Der Plan B zu den Biometrischen Pässen

Anders als bei der Volksabstimmung über die Personenfreizügigkeit am 8. Februar 2009 lassen EU und Bundesbehörden bei der Volksentscheidung über die Biometrischen Pässe einen Plan B zu.

Man erinnert sich an die Diskussionen zur Personenfreizügigkeit anfangs Jahr. EU und Bundesrat argumentierten damit, bei einem Nein in der Volksabstimmung würden die Bilateralen insgesamt in Frage gestellt; einen Plan B gäbe es nicht. Die Gegner schriehen auf: Von Erpressung des Volkes war lautstark die Rede!

SCHWEIZ SCHWEIZER PASS 2006
Biometrische Pässe könnte in der Schweiz auch bei einem Nein zum vorliegenden Ausweisgesetz konform mit dem Abkommen von Schengen eingeführt werden.

Obwohl es einen Zusammenhang zwischen den Bilateralen II, genau genommen den Abkommen von Schengen/Dublin, und den Biometrischen Pässen gibt, argumentiert man diesmal vorsichtiger und vorausschauender. Biometrische Pässe wird man bis a, 1. März 2010 einführen müssen, argumentiert man; in der Organisationsform ist man aber freier. So ist die Zentralisierung der Finagerabrücke – ein wesentlicher Kritikpunkt gemässigter KritikerInnen links und rechts – nicht zwingend. Zudem verpflichtet das Schengen-Recht niemanden zu biometrischen Identitätskarten.

Bern und Brüssel halten sich diese Möglichkeit bei einem Volks-Nein offen. Der Gemischte Schengen-Ausschuss hätte 90 Tage Zeit, eine neue Lösung zu suchen. Bräuchte es mehr Zeit, müssten alle EU-Mitgliedstaaten zustimmen, womit der Druck auf die Schweiz wachsen dürfte.

Der Schweiz stehen so oder so zwei Wege offen:

. Entweder realisiert sie eine verändertes Passgesetz mit Dringlichem Bundesrecht, wobei im Referendumsfalle spätestens ein Jahr nach der Einführung abgestimmt werden und das Dringliche Bundesrecht später in ordentliches Recht übergeführt werden müsste.

. Oder das Parlament verabschiedet in der Herbstsession 2009 eine neue Vorlage und die Schweiz wartet die Referendumsfrist bis Januar 2010 ab. Im Falle eines Referendums beansprucht sie die Verlängerungsfrist und stimmt im Juni 2010 über die neue Vorlage ab. Die Auflagen des Schengen-Abkommens könnten so im Herbst 2010 prinzipiell eingehalten werden.

Damit bewegt sich die Schweiz, könnte man anfügen, in die Richtung, einer institutionellen Regelung, um Konflikte zwischen EU-Recht und direktdemokratischer Entscheidung zu entschärfen.

Claude Longchamp

Vorsicht gegenüber Titeln

Ich schätze wissenschaftliche Berichte mit einem klaren Titel. Klar heisst für mich aber nicht wunsch-, sondern sachgemäss.

Wenn WissenschafterInnen und JournalistInnen über Titel zu einem Report sprechen, ist das nicht immer unproblematisch. Die Kunst der Zuspitzung ist die Sache der Medien; nach ihren ungeschriebenen eigenen Gesetzen dürfen sie dabei auch übers Ziel hinaus schiessen. Der Titel darf suggerieren, das Erhoffte für möglich erscheinen lassen, das Erwartetbare in ein klares Bild bringen.

Viele WissenschafterInnen können damit nichts anfangen. Denn sie sind sich lange, stelzerne, wortlastige Titel gewöhnt. Aritkel in Wissenschaftspublikation tragen die merkwürdigsten Titel. Immerhin haben sie einen Vorteil: Sie sind sachorientiert, geben das Thema verkürzt, aber korrekt wieder, selbst wenn dabei nichts Memorierbares resultiert.

Ich habe da eine Zwischenposition. Fragen in Titeln zu Tatsachen-Berichten an die Oeffentlichkeit sind bei mir verpönt. Ich ziehe positiv formulierte Aussagen, die das Hauptergebnis widerspiegeln, vor. Sie sollen einfach und gut verständlich sein. Aber sie müssen den Inhalt korrekt wiedergeben, kein X für ein Y vormacht. Und: Sie dürfen nicht voreingenommen sein!

Beim letzten Bericht zur SRG-Repräsentativbefragung vor den Eidg. Volksabstimmungen vom 17. Mai 2009 einigten wir uns – nach kurzem hin und her – auf “Neue Biometrische Pässe umstritten – Breite Sympathie vor Komplementärmedizin”. Das war vorsichtig und korrekt.

Der zweite Teile wurde bei den Publikationen in- und ausserhalb der SRG weitgehend übernommen. Klar, gerichtet, erwartbar, dürften die Gründe für den erfolgreiche transport gewesen sein. Beim ersten happerte es mir der Veröffentlichung, denn fast schon zwangshaft scheint der Druck zu sein, eine Aussage in die eine oder andere Richtung zu machen. Der “Bund”, in der Berichterstattung zu den Biometrischen Pässe dafür, etwa schrieb “Ja zu den Biometrischen Pässen”. Die Berner Zeitung, mit einer gewissen Affinität zur SVP, formulierte: “Viele Nein Stimmen zu den neuen Pässen”.

Die Liste liesse sich fast beliebig verlängern. Denn nicht nur politische Optiken beeinflussen die Titelei. Auch die sprachregionalen Kultur sind hier ein Thema.

Obwohl es immer um den gleichen Bericht geht!

Claude Longchamp

Die Befürworter der e-Pässe experimentieren mit neuen Kampagnenstruktur

Vordergründig wirkt das Pro-Komitee zu den Biometrischen Pässen vertraut. Bekannte Personen aus Parteien und Verbänden sind gemeinsam im Co-Präsidium vertreten. Hintergrund ist aber einiges neu, denn das Komitee stützt sich auf eine professionell aufgezogenes Netzwerk aus Wirtschaft und Politik. Tendenziell löst das technokratische Politikmodell jener der Parteipolitik ab.

p3310004
Die neuartige Kampagnenzentrale: PR-Agentur Furrer.Hugi&Partner

Bruno Frick, Ruedi Noser, Maximilian Reimann, Edith Graf-Litscher und Hans Grunder vertreten die 5 Regierungsparteien im Präsidium des Pro-Komitees “Ja zur Reisefreiheit“. Lukas Briner, Gerold Bürer, Hans-Jörg Leuzinger und Franz Steinegger repräsentieren die Schweizer Unternehmen, die Handelskammer, die Tourismusbranche und die Reisebüros.

Neu ist, dass Komitee nicht mehr vom Generalsekretariat einer Regierungspartei geführt wird. Diese Aufgabe liegt in den Händen der PR-Agentur “Furrer.Hugi%Partner” in Bern, die bereits in einigen nationalen Abstimmungskampagnen mitgewirkt hatte, jetzt aber ganz vorne steht. Economiesuisse, für die kein Kerngeschäft angesagt ist, bietet ihre Informationsdienstleistungen an, ohne selber Kampagne zu führen.

Zu den politischen Ressourcen des Ja-Komitees zählt insbesondere die e-Power-Initiative für die Schweiz, ein Netzwerk prominenter Personen aus Wirtschaft und Politik. Ins Leben gerufen wurde die Plattform vom damaligen Wirtschaftsminister Joseph Deiss; seit 2005 wirbt sie für ICT-Anliegen insbesondere beim Informationsstrategieorgan des Bundes.

Politisch wird dieser Wandel vom Nein-Komitee bereits ausgeschlachtet. Dabei diente die letzte Sessionswoche als Basis, von der aus die Geschichte nachbearbeitet wird.

Politikwissenschaftlich wird man eine divergente Diagnose stellen: Die Parteien im Abstimmungskampagnen werden immer mehr marginalisiert; ihre Leistungsfähigkeit ist zwischenzeitlich nur noch beschränkt, resp. konzentriert sich im aktuellen Fall auf die Empörungs-Opposition. In die Lücke springen polit-ökonomisch ausgerichtete Netzwerke, die professionelle Interessenvertretung leisten. Von denen ist bekannt, dass sie als Erstes im Lobbying einsteigen, darüber hinaus aber auch Public Affairs und Public Relations übernehmen. Dazu zählt auch die Kampagnearbeit. Dieses Novum in Schweizer Abstimmungskämpfen verspricht, die Parteipolitik abzulösen, muss sich aber bei Gelegenheiten wie dem zu den Biometrie-Pässen erst noch beweisen.

Claude Longchamp

Datenschützer stellt sich gegen neues Ausweisgesetz

Hanspeter Thür ist der Eidg. Datenschutz- und Oeffentlichkeitsbeauftragte. Der Jurist kritisiert in einem ausführlichen “Bund“-Interview die neue Gesetzesregelung der Reisedokumente, über die die Schweiz am 17. Mai 2009 abstimmt.

SCHWEIZ DATENSCHUTZ
Hanspeter Thür, früherer Nationalrat und Präsident der Grünen, heute Datenschutz- und Oeffentlichkeitsbeautragter des Bundes, kritisiert die getroffene gesetzliche Regelung der biometrischen Pässe.

Gegen die blosse Speicherung biometrischer Daten auf dem Pass wendet sich der Datenschützer nicht, da es der Fälschungssicherheit diene. Uebertrieben ist für ihn aber, dass die Fingerabdrücke in der zentralen Datenbank gespeichert werden sollen.

Es geht auch in diesem Fall darum, einen zentralen Grundsatz des Datenschutzes einzuhalten: Persönliche Daten dürfen nur so weit als unbedingt erforderlich gespeichert und bearbeitet werden.

Mit dem registrierten Gesichtsbild könne aufgrund der heutigen technischen Voraussetzungen beispielsweise keine Rasterfahndung durchgeführt werden. Erst die Fingerabdrücke schaffen diese Möglichkeit. Zudem sind Zweckänderungen bestehender Datenbanken nicht auszuschliessen, wenn sie technisch möglich ist.

Der Datenschützer Thür wendet sich aber gegen verschiedene Uebertreibungen vom Ueberwachungsstaat. Wichtig ist ihm, das die Wahlfreiheit zwischen Chip- und nicht-Chip-gestützten Dokumenten gewährt bleibe. Das Parlament habe es leider verpasst, dies mindestens bei einem Ausweispapier sicherzustellen.

Selber reise er “mit dem Pass 03 ohne Chip. Aber vermutlich werde auch ich dereinst einen Pass mit Chip beantragen müssen.”

Claude Longchamp

Zwei Nein-Parolen verschlechtern Annahmechancen, ohne alles zu entscheiden

Sind zwei Regierungsparteien gegen eine Vorlage, die Bundesrat, National- und Ständerat verabschiedet haben, sinken die Chancen eine Annahme in der Volksabstimmung: In 7 von 10 Fällen resultierte ein Nein. Sicher ist die Ablehnung indessen nicht. Und verallgemeinernde Regeln gibt es ebenfalls nicht.

hbwmd43i_pxgen_r_900x600
Toni Brunner (SVP) und Christian Levrat (SP): Beide Präsidenten rufen ihre ParteianhängerInnen auf, die biometrischen Pässe abzulehnen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen (Quelle: Blick)

An diesem Wochenende haben zwei Regierungsparteien ihr (unterschiedlich begründetes) Nein zu den biometrischen Pässen entschieden. Sowohl die SP wie auch die SVP haben sich gegen die vorgelegte Form der Einführung eines e-Passes in der Scwheiz ausgesprochen.

Unter Konkordanzbedingungen (4 resp. 5 Parteienregierung, seit 1959) ist eine abweichende Partei fast schon der Normalfall. Der Ausgangs ist davon nur beschränkt betroffen.

Stellen sich dagegen 2 grössere Parteien gegen die Behördenentscheidung, handelt es sich um etwas Spezielles: 6 Mal formierte sich die Opposition aus den Reihen von SVP und FDP, 2 Mal empfahlen SP und CVP gemeinsam ein Nein, und je ein Mal war die SP mit der FDP resp. mit der SVP auf der ablehnenden Seite.

Die aktuelle Konstellation gab es in Referendumssituationen erst einmal: 2003, als der Souverän über ein neues Volksrecht, die allgemeinen Volksinitiative, entschied, waren SVP und SP gemeinsam dagegen.

Ja in % Jahr Vorlage
70.4 2003 Aenderung Volksrechte (Opposition SVP/SP)
68.0 2006 Familienzulagen (SVP/FDP)
63.3 1987 Abstimmungsverfahren Volksinitiativen (SVP/FDP)
45.5 1988 Koordinierte Verkehrspolitik (SVP/FDP)
45.3 2000 Förderung erneuerbarer Energien (SVP/FDP)
44.5 2000 Energielenkungsabgabe (SVP/FDP)
43.1 1985 Innovationsrisikogarantie (SVP/FDP)
37.2 2004 Gegenvorschlag Avanti-Initiative (SP/CVP)
33.0 1996 Arbeitsgesetz (SP/CVP)
28.5. 1978 Schwangerschaftsabbruch (SP/FDP)

Eine einfache Verallgemeinerung aus der Ausgangslage einerseits auf das Abstimmungsergebnis anderseits ist nicht möglich. In den 10 Fällen setzten sich 7 Mal die opponierenden Parteien durch, drei Mal die anderen. Eine gesicherte Regel, wie sich die doppelte Themenopposition auf den Abstimmungsausgang auswirkt, gibt es nicht.

Das hat mit weiteren erklärenden Faktoren zu tun, wie der Bedeutung der Abstimmung, die Intensität der Kampagnen und der Alltäglichkeit der Vorlage.

Uebrigens: Gemeinsam erfolgreich waren die politischen Kontrahenten SVP und SP mit ihrem Zangenangriff auf eine Behördenvorlage noch nie!

Claude Longchamp

Vorkampagnen zu Volksabstimmungen: präventive Diskreditierung der jeweiligen Gegnerschaften

Seit Jahren ist es in der Theorie so, dass der Bundesrat mit einer gut sichtbaren Medienkonferenz einen Abstimmungskampf eröffnet. In der Praxis ist das allerdings nicht so eindeutig. Denn es entstehen in wachsendem Masse Vorkampagnen, in denen neuerdings Video-Botschaften die Szene beherrschen.

Vorkampagnen haben verschiedene Aufgaben: Sie wollen Präsenz markieren, um zusätzliche Unterstützung bei Organisationen zu finden, weitere finanzielle Mittel zu sammeln oder zentrale Argumentationsweisen bei wichtigen Multiplikatoren zu platzieren. Zu den zentralen Aufgaben von Vorkampagnen zählt auch, die erwarteten Botschaften der jeweiligen Gegnerschaft im Voraus zu diskreditieren.

Das war auch in den Vorkampagnen zu den biometrischen Pässen exemplarisch der Fall, wobei neu das Internet, beispielsweise Video-Clips auf youtube und Kampagnenwebsiten, eine besondere Rolle zukommt:

Vor allem die welschen AktivistInnen unter den Gegnern des neuen Passes mobilisieren seit Tagen mit einem


TV-Film aus der Sendereihe “Einstein”, der das Sicherheitsargument der BefürworterInnen zerpflückt. Eingespannt in die journalistischen Wissenschafgtsreportage werden neutrale ExpertInnen, die aufzeigen, wie man den Chip, die Augenkontrolle und die Fingerabdrücke, die Kernpunkte des Sicherheitskonzept, einzeln knacken kann. Die Hinweise sind interessant, wenn sie auch mit der Schlussbotschaft relativiert werden: Den biometrischen Passe zu fälschen, sei bisher nicht gelungen, wenn auch für SpezialistInnen einfach sei, seine Bestandteile zu entzaubern. Immerhin: Was bleibt ist, dass das zentrale Argumente der Ja-Seite relativiert werden kann.

Die Befürworter der neuen Pässe wiederum bekämpfen die Referendumsführer direkt, indem sie Teile der Unterschriftensammler diskretieren. Im aktuellen Fall betrifft das die im St. Galler Rheintal domizilierte “Anti-Genozid-Partei“, 2008 gegründet, die massgebliche Teil der Signaturen zum Referendum beigebracht habe. Diese verbreite, wie das Newsnetz aufdeckte, unter dem Titel


Das ultimative Ziel der globalen Elite” ein wirres Video, das die Kleinstpartei als Versammlung übler christlich-fundamentalistischer Verschwörungstheoretiker ausweise. Schlimmer noch: Der politische Arme der Sekte in der Schweiz agiere von einer Briefkastenadresse in Wil aus selber anonym. Auch hier: Der Schuss vor den Bug der Gegnerschaft wirbelt kräftig, ohne wirklich getroffen zu haben.

Viel Zuverlässiges gelernt über die Sache, über die man Bürger oder Bürgerin entscheiden wird, hat man weder im einen noch im anderen Fall nicht. Das ist auch nicht das Ziel dieser Vorkampagnen. Vielmehr geht es ihren Protagonisten darum, die Glaubwürdigkeit von Botschaften und BotschafterInnen, die man in der Hauptphase des Abstimmungskampfes erwartet, präventiv zu zerstören. Die Aktionen, die man von der anderen Seite erwartet, sollen beschädigt werden, bevor sie stattgefunden haben

Claude Longchamp

In (fast) allen Einzelfarben gegen biometrische Pässe

Was haben Oskar Freysinger, Joseph Zisyadis, Christian Waber, Susanne Leutenegger Oberholzer, Marie-Therese Weber-Gobet und Luc Recordon gemeinsam? Klar, sie alle sind eidgenössische ParlamentarierInnen, aber alle für eine andere Partei. Doch sind sie nur 6 der 27 National- und Ständeräte, die der Freiheitskampagne der Gegner der Biometrischen Pässe beigetreten sind.

n1522835047_30186426_2623

Das überparteiliche Komitee hat 63’733 gültige Unterschriften gegen das neue Ausweisgesetz gesammelt und damit die Basis für die Volksabstimmung vom 17. Mai 2009 über die biometrischen Pässe geschaffen. Seiner Auffassung nach führt der Bundesbeschluss zu

• Mehrkosten für alle PassbezügerInnen
• Sicherheitsrisiken durch zentrale Datenspeicherung
• unnötigen Kompetenzen für den Bund über die biometrischen Daten der Bürgerinnen und Bürger
• Unsicherheit wann und wo die Daten aus dem RFID-Funkchip überall abgerufen werden
• Unsicherheit über den Verbleib und Gebrauch von abgefragten Daten
• einem Ausbau des Überwachungsstaats.

Nicht alle Mitglieder des Nein-Komitees sind generelle GegnerInnen der biometrischen Pässe. Die Rechte ist klarer dagegen, die Linke bekämpft nur zu die Zentralisierung der Information. Vereint werden sie aber im Nein-zum Zwang, bei einer Passerneuerung automatisch einen biometrischen Pass erwerben zu müssen. Sie finden, dass Personen, die einen biometrischen Pass wollen und bereit sind, alle damit verbundenen Nachteile in Kauf zu nehmen, das machen machen sollen. Alle anderen aber sollen auch in Zukunft einen herkömmlichen Pass erhalten können.

Unterstützung findet das Komitee von Mitgliedern der SVP und der EDU, der Jungfreisinnigen, der CSP, der SP, den Grünen, der Alternativen Liste, des Demokratischen Nidwaldens und der Kommunistien. Mit im Komitee sind ferner die Aargauische Vaterländische Vereinigung (nationalkonservative Patrioten), die Muttenzerkurve (Fussball) sowie Anouk Manser (Model).

Claude Longchamp

e-Pass: Warum Bundesrat und Regierung dafür sind

Der Abstimmungskampf zur Einführung biometrischer Pässe in der Schweiz ist diese Woche eröffnet worden. Bundesrat und Parlament befürworten die Aenderung aus Sicherheitsgründen, sehen in ihr aber auch eine Garantie der Reisefreiheit. Entschieden wird in der Volksabstimmung vom 17. Mai 2009.

index

Weltweit führen immer mehr Staaten Pässe mit elektronisch gespeicherten Daten ein. Bis Ende Jahr werden es deren 90 sein. In Übereinstimmung mit internationalen Vorgaben speichern sie die Personalien im Pass auch elektronisch. Ebenso werden das Foto und zwei Fingerabdrücke auf einem Datenchip abgelegt. Bei einer Kontrolle können diese biometrischen Daten elektronisch gelesen und mit denjenigen der Person verglichen werden, die den Pass vorlegt. So wird es noch schwieriger, einen verlorenen oder gestohlenen Pass zu verwenden.

Die Sicherheit ist denn auch der wichtigste Grund, weshalb Bundesrat und Parlament nicht nur den neuen Schweizer e-Pass befürworten, sondern auch die Zentralisierung archivierter Daten.

“Biometrische Angaben in Pässen sind”, begründete Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf diese Woche ihre Position im Abstimmungskampf, “nichts Neues. Sie werden seit eh und je verwendet, um einen Ausweis eindeutig der rechtmässigen Inhaberin oder dem rechtmässigen Inhaber zuordnen zu können. Zum Einsatz kommen zum Beispiel das Foto und die Körpergrösse, früher wurden auch die Augen- und Haarfarbe im Pass festgehalten.”

Zur Volksabstimmung am 17. Mai 2009 kommt es, weil gegen die biometrischen Pässe erfolgreich das Referendum ergriffen worden ist. Dabei sammelten recht und linke Exponenten die nötigen 50000 Signaturen weitgehend über Internet.

Sollte es in der Volksabstimmung zu einem Nein kommen, hat die Schweiz 90 Tage Zeit, sich mit der EU auf eine neue Form der Beteiligung am e-Pass-Projekt, seit 2006 Bestandteil der Abkommen von Schengen/Dublin, zu einigen; ansonsten treten die Abkommen von Schengen und Dublin in der Schweiz ausser Kraft.

Die Einführung des Schweizer E-Passes ist auch Voraussetzung dafür, dass Schweizerinnen und Schweizer weiterhin ohne Visum in und durch die USA reisen können.

Die Garantie der Reisefreiheit bildet denn auch der zweite Grund, warum Bundesrat und Parlament den StimmbürgerInnen empfehlen, am 17. Mai 2009 der Vorlage zuzustimmen.

Claude Longchamp

Die Schweiz ist das 25. Land des Schengener Abkommens

In den meisten Europa-Fragen ist die Schweiz ein Sonderfall. So fällt sie auf Europa-Karten immer auf. Nichts davon sieht man indessen, wenn der Schengener-Raum abgebildet ist. Denn unser Land ist seit gestern das 25. Vollmitglied des Abkommens. Ein kurzer Rückblick der Entstehungsgeschichte.


Schengen-Raum heute (Quelle: wikipedia)

Die Abschaffung der Binnengrenzen

1985 starteten 5 EU-Staaten mit der Abschaffung der Binnengrenzen. Zwischenzeitlich sind 22 der 27 EU-Staaten Teil des Schengen-Raumes. Norwegen, Island sowie Schweiz gehören als Nicht-EU-Mitglieder ebenfalls dazu.

Das Schengener Abkommen regelt drei Bereiche: die Sicherheits-, Visums- und Asylzusammenarbeit. Einreisebstimmungen sind im Schengen-Raum vereinheitlicht. Mehrfache Asylgesuche in den verschiedenen Mitgliedstaaten sind ausgeschlossen. Und die gemeinsame Sicherheit wird durch verstärkten Kontrollen der EU-Aussengrenzen gewährleistet. In Ausnahmefällen können Personenkontrollen an den Binnengrenzen wieder eingeführt werden. Das war beispielsweise während der Euro ’08 der Fall.

Mit dem Schengener-Abkommen entfallen die Personenkontrollen an der Schweizer Aussengrenze, weil diese izur Binnengrenze im Schengen-Raum wird. Wie Eveline Widmer-Schlumpf, die zuständige Justizministerin, herausstreicht, ist das für das Tourismusland Schweiz von besonderer Bedeutung, selbst wenn die Umstellung zeit- und kostenintensiver war als vorgesehen. Einzig gegenüber Liechtenstein, das dem Abkommen nicht beigetreten ist, besteht eine Sonderregelung. An den Flughäfen tritten die Massnahmen des Abkommens am 29. März 2009 in Kraft. Die Warenkontrollen finden unverändert statt, denn zwischen der EU und der Schweiz gibt es keine Zollunion.

Die Schweizer Entscheidung
Die Schweiz ratifizierte das Abkommen am 16. Oktober 2004. In der Volksabstimmung vom 5. Juni 2005 stimmten 54,6 Prozent für den Beitritt zum Abkommen. Größte Unterstützung fand die Vorlage im Kanton Neuenburg (70,9 Prozent). Am klarsten dagegen votierte der Halbkanton Appenzell Innerrhoden (31,5). Von den Grenzkantonen lehnte das Tessin die Vorlage am stärksten ab (38,1 Prozent Zustimmung).

Die Vorbereitung der Volksabstimmung führte in der Schweiz zum üblichen Konflikt in EU-Fragen. Die SP, die CVP und die FDP befürworteten den Beitritt, die SVP als vierte Regierungspartei bekämpfte ihn. Die Nachanalyse zum Abstimmungsentscheid zeigte, dass die Anhängerschaften grossmehrheitlich entsprechend den Parteiparolen stimmten.

Mehr Unterstützung fand der Beitritt zum Schengen-Abkommen in den urbanen Zentren und in den oberen Schichten. In der französischsprachigen Schweiz fiel die Zustimmung generell noch etwas stärker aus. In der italienischsprachigen Schweiz, auf dem Land und in den unteren Schichten überwog die Ablehnung. Für die Annahme in der Volksabstimmung massgeblich war die mehrheitliche Zustimmung in den Mittelschichten.

Hinter den individuellen Entscheidungen waren Werte von Belang. Die Offenheit gegenüber dem Auslang bestimmte die Zustimmung, während die Unabhängigkeit der Schweiz von eben diesem Ausland für die Ablehnung massgeblich war. Wer modernen Werten nahesteht, Chancengleichheit unabhängig von nationaler Zugehörigkeit konzipiert sieht, war ebenfalls vermehrt auf der Ja-Seite. Traditionelle Wertvorstellungen, insbesondere die Ausrichtung an Ruhe&Ordnung führten zu einer verstärken Ablehnung.

Misstrauen gegenüber “Schengen” wird Christoph Blocher zum Verhängnis

Nicht zuletzt verlief die Polarisierung in der Schengen-Beitrittsfrage entlang des Regierungsvertrauens. Wo dieses überwog, teilte man die befürwortenden Argumente mehrheitlich. Wo indessen das Misstrauen überwog, folgte man den zentralen Botschaften der Opponenten.

Im Abstimmungskampf höchst umstritten war das Verhalten von Justizminister Bundesrat Christoph Blocher, der aus seiner persönlichen Ablehnung der Vorlage entgegen dem Kollegialprinzip öffentlich keinen Hehl machte und mitten im Abstimmungskampf bei der 60-Jahr-Feier zum Ende des 2. Weltkrieges die Bedeutung von Grenzen für die Existenz der Schweizer herausstrich.

Wie Trendanalysen der Meinungsbildung zeigten, lancierte er damit als verantwortlicher Minister die Nein-Kampagne. Seither ebbte aber auch die Kritik am Verhalten des SVP-Regierungsmitglieds nicht mehr ab, die am 12. Dezember 2007 schliesslich zu seiner Abwahl aus dem Bundesrat führte, worauf die SVP aus der Bundesregierung austrat.

Just ein Jahr später wurde das Schengener-Abkommen operativ in Kraft gesetzt. So symbolisch kann Politik auch sein.

Claude Longchamp