Hochrechnung der eidgenössischen Volksabstimmungen vom 28. November 2010

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Vorläufig amtliches Endergebnis zu den eidgenössischen Volksabstimmungen vom 28. November 2010

Ausschaffungsinitiative: 52,9 Prozent Ja, 17,5 von 23 Kantonen dafür: mit doppeltem Mehr angenommen
Gegenentwurf: 45,8 Prozent Ja, 0 von 23 Kantonen dafür: am doppelten Mehr gescheitert
Steuergerechtigkeitsinitiative: 41,5 Prozent Ja, 3,5 von 23 Kantonen dafür: am doppelten Mehr gescheitert
Stimmbeteiligung: 52,6 Prozent bei der Ausschaffungsinitiative

1745 Schlusskommentar
Die Schweiz hat entschieden: Eine Mehrheit der Stimmenden will kriminell gewordene AusländerInnen aus der Schweiz ausweisen. Die SVP istmit ihrer Forderung hierzu die Siegerin des Tages. Die bürgerliche Mitte befürwortete den Gegenentwurf – ähnlich ausgerichtet, aber mit einem anderen Deliktekatalog. Sie drang damit nicht durch. Die Linke war nicht einheitlich positioniert; die Parteien empfahlen ein doppeltes Nein – zu Initiative und Gegenvorschlag, und verfehlten so ihr Hauptziel, den von der SVP vorgegebenen Kurs in der Ausländerfrage zu stoppen.

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Erstmals setzte sich bei einer Volksabstimmung mit Initiative und Gegenvorschlag eine Initiative durch. Bisher wurden sie stets abgeleht, genauso wie die Gegenvorschläge. Das hatte damit zu tun, dass die veränderungswilligen Kräfte in der Bevölkerung mit dem Verfahren tendenziell aufgeteilt wurden. Wenn die Initiative nun trotz Gegenvorschlag durchdrang, hat dies zuerst mit dem Problemlage zu tun: Im Bericht der AusländerInnen-Kriminalität besteht verbreitet der Eindruck eines Vollzugsnotstandes. Diese hat ein Gefühl der Unsicherheit entstehen lassen, teilweise auch fremdenfeindliche Einstellungen aktiviert. Sodann kam es zu keinem wirklichen Meinungsumschwung, weil sich die Opponenten nicht auf gemeinsame Botschaften einigen konnten.

Dieses Stimmungsbild wurde durch eine kräftige Kampagne der SVP verstärkt. Sie arbeitete wie gewohnt plakativ, verwendete seit längerem eingeführte Sujets und kommunizierte medial klar: Schwarze Schafe müssen konsequent aussondert werden, straffällige AusländerInnen haben in der Schweiz nichts mehr zu suchen.

Noch ein Wort in eigener Sache: Unsere Umfragen wurden im Vorfeld der Abstimmungen von Konkurrenten, JournalistInnen und Uniprofessoren immer wieder in Frage gestellt – unbegründet, wie man jetzt weiss. Nur weil ein Thema von der SVP kommt, heisst es nicht, dass es demoskopisch nicht behandelbar sei. Jedenfalls kann man heute Abend festhalten, dass wir mit der Einschätzung 18 Tage vor der Abstimmung besser lagen als alle anderen.

1655: Erstanalyse Ausschaffungsinitiative
Die Erstanalyse der Ausschaffungsinitiative zeigt eine heftige Wertepolarisierung. Hohe Unterschiede in den Regionen finden sich, wenn man die räumliche Verankerung von Grundhaltungen analysiert, wie jene zur Gleich- oder Ungleichbehandlung von SchweizerInnen und AusländerInnen. Mitinvolviert war auch auch die Werthaltung zwischen einer offenen und einer geschlossenen Schweiz.

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Es gilt: Je klarer in einer Region eine nationalkonservative Auffassung vertreten wird, desto klarer wurde Initiative angenommen.

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Damit in einer gewissen Uebereinstimmung steht die Bedeutung der Links/Rechts-Achse. Auch hier gilt: Sie ist ein aussagekräftiger Prädiktor für das Stimmverhalten der Regionen bei der Ausschaffungsinitiative. Die Besonderheit dieser Abstimmung ist aber, dass die Zustimmung zur Initiative nicht nur in klar rechten Regionen mehrheitlich war, sondern auch in die Mitte tendierte.

Interesssant ist auch, dass der AusländerInnen-Anteil und der Kriminalitätsrate weniger erklären, als die genannten Werthaltungen. Grob gesprochen heisst das: Die Grundhaltungen haben die Entscheidungen mehr bestimmt als die eigentliche Betroffenheit. Oder anders gesagt: Gegenden ohne AusländerInnen, die kriminell waren, aber mit nationalkonservativer Grundhaltung stimmten vermehrt für die Ausschaffungsinitiative.

1555 Erstanalyse Steuergerechtigkeitsinitiative
Die Erstanalyse der Steuergerechtigkeitsinitiative zeigt die erwartete Polarisierung auf der Links/Rechts-Achse. Dies ist der beste Prädiktor für die Grundanalyse. Das heisst: In Gegenden mit hohem Anteil Links-WählerInnen ist die Zustimmung höher als in solchen mit hohem Rechts-WählerInnen-Anteil. Das Entscheidende ist: In der Mitte wurde die Vorlage schliesslich verworfen.

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Weitere Spezifizierungen ergeben sich vor allem aus der Betroffenheit auf kantonaler Ebene in Steuerfragen. Je klarer diese bei dieser Initiative negativ gegeben gewesen wäre, desto klarer votierte man gegen die Steuergerechtigkeitsinitiative.

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Da in der Romandie und im Tessin kein Kanton negativ betroffen war, erübrigen sich diese Abklärungen in diesen Landesteilen. In der deutschsprachigen Schweiz ist das jedoch der zweite wichtige Prädiktor.

In den Kantonen ZG, SZ, UR, NW und OW entspricht die massive Ablehnung der Betroffenheit. Das war in St. Gallen und in Appenzell Ausserrhoden tendenziell auch der Fall, es kommt aber im Stimmverhalten weniger deutlich zum Ausdruck. Die Kantone, in denen nur einzelnen Gemeinde betroffen gewesen wären, stimmten weniger deutlich Nein. Schliesslich stimmten die deutschsprachigen Kantone ohne Betroffenheit vermehrt für die Initiative, wenn auch, mit Ausnahme von Basellstadt nicht mehrheitlich.

Uebrigens: Ein Zusammenhang zwischen NFA Geber- und Nehmerkantonen und der Entscheidung in dieser Abstimmung bestätigt sich nicht. Man kann es also so sagen: Die Steuergerechtigkeitsfrage wird in den Sprachregionen verschieden gelesen. Das hängt auch mit den Auswirkungen einer Links/Rechts-Polarität in Sachabstimmungen zusammen. Schliesslich wird dies durch die Interessen aufgrund des Steuerrechts in den Kanton verstärkt.

1505 Hochrechnung Stimmbeteiligung
Die hochgerechnete Stimmbeteiligung beträgt 52 Prozent. Der Fehlerbereich ist hier +/-3 Prozent. Das ist so oder so ein überdurchschnittlicher Wert, – verglichen mit anderen Abstimmungstagen. Normal ist 45 Prozent. Es dürfte zu einer beschränkten Schlussmobilisierung gekommen sein. Die letzte Umfrage ergab 18 Tag vor der Abstimmung eine gesicherte Beteiligungsabsicht von 46 Prozent.

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Es gibt einen offensichtlichen Zusammenhang zwischen der Zusatzmobilisierung einerseits, und der Höhe der Zustimmung zur Ausschaffungsinititive. Je klarer das Ja dazu ist, desto klarer ist der Teilnahmewerte diesmal über dem Mittel.
Dieser Zusammenhang ist bei der Steuergerechtigkeitsinitiative kaum gegeben.

1400 Hochrechnung Ausschaffungsinitiative und Gegenentwurf / Dynamik der Meinungsbildung
Die Hochrechung zur Ausschaffungsinitiative liegt vor. Sie ergibt beim Volksmehr 53 Prozent Ja zur Initiative, und 47 Prozent Ja zum Gegenvorschlag. Der Fehlerbereich beträgt jeweils +/- 3 Prozent. Aussagen zum Ständmehr sind noch nicht möglich.

Der Vergleich zwischen Vorbefragungen einerseits, Hochrechnungen anderseits lässt die Effekte der Schlusskampagne abschätzen. Bei der Initiative legte das Nein zu, beim Gegenwurf indessen das Ja. Das spricht dafür, dass sich bei der Initiative vor allem der Trend aus dem Abstimmungskampf fortsetzte, mit einer Erosion der Zustimmung, wohl aber mit einer Kompensation durch die Schlussmobilisierung. Demgegenüber wurde beim Gegenwurf am Schluss noch taktiert, vor allem in der deutschsprachigen Schweiz. Das kann von links der Fall gewesen sein, nicht auszuschliessen ist auch ein kleiner Anteil Wechsler von der Initiative zum Gegenentwurf.

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Typ: Potenzielle Mehrheitsinitiative fast ohne Meinungswandel

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Typ: Behördenvorlage mit beschränkter Themenführung durch Behörden und beschränktem Meinungsaufbau

Die Ergebnisse sind jetzt mit einer Fehlerbereich von +/-2 Prozent versehen. Beim Ständemehr zur Volksinitiative gibt es zwar auch noch eine kleine Unsicherheit, aber keine relevante mehr.

1330 Hochrechnung Steuergerechtigkeitsinitiative / Dynamik der Meinungsbildung
Die Hochrechnung zur Steuergerechtigkeitsinitiative liegt vor. Demnach scheitert die Vorlage mit 58 Prozent Nein, und auch das Ständemehr zeigt Richtung Nein. Das liegt ausserhalb des Fehlerbereichs von +/-3 Prozent. Es bestätigt sich der Trend, den man zwischen der 1. und 2. Vorbefragung erkennen konnte. Extrapoliert man diese bis zum Abstimmungstag, ergibt das praktisch das Gleiche wie in der Hochrechnung.

Wir rechnen mit einem starken Stadt/Land-Gegensatz, und einem Unterschied zwischen deutschsprachiger und französischsprachiger Schweiz, der aber geringer ist als der erstgenannte Konflikt.

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Typ: Potenzielle Mehrheitsinitiative mit Meinungswandel

1235 Trendanalyse Steuergerechtigkeitsinitiative
Der erste Trend liegt vor: Die Steuergerechtigkeitsinitiative wird abgelehnt werden. Sie dürfte an Volks- und Ständemehr scheitern. Wenn wir eine Trendaussage machen, heisst das, wir rechnen mit einem Nein-Anteil von 55 Prozent und mehr.

1215 Kantonale Hochrechnungen
Die Zürcher Hochrechnung ist da. Sie hat noch einen erheblichen Unsicherheitsbereich (+/-5%). Die Steuergerechtigkeitsinitiative wird abgelehnt. Es sind 41 Prozent dafür. Zürich ist für uns ein Trendkanton, damit wird der Trend im Nein mit aller Wahrscheinlichkeit im Nein sein.

Die Ausschaffungsinitiative und der Gegenentwurf liegen praktisch gleich auf, beide bei 49 Prozent. Das Muster ist ähnlich wie in Genf, aber weniger klar.

Die Genfer Hochrechnung ist eingetroffen. Der Unsicherheitsbereich wird hier nicht ausgewiesen. Die Steuergerechtigkeitsinitiative wird gemäss Hochrechung des Kanton mit 51 Prozent Ja ganz knapp angenommen.

In unserer Modellrechnung gehört Genf zu jenen Kantonen, die klar ja sagen müssten, damit es gesamtschweizerisch zu einem Ja kommt.

Die beiden Ausschaffungsvorlagen werden in Genf beide abgelehnt. Die Initiative kommt auf 45 Prozent Zustimmung, der Gegenentwurf auf 43. In der Stichfrage obsiegt er aber. Die Arbeitshypothese für die Romandie ist ein zweifaches Nein, mit viel Taktik bei der Stichfrage.

1200 Einstimmung
Zwischen 80 und 90 Prozent stimmen bei eidgenössischen Volksabstimmungen brieflich. Doch machen das bei weitem nicht alle bei Erhalt der Unterlagen. Letztlich verteilt sich das einigermassen gleichmässig auf die drei Wochen.

Wenig vorhersehbar sind die Effekte der Schlussmobilisierung, die sich dann an den Urnen ausdrückt. Die letzten Wahllokale schliessen um 12 Uhr.
Allgemein rechnet man mit einer überdurchschnittlichen Mobilisierung, das heisst einem Teilnahmewerte von 45 Prozent plus. Wie viel das sein wird, weiss gegenwärtig niemand.

1120 Vernetzung
Die Hochrechnung selber wird auf der Website des Forschungsinstituts gfs.bern dokumentiert. Die Adresse ist: www.gfsbern.ch/hochrechnung.
Erstmals haben wir auch einen Facebook- und Twitter-Dienst eingerichtet. Die Adressen lauten:
www.facebook.com unter “gfs.bern”
www.twitter.com/gfsbern.

1100 Ausgangslage
Abstimmungssonntag: Startschuss zur Volksentscheidung und zur Hochrechnung. Es geht um die Steuergerechtigkeitsinitiative der SP, die Ausschaffungsinitiative der SVP und den Gegenvorschlag hierzu.

Um 12 Uhr gehen die Urnen in der ganzen Schweiz zu, um 1230 geht die Hochrechnung via die SRG-Medien los. Die Hochrechnungen werden bis 15 Uhr abgeschlossen sein. Wir brauchen etwas mehr Zeit als sonst, weil die Ausgangslage mit Initiative, Gegenvorschlag, Volks- und Ständemehr sowie Stichfrage komplexer ist.

Das ist der vorgesehene Ablauf:

. 12 30 Trendrechnung Steuergerechtigkeitsinitiative
. 13 00 Hochrechnung Steuergerechtigkeitsinitiative
. 13 30 Trendrechnung Ausschaffungsinitiative und Gegenvorschlag
. 14 00 Hochrechnung Ausschaffungsinitiative und Gegenvorschlag (nur Volksmehr)
. 14 30 Hochrechnung Ausschaffungsinitiative und Gegenvorschlag (Ständemehr, falls Volksmehr gegeben, Stichfrage, falls Volks- und Ständemehr bei beidem gegeben ist)
. 15 00 Hochrechnung Stimmbeteiligung