Parteien ein Jahr vor den eidg. Wahlen: Heute SVP – konsolidiert, aber nicht mehr

Stark war die SVP in verschiedenen Referendumskämpfen, akzeptiert ist sie im nationalkonservativen und rechtsbürgerlichen Lager, und verbessert hat sie sich bei kantonalen Regierungsratswahlen. Herausgefordert wird sie aber bei den Ständeratswahlen 2023, durch den Abgang von Ueli Maurer im Bundesrat und durch die Szene der Pandemiegegnerschaft, die sie nicht in den Griff bekam.

Eine Kurzfassung in Videoform findet sich bei #Nau
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/wahlen-2023-longchamp-zur-svp-66335733

Nach der Wahlniederlage konsolidiert
«Konsolidiert!», könnte man die Lage der SVP ein Jahr vor den Wahlen bezeichnen. Gewinne wie 2015 zeichnen sich nicht ab, nochmalige Rekordverluste wie 2019 aber auch nicht. In beiden aktuellen Wahlumfragen erreicht sie 26 Prozent – leicht über dem Wert von 2019. Damals sagte die Wahlanalyse, die SVP haben ein Potenzial von gut 30 Prozent, mobilisierte es aber nicht hinreichend.
Bei den kantonalen Regierungsratswahlen hat sich die SVP verbessert. Sie nominierte Kandidaten, die im bürgerliche Lager akzeptierter waren, um Wahlallianzen eingehen zu können und Erfolge zu feiern. Bei den Parlamentswahlen konnte sie in Graubünden stark zulegen, letztlich aber nur wegen dem neuen Wahlrecht. Ansonsten ist die Bilanz negativ.
In beiden aktuellen Wahlumfragen hält sich die SVP bei 26% – leicht über dem Wert von 2019.

Oppositionskurs teilweise erfolgreich
Am stärksten war die SVP in der laufenden Legislaturperiode bisweilen dann, als sie alleine gegen Behördenvorlagen antrat. Das reichte beim Co2-Gesetz für einen vollen Erfolg. Abstimmungssieger war die Partei auch beim Medienpaket, da allerdings mit der FDP.
Einen positiven Schlusspunkt könnte die SVP legen, sollte es ihr 2023 gelingen, bei der Abstimmung zum indirekten Gegenvorschlag zur zurückgezogenen Gletscherinitiative die Mehrheit aus ihre Seite zu ziehen.
Dennoch zieht der Oppositionskurs gegen alle anderen nicht per se. So blieb die Opposition der SVP bei den Abstimmungen zum Vaterschaftsurlaub oder beim zweiten Covid19-Gesetz deutlich auf der Stecke.
Auch die Bilanz der Volksinitiativen ist durchzogen. Beim Verhüllungsverbot unterstützte man das Egerkinger-Komitee erfolgreich. Doch wurde man bei der eigenen Begrenzungsinitiative arg in die Minderheit versetzt.

Zwei Standbeine, aber kein drittes
Die SVP hat elektoral zwei bekannte Standbeine. Da ist zunächst das nationalkonservative Publikum, seit Jahren bearbeitet. Gerade noch rechtzeitig vor den kommenden Wahlen haben ihre Altherren die ProSchweiz gegründet, die Neulancierung einer europaskeptischen Organisation.
Zudem ist sie überall präsent, um den Staat zugunsten von Steuersenkungen zurückzufahren. Da empfiehlt sie sich für Rechtsbürgerliche und kontert die FDP.
Allenfalls kommt hinzu, dass die SVP ihr konservatives Frauenbild für die Ansprache der Wählenden nutzen kann.
Ihre kommenden Volksinitiativen hat sie entsprechend aufgegleist. Die Halbierung der SRG Gebühren, die verfassungsmässige Festschreibung der integralen Neutralität und zwei Volksinitiativen zur Einschränkung des Schwangerschaftsabbruchs sind auf die Zielgruppenarbeit ausgerichtet.
Nicht geglückt ist der SVP allerdings der Flirt mit der Gegnerschaft zu den Pandemiemassnahmen. Zwar kann sie bei der Bewegung als einzige Partei auf Stimmen hoffen. Doch verliert sie damit etwa bei Rentnerinnen, die auf Sicherheit setzen, mehr Stimmen als sie so gewinnt. Ein weiteres Standbein für die Wahlmobilisierung ist daraus nicht geworden.

Ständerat als bleibende Herausforderung
Die grösste Schwäche der SVP bleibt ihre Vertretung im Ständerat, wo sie es auf sechs Kantonsvertreter bringt. Das entspricht einem Machtanteil von 13% – halb sie viel wie in der grossen Kammer. Damit ist die Partei für Allianzen im Ständerat nirgends erste Wahl.
Ausgerechnet da muss sie 2023 zwei ihrer Vertreter ersetzen. In Schwyz sieht sie sich einer starken Konkurrenz aus den Reihen der FDP gegenüber, im Aargau bewerben sich bereits vier Interessierte, und es könnte auch eine fünfte hinzukommen. Das spricht für einen zweiten Wahlgang, bei dem Allianzen entscheiden werden.

Spitze beim Personal erreicht
Bisher war die SVP in nationalen Wahlen stärker als im Schnitt der kantonalen. Das hatte mit ihrer Führung bei der Kampagnenführung zu tun, die mittelfristig und strategisch war, aber auch zentralisiert mit vereinheitlichten Kommunikationsmittel war. Seit online-Kampagnen entscheidend sind, haben alle anderen Parteien aufgeholt.
Zudem versprüht das Führungspersonal in Partei und Fraktion weniger Aufbruchstimmung als auch schon. Und es zeichnet sich ab, dass die SVP erstmals ganz ohne Christoph Blocher Wahlkampf führen muss.

Bundesrats- und Zürcher Wahlen
Einiges hängt zudem davon ab, wie die vorgezogenen Bundesratswahlen ausgehen. Denn mit Bundesrat Ueli Maurer verliert die Partei ihren wohl wirkungsvollsten Kommunikator, der sich auch als Bundesrat nicht scheute, Parteipolitik zu betreiben und zu Parteislogans zu verbreiten. Ob das ein Nachfolger ersetzen kann, bleibt abzuwarten.
Die unmittelbare Herausforderung steht mit den Wahlen im Kanton Zürich an. Da machte die Partei in der Nominationsphase für die Bundesratswahlen nicht den frischesten Eindruck. Zwei Sitze in der Regierung scheinen dennoch sicher. Weniger klar ist aber, was im Kantonsrat resultiert. Erfahrungsgemäss mit Folgen auf nationaler Ebene!

Claude Longchamp