondern auf moralischen Urteilen auf. Unterschieden werden auch hier zwei Dimensionen:

Erstens, die moralische Ordnung, zwischen Abhängigkeit und Unabhängigkeit sowie
zweitens, die moralischen Regeln, unterteilt in Konformismus und Non-Konformismus.

Beide Dimensionen werden mit insgesamt 16 Einstellungen gemessen.

Wie beim politischen Kompass kann man das selber ausfüllen, und man findet sich dann im Fadenkreuz von “Moral Politics” wieder.

Man kann den Radar aber verwenden, um selber etwas über Ideologien sowie über ländertypische Verteilungen zu lernen. Das Raster der Ideologien ist in der obigen Grafik abgebildet. Es ist baut bei den Regeln auf der amerikanischen Unterscheidung zwischen Republikanismus und Demokratismus auf, während bei der Ordnung die gängigen Adjektiv “social” resp. “capital” verwendet werden. Der Vorteil dieser Klassierung ist, dass extremere Formen dieser vier Grundvarianten explizit in das Schema eingearbeitet worden sind.

Die Positionierung der amerikanischen Präsidenten aus der jüngsten Zeit macht klar, dass sich die republikanischen und demokratischen Vertreter erwartungsgemäss unterscheiden. Ronald Reagan und Georges W. Bush erscheinen demnach als die typischsten Vertreter des konservativen Neo-Liberalismus, während Georges H. Bush, Richard Nixon und insbesondere Gerald Ford gemässiger erscheinen und für den kapitalistischen Republikanismus stehen.
Das Gegenstück ist Jimmy Carter, der als Vertreter des sozialen Demokratismus erscheint, während insbesondere Bill Clinton deutlich kapitalistischer positioniert wird. Dazwischen befinden sich John F. Kennedy und sein Nachfolger Lyndon B. Johnson.
Da es sich hier um retrosepktive Beurteilungen der Politiken amerikanischer Präsidenten handelt, fehlt Barack Obama zurecht.
Eines ist klar: Das Fadenkreuz zur Analyse von Ideologien liefert für den amerikanischen Kontext sinnvolle Ergebnisse. Die Uebertragung in andere politische Kulturen fällt aber nicht so einfach, denn die Begrifflichkeiten, die Problemstellungen und ihre Bewertungen sind nicht zwingend gleich konotiert.

Vorsicht ist angebracht, wenn man die prozentualen Verteilungen in den Quadranten nach Länder anschaut. Das das Mitmachen ungeregelt ist, handelt es sich, trotz teilweise beeindruckender Zahlen, um nicht-repräsentative Werte.

Claude Longchamp

Der grosse politische Kompass

Wo stehe ich politisch? – Die Antworten auf diese Frage sind meist durch nationale Selbstverständnisse verzerrt. Denn was in den USA normal ist, braucht es in Europa nicht zu sein, und was für Südostasien gilt, lässt sich nicht unbedingt auf Afrika übertragen.
Der political compass auf dem www lädt ein, sich global zu positionieren. Dazu wurde ein Fragebogen mit 62 Fragen zu Themen entwickelt, die weltweit diskutiert werden. Wer ihn ausfüllt, bekommt seine Antwort auf dem politischen Kompass.

Dieser ist nicht nur auf die links/rechts-Achse angelegt, die seit der französischen Revolution gebräuchlich ist, um das generelle Verhältnis von Markt und Staat zu bestimmen. Er enthält auch die Achse, die zwischen autoritäten und libertären Vorstellung einer Gesellschaft aufgespannt wird.
Das ergibt ein Fadenkreuz politischer Positionen, aber auch politischer Kulturen.
Sozialwissenschaftlich von Belang ist, dass auch einige typische Intellektuelle eingeordent werden. So steht Noam Chomsky (“Rogue Stuates”) für die linkslibertäre Position, Samir Amin (“The Liberal Virus”) wird als linksautoritär eingestuft, rechtsautoritär ist Irving Kristol (“Neo-Conservatism”) und Milton Friedman (“Capitalism and Freedom”) steht für rechtslibertäres Denken.

So fällt auf, dass die angelsächsischen PolitikerInnen im rechten, autoritären Quadranten erscheinen. Bei John McCain war das evident, während das bei Barack Obama in deutlich gemässigterem Masse der Fall ist.


Auch zwischen den EU-Staaten gibt es einige Unterschiede. Die neuen Migliedstaaten aus dem Osten neigen durchwegs zu autoritäreren Positionen, als dies vor allem in den nordischen Ländern der Fall ist. Ihnen allen entgegen stehen Freiheitskämpfer wie Nelson Mandela oder der Dalai Lama, die deutlich linker, aber auch libertärer positioniert sind.
Und wenn Sie jetzt wissen wollen, wo Sie stehen, dann versuchen Sie es hier selber. In 10 Minuten wissen Sie mehr Vergleichbares darüber!

Claude Longchamp

New Realignment und die Demokratische Partei unter Obama

Harald Meyerson, Washington Post, macht sich als erster Editorialist daran, den Wahlsieg Obama Demokraten im Ueberblick zu analysieren. Er spricht von einem eigentlichen Realignment, einer Neueinbindung von WählerInnen, bei der Demokratischen Partei, die ihresgleichen seit 1932 nicht mehr gesehen hat. Drei Gründe arbeitet er heraus, die ich hier gerne zur Diskussion wiedergebe.


Quelle: New York Times mit zahlreichen weitere Trendkarten

Vordergründig spricht der gestiegene Wähleranteil der Demokraten nicht nur bei den Präsidentschaftswahlen, sondern auch bei den Kongresswahlen für diese Einschätzung. Hintergründig erkennt Meyerson zwei typische Veränderungen im Wahlverhalten:

. Die Hispanics haben wieder zu zwei Dritteln für die Demokraten votiert. Das sind 10 Prozent mehr als noch vor vier Jahren; es sind auch wieder soviel zu den besten Clinton-Zeiten.
. Insbesondere die gut ausgebildeten Frauen, die im urbanen Umfeld leben, neigten 2008 klarer als früher zu den Demokraten, und sie werden auch immer zahlreicher.

Vor allem die Veränderung bei den Hispanics sieht Meyerson als entscheidend an, sei es hier doch beispielsweise Colorado, Nevada, New Mexico, aber auch Florida gelungen, eine verunsicherte Bevölkerungsgruppe für sich zu gewinnen. Den sukzessiven Wechsel der Frauen zu den Demokraten deutet er als Folge der verbesserten Ausbildung in den oberen sozialen Schichten. Obama gewann den auch in den 19 Statten mit dem höchsten Bildungsniveau ausnahmslos. Typisch hierfür seien die anhaltenden Wählergewinne in Virgina und North Carolina.

Die dritte Komponente der Neduordnung des amerikanischen Parteiensystems ist nicht soziologischer Natur. Sie hat mit einem Paradigmenwechsel in der Politik zu tun. Als Ronald Reagan “Konservative Revolution” in den 80er Jahren des 20. Jahrhundert begann, stützte sie sich auf das Gefühl, der Staat müsse weniger tun. Das ist angesichts der Rezession verschwunden. Erstmals sei wieder eine Mehrheit der AmerikanerInnen, insbesondere der jungen BürgerInnen, der Auffassung, dass man die staatlichen Aktivitäten wieder ausbauen solle. Das hat schliesslich fast flächendeckend das amerikanische Elektorat in Bewegung versetzt.

Sein Schluss: “The future in American politics belongs to the party that can win a more racially diverse, better educated, more metropolitan electorate. It belongs to Barack Obama’s Democrats.”

In der Tat fühlt man sich 2008 an historische Momente in der Wahlgeschichte erinnert, etwa an 1980 mit Ronald Reagan, an 1932 Franklin D. Rooseveld oder an 1860 mit Abraham Lincoln. Vertiefte Analysen des, was in diesen Tagen umgebrochen ist, sind angezeigt.
Claude Longchamp

Mehr interaktive Grafiken zum Wahlve.rhalten findet man hier

Volksabstimmungen am election day: die Ergebnis- und Analyseübersicht

Am Wahltag stimmten die Amerikaner in zahlreichen Gliedstaat über insgesamt 152 Sachvorlagen ab. Dank den Exit Polls zu den Wahlen verfügt man auch über eine Vielzahl von Abstimmungsanalysen.

Die geraffte Uebersicht über die Ergebnisse
In Arizona, Florida und Kalifornien entschied sich das Volk für Verfassungszusätze, die gleichgeschlechtliche Ehen verbieten.

Die Abtreibungsgegner konnten weniger Zustimmung für ihre Ziele verbuchen: In Colorado wurde eine Vorlage abgelehnt, die den Moment der Befruchtung einer Eizelle zum rechtlich gültigen Entstehungszeitpunkt einer natürlichen Person erklären wollte. Süddakota lehnte einen Entwurf ab, nach dem Abtreibungen nur mehr in vier Ausnahmefällen zulässig sein sollten: Wenn sie das Leben oder die Gesundheit der Mutter gefährden, wenn die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist oder wenn ihr ein Inzest zugrunde liegt.

In Michigan entschieden sich die Wähler dafür, durch einen Verfassungszusatz, die Forschung an aus menschlichen Embryonen gewonnenen Stammzellen mit Einschränkungen zu erlauben. Ueberraschend war die Verschärfung des Sexualstrafrechts in Südcarolina: Dort wird das Alter der Zustimmungsfähigkeit zu sexuellen Handlungen von 14 auf 16 Jahre heraufgesetzt, darunter gilt auch der einvernehmliche Geschlechtsverkehr juristisch als Vergewaltigung.

Im Bundesstaat Washington entschieden die Mehrheit, dass es volljährigen Schwerkranken, die noch höchstens sechs Monate Lebenserwartung haben, erlaubt ist, sich von Ärzten Medikamente verschreiben zu lassen, deren Einnahme zum vorzeitigen Tod führt.

Erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen könnte ein Tierschutzpassus haben, der nach einem Volksentscheid in die kalifornische Verfassung Eingang gefunden hat: Er setzt der Massentierhaltung für Muttersauen, Kälber und Legehennen enge Grenzen. Deren Käfige müssen nun so groß sein, dass die Tiere sich umdrehen können.

Gute Nachrichten gab es für die Haushaltspolitiker in Massachusetts: Dort lehnten die Wählenden eine Vorlage ab, welche die Einkommensteuer des Bundesstaates für natürliche Personen 2009 halbiert und ab 2010 ganz abgeschafft hätte. Ein ähnliches Vorhaben in Norddakota scheiterte ebenfalls.

Der in Missouri zur Wahl gestellte moderate Plan, bis zum Jahr 2021 fünfzehn Prozent der Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen zu gewinnen, wurde angenommen, das weitaus radikalere kalifornische Vorhaben, das eine Quote von 50 Prozent bis zum Jahr 2025 vorsah, dagegen abgelehnt.

In Nebraska stimmten die Wähler für ein Gesetz, dass es der Regierung des US-Bundesstaates verbietet, Menschen nach den Kriterien Rassen, Hautfarbe, ethnische Identität, Herkunft oder Geschlecht besonders zu fördern. Von den Affirmative-Action-Quotenregelungen hatten vor allem die wirtschaftlichen und sozialen Eliten innerhalb von Minderheitengruppen profitiert. Nach dem Volksentscheid hat der Bundesstaat nun die Möglichkeit, Förderung nach Kriterien wie der Bildungsferne der Eltern oder deren Einkommen zu betreiben.

Die ersten Analysen
Dank den exit polls, die am election day zu allen Wahlen durchgeführt worden sind, verfügt man auch zu vielen (nicht allen) Volksabstimmungen erste Analysen, wer was angenommen und was abgelehnt hat.

Die Uebersicht hierzu findet sich im election center 2008 von cnn. Man kann nach Gliedstaaten und Thema suchen und die jeweiligen exit poll Ergebnisse anclicken.

Die ausführliche Beschreibung der Vorlagen findet sich auf www.ballotpedia.org.

Claude Longchamp

“damping factor” für die Umfragen zu den US-Präsidentschaftswahlen

Bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen kann der Prognosewert von Umfragen in zwei Schritten verbessert werden: durch das Mitteln der verfügbaren Umfragewerte und durch “damping”.

Der SuperTracker zu den amerikanischen Präsidentschaftswahlen ist hier bereits vorgestellt worden. Einfach gesagt geht es dabei um das Mitteln von Umfrageergebnisse verschiedener Institute zur gleichen Sache. Das verhindert Ueberinterüretationen von Trends aufgrund singulärer Befragungsergebnissen.

Will man darüber hinaus auch den Prognosewert von Umfragen erhöhen, braucht es noch eine zweite Verfeinerung veröffentlichter Umfragewerte, damping factor (“Dämpfer-Faktor”) genannt.

1996 konnte Campbell aufgrund einer Re-Analyse früherer Wahlprognosen zeigen, dass der führende Bewerber zutreffender bewertet wird als der zurückliegende. Dieser wird regelmässig leicht unterschätzt, wobei die Differenz mit sich näherndem Wahltag abnimmt. Zu diesem Zweck hat Campbell vorgeschlagen, bei Umfragen eine Korrektur für den Zweitplatziert vorzunehmen, um präzisierte Prognosen machen zu können. Das wird in der Regel bei den publizierten Erhebungen nicht gemacht, in wissenschaftlichen Vorhersagen indessen schon.

Zurecht, denn die vor 12 Jahren vorgestellten Befunde und Korrekturen haben sich auch 2008 gezeigt und bewährt. John McCain wurd in den Umfragen vor der Wahl leicht unterschätzt. Das war zwar nicht entscheidend für die Frage, wer gewinnt oder verliert. Für die Prognose war das aber von Belang.

Ohne die Korrektur von Campbell kam McCain gemäss RealClearPolitics im Mittel der Umfragen auf 46,1 Prozent der Stimmen. Mit der Korrektur (damping factor von 0.17 dazu) lag er bei 46.8 Prozent. Nach dem vorliegenden, vorläufigen Endeergebnisse waren es effektiv 47.0 Prozent.

Die Korrektur ist nicht unwichtig: Ohne sie wären die aktuellen Umfragen wie früher auch etwas weniger treffsicherr gewesen als die elektronischen Wahlbörsen; mit der Korrektur erwiesen sich die Umfragen um einen Hauch präziser.

Claude Longchamp

Campbell J. E. (1996), “Polls and Votes: The Trial-Heat Presidential Election Forecasting Model, Certainty, and Political Campaigns,” American Politics Quarterly, 24 (4), pp.408-433.

PollyVote traf bei den Präsidentschaftswahlen genau ins Schwarze

Das beste Prognosesystem bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen war das wohl unbekannteste. Zuunrecht, kann man wenigstens im Nachhinein sagen.

Unter Prognostikern gibt es eine einfache Regel: Verwende wenn immer möglich mehrere qualifizierte Prognoseverfahren gleichzeitig; denn jedes noch so perfektionierte Vorgehen hat seine Schwächen.

Genau das macht sich PollyVote zu eigen, das bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen zum dritten Mal eingesetzt wurde und eine kaum zu übertreffende Präzision aufweist, wurde das Endergebnis doch auf das Prozent genau vorausgesagt.

PollyVote basiert vier verschiedenen Instrumenten, die zu je einem Viertel in die Gesamtprognose einfliessen; aus methodischen Gründe vereinfacht PollyVote alle Verfahren auf eine reine Zwei-Parteien-Wahl und wird dabei nur der Anteil für die GOP (Republikaner) geschätzt. Berücksichtigt werden

. gemittelte Umfrageergebnisse (nach RealClearPolitics); 46,8 %
. elektronischer Markt (Iowa Electronic Market): 46,7 %
. eine Expertenbefragung: 47,5 %
. quantitative Prognosen: 47,0 %

Bei der Expertenbefragung handelte es sich um ein Panel von amerikanischen Wahlexperten, das speziell für diesen Zweck gebildet wurde und sieben Mal, aber nicht nach der Delphi-Methode befragt wurde. Berücksichtigt wurde für die Prognose jedoch nur die letzte Expertenbefragung (die am tiefsten von allen lag). Die quantitativen Prognosen stützen sich auf die Modellierungen des Wahlausgangs, wie sie in jüngster Zeit aus politökonomische Sicht entwickelt worden sind. 16 Varianten sind dabei berücksichtigt worden, die im Einzelfall sehr unterschiedliche Ergebnisse lieferten, aber nur als Ganzes in die PollyVote Prognose einflossen.

Das Verfahren wurde insgesamt 14 Monate lang betrieben. Dabei gab es Schwankungen, wobei der Range von 46,8 bis 49,2 Prozent reichte. Mit anderen Worten: Die Superexperten rechneten zu jedem Zeitpunkt mit einem Sieg der Demokraten.

Wenn der Ansatz überzeugt, bleibt doch ein grössere Problem bestehen. Das Verfahren ist aufwendig und nicht viel schneller als das langsamste Instrument. Entsprechend war das öffentliche Echo trotz des Leistungsausweise auch diesmal gering. Als Hintergrund zur Evaluierung populärer Prognosen dürfte sich PollyVote inskünftig aber Durchsetzen.

Claude Longchamp

Immer mehr gute, aber auch schlechte Umfragen bei den Präsidientschaftswahlen

Nimmt man die provisorischen Resultate der Wählendenanteile beider Spitzenkandidaten bei der amerikanischen Präsidentschaftswahl von gestern, kommt Barack Obama auf gerundete 53 Prozent, während John McCain ebenfalls gerundete 47 Prozent erreicht. Die vorläufig finale Differenz zwischen den beiden beträgt rund 6 Prozentpunkte. Mit diesen Kennziffern kann man die Präzision der verschiedenen Vorhersagen evaluieren.

In einem Punkt waren sich die fünfzehn Umfrageserien, die vor den amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2008 realisiert wurden, einig: Barack Obama werde gewinnen. Ueber das Ausmasses an Unterstützung für ihn resp. für seinen Gegenspieler gab es aber einige Differenzen:

Fünf Schlussbefragungen kommen dem Endergebnis sehr nahe; es sind dies:

. Opinion Research (CNN) 53:46 (Differenz=7): 714 voraussichtlich Wählende / 30.10. – 1.11.
. Ipsos (McClatchy) 53:46 (7): 760 / 30.10. – 2.11.
. Battleground-Lake 52:47 (5): 800 / 2.-3. 11.
. PEW Research 52:46 (6): 2587 / 29.10. – 1.11.
. Rasmussen Reports 52:46 (6): 3000 / 1. – 3. 11.

Keine eindeutige Aussage kann man zur Stichprobengrösse machen: 3 verwendeten relativ kleine Stichproben, 2 arbeiteten mit grossen.

Alle anderen 10 Institute, die sich an der Messung von Wählendenpräferenzen zu den Präsidentschaftswahlen beteiligten, schnitten allesamt schlechter ab. Am meisten wichen Zogby und Gallup vom effektiven Endergebnis ab.

Immer deutlicher gute und schlechte Prognosen nebeneinander
Im Vergleich zu früheren amerikanischen Präsidentschaftwahlen beteiligten sich damit deutlich mehr Institute an diesem Wettbewerb.

Doch müssen zunehmend zwei Gruppen gemacht werden: solche, die gut, und solche, die schlecht abschnitten.

Nimmt man die fünf guten Institute in diesem Jahr, waren sie präziser als die sechs besten Institute bei den Vorwahlen. NImmt man indessen alle Institute, war der mittlere Fehler diesmal grösser.

Nicht unproblematisch ist, dass es schwierig ist, im Voraus die guten von den schlechten zu unterscheiden. So gehörten Zogby und TIPP bisher er zu den Befragungsagenturen mit präzisen Wahlvorhersagen, erfüllt diesmal das Kriterium aber nicht. Anderseits war Battleground-Lake vor vier Jahren nicht präzise, und Rasmussen beteiligte sich bei den öffentlichen Wahlumfragen gar nicht. Regelmässig in der Spitzengruppeist PEW Research.

Kein sog. Bradley-Effekt in den Wahlumfragen

Nicht bewahrheitet hat sich der in den Medien breit diskutierte Bradley-Effekt, wonach Obama wegen seiner Hautfarbe effektiv weniger Stimmen machen werde als in Umfragen angegeben. Zutreffend war vielmehr die Einschätzung von Dan Hopkins, der alle amerikanischen Umfragen diesbezüglich untersucht hatte und für den Zeitraum nach 1996 ein Verschwinden des Bradley-Effektes nachwies.

Claude Longchamp

Frauen wählten Obama und gaben den Ausschlag

Die ersten Ergebnisse der exitpolls zu den amerikanischen Präsidentschaftswahlen lassen einen Schluss zu: Die Frauen wählten gestern mehrheitlich Barack Obama, und sie gaben bei dieser Wahl den Ausschlag.

Barack Obama und seine Frau Michelle, der neue Präsident und die neue First Lady, bei ihre Stimmabgabe.
Barack Obama und seine Frau Michelle, der neue Präsident und die neue First Lady, bei ihre Stimmabgabe.

Zwar liegen die definitiven Endergebnisse der Präsidentschaftswahl einen halben Tage nach Wahl noch nicht vor. Doch rechnet man mit eine Stimmenverhältnis von 52 oder 53 Prozent für Obama und 46 oder 47 Prozent für McCain. Wie sich diese zusammensetzen, lässt sich aus den exit polls ableiten. Gut 17000 Interviews, die bei einer repräsentativen Auswahl Wählender gemacht wurden, geben hierzu Auskunft.

56 Prozent der wählenden US-Frauen gaben demnach ihre Stimme dem demokratischen Duo Obama/Biden. Bloss 43 Prozent von ihnen wählten McCain/Palin. Bei den Männern wäre die Mehrheit unklar geblieben: Die Wahllokal-Befragung ergibt hierein Verhältnis von 49 zu 48 zugunsten der Demokraten.

Da sich auch etwas mehr Frauen als Männer an der Wahl beteiligten, gaben sie nicht nur den Ausschlag bei Sieg und Niederlage. Dank ihnen können sich die Demokraten nicht nur in den beiden Parlamentskammern, sondern auch im Präsidentenamt auf eine Mehrheit stützen.

Ueberwältigend ist die Mehrheit für Obama bei der schwarzen Bevölkerung. Eine Mehrheit aller nicht-weissen Gruppen unter den Wählenden votierte für ihn. Die Geschlechterunterschiede treten dabei in den Hintergrund. Wenn schliesslich mehr Frauen als Männer für die Demokraten stimmten, ist das ein Effekt, der trotz allem bei der weissen Bevölkerung entstand. Hätten nur die weissen Männer wählen dürfen, hätte McCain mit 57 zu 41 die Präsidentschaft gewonnen.

Weiters zeigen die exitpoll Befragungen der grossen Fernsehanstalten und AP, dass das Alter einen Einfluss auf die Stimmabgabe hatte. Vor allem bei den Unter-30jährigen siegte Obama mit zwei Drittel der Stimmen. Beschränkt signifikant sie die Zusammenhänge mit der Schichte. Zwar votierten tiefere Bildungs- und Einkommensklassen für die Demokraten als für die Republikaner; bei den oberen Schichten gibt es aber keinen einheitlichen Trend.

Der Sieg der Demokraten entstand im Verlaufe der Kampagne, weil es ihnen gelang, die unabhängigen Wählerschichten mehrheitlich für sich zu gewinnen. Die beiden Parteilager waren dagegen weitgehend geschlossen. Die letzte Woche ging übrigens an die Republikaner, die so ihren Rückstand in allen Umfrageserien noch leicht verringern konnten.

Claude Longchamp