Ein Jahr vor der Wahl: Wie fit sind die Schweizer Parteien für das grosse Rennen?


Die politischen Parteien der Schweiz rüsten sich für die Parlamentswahlen vom Oktober 2019. Es zeichnen sich erste Trends ab. Verglichen mit andern Ländern dominiert in der Schweiz aber die Konstanz. Bleibt die Überraschung diesmal aus?

Grosse Verschiebungen kündigen sich nicht an. Die Grünen gewinnen zurück, was sie 2015 verloren haben. Die SVP darbt, weil sie bei den letzten Wahlen Sieger war.
Gut möglich, dass 2019 die Rangliste unter den Parteien gleichbleibt und die Veränderungen beim Anteil an Stimmen alle kleiner als 1.5 Prozentpunkten sind.

Nachfolgend der Formcheck im Detail.

Freisinnig-Demokratische Partei
Keine Partei ausser der FDP hat nach 2015 bei kantonalen Wahlen 35 Sitze hinzugewonnen. Gestoppt hat sie damit die Abwanderung zur SVP. Petra Gössi, die neue Parteipräsidentin, ist die beschwingte Siegesgarantin.
Die Gesamtbilanz bei Volksabstimmungen ist vorbildlich. Die Schweiz tickt fast so liberal wie die FDP. Prominent verloren ging an der Urne nur die Reform der Unternehmenssteuer.
In der Europapolitik ist die FDP unbestrittene Nummer 1. Allerdings hängt viel vom Durchbruch beim Rahmenabkommen mit der EU ab.
Grösstes Risiko der Partei ist die bisweilen geringe Sensibilität ihrer Exponenten für Probleme der Politikfinanzierung. Profilierungschancen eröffnen sich rund um den angekündigten Rücktritt von Bundesrat Johann Schneider-Ammann.
Kurz, die Aussichten auf Gewinne in beiden Kammern sind gut.

Grüne
Die GPS schaffte die Trendwende weg von der Verliererpartei. Bei kantonalen Parlamentswahlen gewann sie 17 Sitze, namentlich in der französischsprachigen Schweiz.
Gestrafft haben die Grünen ihre Parteispitze; sie haben sie auch mit neuen Talenten bestückt. Geschärft hat die Partei zudem ihr Themenprofil.
Fast angenommen worden wäre die eigene Volksinitiative für den Atomausstieg. Dank Sommerhitze 2018 hat sie auch eine symbolträchtige Gletscher-Initiative in die die CO2-Debatte eingebracht.
Allgemein rechnet man mit einigen Zugewinnen im kommenden Nationalrat. Trotz anhaltender Schwäche im Ständerat, liebäugelt man da und dort keck mit dem ersten Bundesratssitz.

Sozialdemokratische Partei
Die SP ist seit längerem in grossen Städten stark. Neu konnte sie in mittelgrossen Städten und Kantonen mit Agglomerationen zulegen. Plus 16 kantonale Parlamentssitz sind die Folge.
Massgeblich für die Trendkorrektur ist das Mobilisierungskonzept, das mit dem Nein zum Sozialabbau auf die Stammwählenden setzt. Hinzu kommt das ausgerufene Frauenjahr.
Grösster Abstimmungserfolg nach 2015 war das Nein zur Unternehmenssteuerreform. Dem steht die verlorene Rentenreform als schmerzlichste Niederlage gegenüber. Neue Chancen eröffnen sich bei der von rechts bekämpften Transparenz der Parteienfinanzierung.
Sitzgewinne im nächsten Nationalrat sind denkbar, ebenso Sitzverluste bei Rücktritten im Ständerat.

Schweizerische Volkspartei
Spektakulär scheiterte Oskar Freysingers bei der Wiederwahl in die Walliser Kantonsregierung. Das raubte die Partei den Leader in der französischsprachigen Schweiz.
Unter dem neuen Präsidenten Albert Rösti gab es bei der SVP eine Trendkorrektur nach unten. 12 Sitze gingen bei kantonalen Wahlen verloren. Zudem musste sie bei eigenen Initiativen und Referenden ungewohnte Niederlagen einstecken. Und der Dauerwahlkampf mit der Ausländerfrage stagniert.
Gegenwärtig sind Verluste bei den Wahlen wahrscheinlich. Allerdings wusste sich die SVP im Wahljahr stets zu steigern. Die Volksabstimmung über Selbstbestimmungsinitiative gibt ihre die Plattform, sich als Schützerin für Demokratie und Souveränität Schub zu empfehlen.

Christlich-demokratische Volkspartei
Gerhard Pfister hatte als neuer CVP-Präsident einen bemerkenswerten Start. Doch blieben Erfolge bei kantonalen Wahlen fast flächendeckend aus. 28 Sitze gingen verloren. Das verstärkt den Zweifel, ob es für angestrebte sozial-konservative Wende ein Potenzial gibt.
Besser hat sich die CVP bei Volksabstimmungen platziert, wo sie eine durchgehaltene Mitte-Linie verfolgt.
Mit ihrer Initiative gegen die Ehesteuer hätte sie um ein Haar eine Mehrheit erreicht. Für den Wahlkampf 2019 hat sie sich mit einer eigenen Gesundheitsinitiative rechtzeitig gut positioniert.
Grösster Trumpf der CVP und ihrer Politiker und Politikerinnen ist der Rücktritt von Doris Leuthard als Bundesrätin.
Gut denkbar, dass die CVP im Nationalrat erneut ein wenig verliert und sich im Ständerat hält.

Kleine Parteien
Eine Trendkorrektur gibt es auch bei der GLP. Sie konnte sich mit neuer Leitung bei den kantonalen Wahlen wieder stabilisieren. Das gilt nicht für die BDP, die gebremst fortgesetzt Wählende verliert. Der Verlust des Bundesratssitzes wiegt schwer.

Fazit
Langeweile? Nicht unbedingt!
Mit der Zukunft der Europapolitik, der Renten- resp. der Unternehmenssteuerreform, den Gesundheitskosten und dem Klimawandel gibt es genügend Grossbaustellen für einen Aufbruch in der Parteienlandschaft!