Viele Diskussionen heute den ganzen Tag. Vor allem über Abstimmungs- und Wahkämpfe der letzten und der kommenden Tage. Ein kleines Protokoll meiner Eindrücke.
Zunächst: Es ging ums Geld – das Geld in politischen Kampagnen. Offensichtlich ist es ungleich verteilt. Das nährt Missmut. Auch diesmal. Die Befürworter der SVP-Initiative und die Gegner der Steuer-Initiative hatten die Lufthoheit inne. Und so schiessen Meinungen ins Kraut: Der Souverän lasse sich nicht kaufen, legte sich Economiesuisse schon am Montag fest. Bei der SVP war man ruhiger. Blocher als grosser Geldgeber in Kampagnen könnte wieder aufflackern. – Leider schweigen die Politologen hierzu: Keiner hat nachgerechnet, wieviele Inserate erschienen sind, und wie die Politwerbung auf Internet verteilt war. Denn nur so kann man gesichertes Wissen zu vermuteten Zusammenhängen entwickeln. Das Projekt hierzu ist uralt, vor 25 Jahren schon diskutiert worden. Doch niemand hat es realisiert. Einzig Hanspeter Kriesi hat nachgerechnet. Es sagt: Investiert wird seitens der Opposition, wenn sie mit mindestens 40 Prozent rechnen kann. Das war hier bei beiden Initiativen der Fall. Die Chancen einer Initiative steigen, wenn das Regierungsmisstrauen gross ist. Auch da gibt es keinen Unterschied zwischen beiden Volksbegehren. Massgeblich sei aber, sagt Kriesi drittens, eine Initiative eine Fallstricke habe. Meist geht es dabei um die Konsequenzen bei einer Annahme. Nur wenn die klar seien, habe ein Initiative eine Chance. Beim SVP-Begehren war das eher der Fall; die Kritik der Willkür beim Deliktekatalog war letztlich juristisch, für die BürgerInnen im Einzelfall nicht beantwortbar. Bei der SP-Initiative war das schon viel eher die Schwachstelle, dass man meinte 99 Prozent seien nicht betroffen. Denn als das mal in Frage gestellt worden war, ging das Rätselraten über die Auswirkungen flüchendenckend los und blieb nicht ohne Wirkung. – Auf dem Nachhauseweg am Abend denke ich mir: So etwa müsste die Diskussion gehen, will sie weiter kommen als zu Anschuldigungen.
Sodann: Es ging es heute um die Medien und Journalismus. Wie seit vielen Tagen in vielen Diskussionen. Zahlreichen BeobachterInnen fiel bei diesen Abstimmungen auf, dass immer mehr Medien nicht bloss das Pro und Kontra vortragen und am Schluss eine Empfehlung abgeben. Nein, die Medien positionieren sich immer mehr in Abstimmungskämpfen: Sind sind immer klarer für oder gegen etwas. Das ist längst nicht mehr nur bei der Weltwoche der Fall. Auch andere betreiben Kampagnenjournalismus. Der Blick war für die SP-Initiative, die welsche Presse für den Gegenentwurf zur SVP-Initiative und fast alle gegen das Ausschaffungsbegehren. Die Wirkungen scheinen beschränkt zu sein, denn fast überall kam es anders heraus. Gestiegen ist jedoch die Kampagnentemparatur, und mit ihr die Polarisierung, die sich schliesslich auf die Teilnahme auswirkte. Doch auch hier basiert die Diskussion der Zusammenhänge auf wenig Evidenz. Man kennt die Parteiparolen bis weit ins 20. Jahrhundert zurück. Eine analoge Dokumentation der Empfehlungen von Zeitungen gibt es nicht in Ansätzen. Kaum ein Medienwissenschafter – ausser dem immer mehr angefeindeten Kurt Imhof – nimmt sich die Mühe, die Medien empirisch erhärtet zu bewerten und sich zu fragen was im Journalismus der Gegenwart geschieht. Und gar keiner fragt nach dem Zusammenhang zwischen politischer Werbung, Positionierung von Medien und den Folgen für die öffentliche Kommunikation. – Und so bleibt mir auch in dieser Frage das grosse Loch, das die Forschung nicht wirklich füllt, als ich zuhause ankomme.
Doch noch nicht genug. Denn schliesslich ging es heute auch um die Abstimmungen des nächsten Jahres. Gerade ein Abstimmungssonntag mit einer Entscheidung zeichnet sich ab. Am 13. Februar 2011 wird über die Waffen-Initiative der SP entschieden. Sonst wohl über nichts. Fast ist das symbolisch: Es scheint, als soll nach der Unruhe der letzten Woche wieder Ruhe ins Land einkehren. – Oder haben alle die Waffen schon gestreckt vor dem neuerlichen Wahlsieg der SVP?
Claude Longchamp
Ich glaube nicht, dass das Geld viel genützt hat.
Vielmehr war die Ausschaffungsinitiative recht einfach zu verstehen, und Folgen sind für Schweizer keine zu erwarten.
Bei der Steuergerechtigkeitsinitiative hingegen hat wohl manch einer um ein paar Fränkli Steuerausgaben gefürchtet, und wenn dem Schweizer ein Stützli in Gefahr ist, dann wird ihm mulmig. Was die Elite der Wirtschaft dann ja noch geschürt hat.
Hingegen hat die SP völlig versagt, die Initiative einigermassen zu erklären, und genau zu sagen, wem was weggenommen wird.
Die relative Ruhe der KMU und der Wirtschaft haben doch lediglich gezeigt, dass für sie die Initiative kein Problem ist. Die zahlen nämlich schon jetzt kaum Steuern. Und die abzockende Gilde hat wohlweislich in Ruhe abgewartet, denn wenn die aufgemuckt hätte, wäre wohl Feuer im Dach gewesen. Oder was wäre geschehen, wenn Ospel mit Auswanderung gedroht hätte?
Das Geld spielt m.E. eine geringe Rolle. Vielmehr sind die Kampagnen von SVP einfach genial (Ivan S. bald Schweizer, schwarze Schafe, Burka vor Minaretten) weil sofort verständlich. Es ist recht schwierig, komplexe Sachen einfach rüberzubringen, jedoch effizierter als viele gescheiten Worte. economiesuisse hat auch am Schluss erfolgreich diese Methode übernommen.
Medien und Journalisten überschätzen masslos ihren Einfluss. In vielen Fällen tendiert dieser gegen null, manchmal ist er sogar kontroproduktiv.
Nun zu den Prognosen von cal: bei der SVP-Initiative sehr gut, bei der SP-Initiative weniger. Ich stelle fest, dass gewisse Trends der schweigenden Mehrheit nach wie vor nicht genügend erfasst werden können. Man kann sich freuen auf die weiteren Wellen zum Wahlbarometer 2011 und ich gehe davon aus, dass gegenüber der letzten Welle cal die Trends bei SVP nach oben und bei SP nach unten fein ajustieren wird. Am Sonntag nachmittag hat doch cal so eindeutig formuliert, dass der national-konservative Trend flächendeckend durchmarschiert. Diese Aussage von cal hat mich sehr erstaunt.
Nun zu den “Prognosen” …
Da muss ich widersprechen.
Wie auf diesem Blog schon mehrfach dargelegt, sind die letzten Umfragen keine Prognosen. Sie werden 18 Tage vor der Abstimmung gemacht, und erfassen nichts von dem, was nachher geschieht.
Wenn kein Meinungswandel vorhanden ist, kann man nur die letzte Umfrage nehmen, und etwa abschätzen was passiert. Wenn sich aber zwischen der ersten und zweiten Umfrage ein klarer Meinungsumschwung abzeichnet, was hier ja der Fall war!, dann muss man den Trend extrapolieren.
Macht man das, kommt man auf eine tiefe 40er Zahl. Siehe hier:
http://www.zoonpoliticon.ch/blog/wp-content/uploads/trend_steuergerechtigkeit4.jpg
Das ist dann so falsch nicht, wie Sie meinen!
Klar sind diese Umfragen keine Prognosen, die Konsumenten jedoch sehen diese eben doch als Prognosen:-). Vielen Dank für Ihre Präzisierung.
Auch da ein Einwand: Zahlreiche Medien haben nach dem Minarett gelernt, dass das keine Prognosen sind, sondern die letztmöglichen Bestandesaufnahmen.
Diesmal, zum Beispiel, wurde von der sda ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Wegzugsdrohung der Reichen mit der Umfrage nicht erfasst sei.
So finde ich es nur redlich, wenn wir im wording präzise sind, und das Richtige den KonsumentInnen vermitteln.
Lernen ist nicht schlecht!
andersrum wird ein schuh draus: es war recht einfach zu verstehen, dass für die schweizer keine direkten folgen zu erwarten sind. deshalb haben sich auch zu wenige die mühe gemacht, den inhalt und die konsequenzen zu verstehen.
was ist an “kriminelle ausländer raus” so furchtbar komplex? die botschaft hat die svp erfolgreich vermittelt, und das nach meinem unrepräsentativen eindruck mit dem zehnfachen werbeaufwand ihrer gegner. um mehr als das bedienen einen ressentiments ging es da sowieso nicht.
@antiveganer
kann es sein, dass du dir eben widersprochen hast?
nein, hab ich nicht. es geht um zwei verschiedenen ebenen:
die erste aussage bezieht sich auf den juristischen inhalt und die jurististischen und aussenpolitischen konsequenzen. was ich da von befürwortern gelesen hab, spricht deutlich dafür, dass sie sich dafür überhaupt nicht interessieren und keine ahnung haben, was sie da eigentlich abgesegnet haben.
die zweite aussage bezieht sich auf die politische botschaft, welche vermittelt werden sollte, und die ist tatsächlich schlicht verständlich und auch genau so angekommen. zum rassismus kommen noch das ressentiment gegen rechtsstaatliche verfahren (kriminellenschutz)und alles internationale (fremdbestimmung).
das was rm nun als geniale vereinfachung lobt (wenn ich/sie ihn recht verstehe), ist eine ersetzung der erstens, sachlichen ebene durch die zweite, rein emotionale ebene. da wird nichts komplexes rübergebracht, sondern auf vermittlung einfach gleich verzichtet.
unabhängig vom konkreten anlass ist es äusserst problematisch, wenn gesetze vorwiegend aus symbolischen gründen beschlossen werden. es gibt nämlich menschen, die mit diesen gesetzen dann arbeiten müssen und die unter den folgen leiden werden. aber für ersteres, nämlich konstruktive regieren, interessiert sich die svp nicht und letztere sind ihr egal bis verhasst.
Mit der ersten Aussage bin ich nicht ganz einverstanden.
Esrtens kann der Stimmbürger (nicht jeder ist Jurist)den Inhalt jusristisch prüfen. Muss er aber auch nicht.
Zweitens wird es kaum aussenpolitische Konsequenzen haben (ausser Arbeit für einige).
Mit dem letzten Absatz bin ich einverstanden.