Gute politische Akteure bereiten Kampagnen mediengeeignet vor, sodass sie in zentralen Argumentationsfelder Erfolg haben und von der Gegenseite aufgenommen werden müssen. Das ist die wichtigste Beobachtung der Politikwissenschafterin Regula Hänggli in ihre Studie, die sie heute in Genf vorgestellt hat.
Zu den interessanten Präsentationen, die ich in der Arbeitsgruppe “Comportement politique” an der diesjährigen Veranstaltung der Schweizerischen Vereinigung für politische Wissenschaft (SVPW) erfahren habe, gehört die von Regula Hänggli. Die junge Forscherin an der Universität Zürich beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen politischen Akteuren und Massenmedien. Vor allem interessiert sie sich für die Frage, was das mediale frame building beeinflusst. Vereinfacht ausgedrückt untersuchte sie dafür die Entstehung und Veränderung von Argumentationstypen in Schweizer Abstimmungskämpfen. Drei Kampagnen dienten ihre als Ausgangsbasis.
Vier Faktoren des Framebuildings konnte Hänggli identifizieren:
erstens den politischen Akteur, der in einer Kampagne den Lead einnimmt,
zweitens dessen Kampagnenmacht,
drittens die Häufigkeit des Inputs von Frames und
viertens den Multiplikatoreffekt durch die Kommunikation.
Die Forscherin widerspricht Vorstellungen, wonach die Medien heute eine hohe Eigenleistung in der Bildung von Argumentationsstrategie erbringen. Im Wesentlichen dominiert nicht ihre Logik, sondern die der Politik. Jedenfalls in der Schweiz scheint die Aufgabe von Kampagnenakteuren akzeptiert zu sein. Hänggli konnte aber zeigen, dass die Medien deren Absichten filtern und abschwächen, – mit zwei Ausnahmen: Missbräuche und Massenphänomene sind mediale Stereotype die noch häufiger zur Sprache gebracht werden, als dies Akteure tun.
Den wichtigsten Multiplikatoreffekt in Kampangen haben Bundesräte. Themen, die sie in der Oeffentlichkeit einnehmen, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, flächendeckend verbreitet zu werden. Das gilt selbst oder gerade dann, wenn BundesrätInnen nur wenige Male in einer Kampagne äussern.
In der Vorbereitung von Kampagnen mit Blick auf ihre Medieneignung sind wenige Akteure von Belang. Sie sind wirkungsvoll, wenn sie sich durch Kampagnenmächtigkeit auszeichnen, das heisst durch langfristige Beziehungen und Formung von Botachaften das geeignete Medienframing und -placeing betreiben.
Die Studie war vorbildlich eingeschränkt, und kommt zu brauchbaren Schlüssen. Vielleicht könnte man sagen, wäre die Analyse für eine Medienwissenschafterin ok, für eine Politikwissenschafterin noch etwas abgekürzt. Denn diese Disziplin interessiert sich in der Regel für die Kampagnen vor allem mit Blick auf die Entscheidungen, die am Ende eines Abstimmungskampfes gefällt wird. Ueberraschend thematisierte die Forscherin das indessen nicht, oder vielleicht noch nicht.
Eine Beobachtung von Hänggli ist mir besonders hängen geblieben: Sie geht davon aus, dass es in Kampagnen nur wenige klar unterscheidbare Frames gibt, die eine der beiden Seiten mit solcher Eindeutigkeit definiert, dass die Gegenseite nicht immer, aber immer wieder reagieren muss. Das spricht für eine bschränkt dialogische Struktur von Kampagnen – anders als es theoretische Arbeiten postulieren. Denn sie empfehlen nicht selten, sich nie auf die Felder der anderen Seite einzulassen. Ganz offensichtlich findet in der Realität aber genau das Gegenteil statt.
Die Realität eines Journalisten sieht anders aus. Die wachsende Zahl von Medienkonferenzen (3. Faktor), meist zielgruppenspezifisch aufgefächert, führt zu einer Gegenreaktion. Die Redaktion legt fest, dass einmal, allenfalls zweimal aus der Sicht einer Kampagne berichtet wird und hält Gegenrecht. Ansonsten setzen die Medien die Themen, die sie interessieren selber, bringen exklusive Geschichten, nehmen Standpunkte aus Leserbriefen und Internetkontroversen als Diskussionbeiträge auf.
mir scheint lediglich, dass die Medien kaum Interesse daran haben, Themen konsequent zu verfolgen. Hingegen wird gern von einem Thema zum nächsten gesprungen, meist ohne eine gescheite Information rüberzubringen. Manche Parteien machen es aber genauso.
Statt Probleme zu lösen, steht Polemik und Wählergunst im Vordergrund.
Die Studie ging, soweit ich das sehe, einer spezifischeren Frage nach. Sie wollte klären, ob die zentralen Kampagnethemen in den Medien, ursächlich medien- oder politik-induziert sind. Aufgrund eines Tagesvergleiches kommt die Autorin zum Schluss, zweiteres trifft eher zu.
Die Studie basiert vorläufig auf drei Kampagnen. Damit hat sie sicher nicht alles im Griff. Kampagnen zur Personenfreizügigkeit unterscheiden sich von solcher zu biometrischen Pässen, und die sind wieder ganz anders, wenn es um die Nicht-Einführung der allgemeinen Volksinitiative geht. Vor zu weit reichenden Schlussfolgerungen sei also gewarnt. Zudem untersucht sie nicht, welche Strategien Kampagnenakteure anwenden, um Medienthemen zu bestimmen.
Technisch gesprochen: Die Studie geht auf der Meso-Ebene zwischen Individuen und Gesellschaft vor, interessiert sich deshalb nicht für Mediennutzung und Entscheidfindung (Mikro-Ebene), sie argumentiert aber auch nicht auf der Makro-Ebene der Gesamtgesellschaft, und kann damit auch kaum für die Beantwortung der Transformation zur Mediengesellschaft und ihren Auswirkungen verwendet werden.
das war doch etwas kompliziert ausgedrückt für einen eher technisch begabten wie mich … 🙂
Ist auch schon untersucht worden, ob die Mehrheit der Nichtwähler immer die gleichen Personen sind oder ob sie je nach Thema wechseln?
Sie wechseln. Im Schnitt haben wir bei eidg. Volksabstimmungen 55 Prozent Nicht-Stimmende.
Unsere Erhebungen verweisen darauf, dass höchstens 20 Prozent aller Stimmberechtigter politischen Entscheidungen fern bleiben. Die Differenz von 35 Prozent setzt sich variable zusammen.
Oder umgekhert: 45 Prozent nehmen im Schnitt teil. 25 Prozent gehen immer. 20 Prozent von Fall zu Fall.
Diese 20 und die 35 von oben sind letztlich identisch, nämlich 55 Prozent selektiv Teilnehmende.
Mediale Aufbereitung genügt nicht mehr. Wenn der Stimmbürger das Gefühl bekommt, hintergangen zu werden, kehrt er sich von den Empfehlungen von Bundesrat, Parteien, Medien und politischen Foren ab. Das hat die Minarettinitiative genügendlich bewiesen. Bei der Minarettabstimmung waren dies die Versuche, die Initiative für ungültig zu erklären und danach das Plakattierungsverbot in einigen Kantonen. In der NZZ, die ein Blog über die Minarettinitiative führte, wurden über 300 Usereinträge gelöscht; z.T. User grundlos gesperrt. In mehreren Medien werden bei “kritischen” Themen die Lesermeinungen in die “gewünschte” Richtung gefiltert oder die Kommentarfunktion der Einfachheit halber ausgeschaltet. Das gleiche gilt für politische Foren, wo übrigens von linker Seite zu gerne mit der Rassismuskeule gedroht und mit “Ausnahme(erscheinung) geantwortet, statt mit ehrlichen Antworten reagiert wird. Die gleichen Fehler werden nun auch bei der Ausschaffungsinitiative begangen. Ich sehe deshalb auch da einem Volks-Ja entgegen, obwohl diese m.E. schlecht ausgeschafft ist. Die Zeiten scheinen – zumindest bei einigen massgebenden Themen – offensichtlich vorbei, wo Medien, Parteien und Bundesrat den Ausgang einer Volkswahl praktisch vorausbestimmt.
und das ist gut so!
Das Drohen mit Rassismuskeule oder Menschenrechten ist ja lediglich ein Schwäche an Argumenten.
Schwach ist genauso, wenn die Rechte den Linken immer vorwirft, Steuern zu erhöhen und Schuldenwirtschaft zu betreiben. Die Rechte hat ja die Mehrheit und betont immer, das ganze Volk sei uaf ihrer Seite. Als macht die den ganzen Scheiss selber.