Präsidentschaftswahlen in Frankreich: Ergebnis wird in der Schweiz schneller bekannt sein als in Frankreich

In Frankreich schaut man gebannt auf den 22. April 2012. Punkt 20 Uhr soll das Ergebnis der ersten Runde in den Präsidentschaftswahlen vermeldet werden. Eine Neuigkeit wird es dann insbesondere für die Webcummunities kaum mehr sein.

Die Publikation der Wahlergebnisse ist in Frankreich gesetzlich geregelt. Verstösse französischer Medien dagegen können teuer werden. Doch was in Frankreich ein Muss ist, ist in der Schweiz nicht einmal ein Kann. Denn die juristischen Vorschriften aus Paris binden die Medien insbesondere in Genf nicht.

So kündigte Jean-Jacques Roth, Nachrichtenchef des französischsprachigen Radio- und Fernsehens der SRG, gestern abend an, Ergebnisse zu Wahlausgang zu vermelden, sobald sie greifbar und glaubwürdig seien. Das werde ab zirka 17 30 der Fall sein; auf der Website der Sender werde man die verschiedenen intern verfügbaren Hochrechnung veröffentlichen. Um 19 30 werde die französischsprachige Ausgabe der Tagesschau des Schweizer Fernsehens die vorläufigen Resultate der Fernsehnation bekannt geben.

Viel Spielraum haben seine Sender nicht. Denn auch 20min kündigt, wenigstens in der welschen Ausgabe an, die Informationen zu verbreiten, sobald sie verfügbar sei. Schliesslich habe man, angesichts der grossen Nachfrage 2007, viel in die Kapazitäten investiert.

So wird Frankreich punkt 20 00 erfahren, was es schon wissen kann.
A suivre …

Claude Longchamp

Memo an mich … und andere Twitterer!

Von Barack Obama heisst es, er gewinne 40000 Follower im Tag. Ich habe nun 500, 80 alleine aus der letzten Nacht! Das kam so …

Hubert Sickinger ist Parteienforscher in Oesterreich. Er unterrichtet hauptsächlich an der Uni Wien. Parteienfinanzierung ist eines seiner Steckenpferde. Seit einige Tagen verfolge ich ihn – natürlich nur auf Twitter. Gestern nun hat er seinen Verfolgern eine Verfolgerempfehlung geschickt – mit durchschlagendem Erfolg!

Heute Morgen hatte ich 80 neue Follower! Fast alle aus Oesterreich … der Zusammenhang ist (ununtersucht) evident!

Zu danken habe ich aber auch Mathias Binswanger, dem wirbligen Nachwuchs-Oekonomen an der HSG. Der verfasste gestern einen herzhaften Artikel zu unisnniger Forschung, für seine Fachkollegen selbst den Nobelpreis bekommen haben. Die Vorabpublikation des Serienstarts in der BernerZeitung habe ich wohl als einer der Ersten über Twitter verlinkt – gleich sieben Mal ist er im Nu weitergeleitet worden und schwirrt schon in der halben Twitterwelt umher.

Beim Frühstückskaffee (in meinen Ferien) hatte ich alle Hände voll zu tun: Dankes-Twitter schreiben, aber auch Followerlisten lesen. Die witzigste war: “Jesus”, “Barack Obama”, “Claude Longchamp”. Herzhaft lachen musste ich auch beim Tweet “Memo an mich …”! Das mache ich – ausser jetzt – doch lieber nur an mich!

Claude Longchamp

Wenn Piraten im Wind der Zeit segeln …

Die Analyse der Piratenpartei entwickelt sich, fast von Tag zu Tag. Den bisher grössten Bogen spannt Historiker Paul Nolte in der Berliner „taz“. Er deutet die aktuellen Entwicklungen als zeitgemässe Demokratie-Entwicklung, denn diese könne und dürfe nicht mehr auf den Parlamentarismus beschränkt bleiben.


Prof. Paul Nolte, Berlin, über die Piratenpartei als Teil des gegenwärtigen Demokratiewandels

Zuerst war sie ein rein lokales Phänomen, getragen von der Politikverdrossenheit im roten Berlin. Dann wurde sie zum Lebensgefühl einer ganzen Generation, die mit dem etablierten Parteiensystem nicht mehr anfangen kann. Jetzt deutet Paul Nolte, 49, Geschichtsprofessor in Berlin, die aktuellen Veränderungen in der “taz” als ein Symptom des gegenwärtigen Demokratie-Wandels.

Joseph Schumpeter, der Oekonom, interpretierte Demokratie als zeitgenössisches Verfahren zur Bestimmung der Herrschaft. Politökonomen in seinem Gefolge propagieren bis heute das Gleiche: Hauptsache ist, man kann die Regierung direkt oder indirekt wählen, um so periodisch das politische Programm bestimmten zu können.

Daran zweifeln verschiedene Interpreten der Demokratien schon länger. Sie sprechen, wie Benjamin Barber, von „starker Demokratie“, oder wie Jürgen Habermas von „deliberativer Demokratie“. Paul Nolte schliesst sich diesem Diskurs an. „Für eine Entpolitisierung kann ich aber weit und breit keine Anzeichen erkennen. Ich sehe viel eher neue Handlungs- und Artikulationsformen in der Demokratie.“

Historiker Nolte orten einen langfristigen Trend weg von Parteiendemokratie, mit Wahlen und Parlamenten. Die sei in der Nachkriegszeit notwendig gewesen, als Ueberwindung von Diktatur: heute jedoch sei sie angesichts neuer Partizipations- und Transparenz-Forderungen unzureichend geworden.

Dabei ist der Berliner alles andere als blauäugig: „Eine komplizierte Materie wie die Schuldenkrise wird man nicht mit Mitteln … des Straßenprotests lösen können. Dafür brauchen wir nationale Regierungen und europäische Institutionen, die demokratisch legitimiert sind. Auf die derzeitige Krise muss eine Vertiefung der europäischen Integration folgen.“ Dennoch empfiehlt er mehr direkte Demokratie.

Das klassisch-deutsche Argument gegen mehr Bürgerentscheidungen lässt Nolte nicht gelten. Denn direkte Demokratie führe nicht zu Bonapartismus und von da in Faschismus oder Nationalsozialismus. Gerade das Beispiel Deutschland zeige dies. Zwar hätten die sozialen Ungleichheiten in den letzten 20 Jahren zugenommen, einen Trend zum Rechtspopulismus gäbe es aber nicht. Die negativen Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus würden das verunmöglichen. Vielmehr rückten Volksparteien nach links, auch Grüne und Piraten, und bildeten, ganz anders als in den polarisierten Vereinigten Staaten, eine Art ideele Gesamtpartei.

Damit die elektoral bestimmte Politik nicht abhebe, propagiert Nolte Volksentscheidungen, wie jüngst die zu Stuttgart 21. Mit ihr könne das Volk stärker miteinbezogen werden und auch über konkrete Sachfragen entscheiden. Direkte Demokratie sei unabhängig von Einzelentscheidungen wichtig, beispielsweise als Trend gegen die Aushandlung von Politik in Gerichtsverfahren.

Oder anders gesagt: Demokratie können nicht mehr auf den Parlamentarismus beschränkt werden. Sie werde vielfältiger. Die Piraten reagierten dabei am klarsten auf den technologischen Wandel der Gegenwart. „Das Internet bezeichnet den tiefsten Kommunikationswandel seit der Erfindung des Buchdrucks. Es wäre doch erstaunlich, wenn sich das nicht auch in politischen Bewegungen niederschlägt.“

Nicht alles, was ich da gelesen habe, ist neu. Einiges ist, gerade aus Schweizer Sicht, auch typisch deutsch. Doch finde ich das Bild, das Paul Nolte von der heutigen Demokratieentwicklung komponiert, ausgesprochen stimmig. Einmal mehr, erweist sich direkte Demokratie Janus-köpfig: Für die einen ist sie eine konservative Tradition, für die anderen die modernste Politikform. Auf jeden Fall ist sie eine Antwort auf demokratische Herrschaftsformen durch Parteien, die sich bei weitem nicht auf das Parlament beschränkt, sich vielmehr immer deutlicher auch auf Regierungen und Gerichte ausdehnt. Und dazu braucht es, wie Nolte treffend sagt, Gegenkräfte die nicht nur Geschichte haben, nein!, auch für die Zukunft taugen.

Claude Longchamp

Der cleverste Papagei der Wahlprognosen

Vorteil Obama, sagt Polly der Papagei, der 2004 und 2008 äusserst erfolgreich die amerikanischen Präsidentschaftswahlen vorausgesagt hat. Mat Romney würde mit 48:52 dem amtierenden Präsidenten unterliegen, ist sein Urteil.

Polly ist nicht einfach irgend ein Papagei. Er ist so etwas wie der Star unter den Vögeln, die über Wahlen zwitschern.

Genau genommen, ist er nur ein symbolischer Papagei, den er spricht nur nach, was ihm die besten Wahlprognostiker, die ich kenne, vorhersagen.


Quelle: PollyVote

Andreas Graefe aus Bayern, Scott Armstrong aus Pennsylvania, Randall Jones aus Oklahoma und Alfred Cuzan aus Florida haben letztes Jahr am Kongress der amerikanischen Politikwissenschafter ein Paper vorgelegt, das ihre Forecasting-Methode detailliert beschreibt.

Keine Theorie ist präzise genug, um zu sagen, wie man Wahlen vorhersagen kann, sind die Spezialisten überzeugt. Und kein Instrument kann für sich beanspruchen, fehlerfrei zu sein, fügen sie bei. Entsprechend ist ihr Vorgehen pragmatisch: Für gute Wahlprognosen verwende man, was plausibel ist und sich bewährt hat. Nach Auffassung des Spezialisten-Teams sind das

• Wahlumfragen
• Wahlbörsen
• Makro-ökonomische Modelle
• Index-Methoden und
• Expertenurteile

Die systematisch umgerechneten amerikanischen Wahlumfragen ergeben (reduziert auf die Zwei-Kandidaten-Wahl) 52,4 Prozent für Obama. Die Iowa Wahlbörse steht bei 52,9 Prozent. Besser noch steht es für den Amtsinhaber bei der Index-Methode, selber ein Mix aus Merkmalen der Kandidaten, der grossen Themen der zugeschriebenen Kompetenz der Bewerber, damit umzugehen, und der Konstellationen der Wahl. Das alles spricht zu 54,6 Prozent für Obama. Schlechter sieht es für ihn aus, wenn man auf die bewährten makro-ökonomischen und makro-politischen Merkmale abstellt, denn da kommt der jetzige Präsident nur auf 49.9 Prozent Wahrscheinlichkeit, wiedergewählt zu werden.

Zu diesen vier berechneten Werte für den Wahlausgang kommen Expertenurteile hinzu. 16 Fachleute geben hierzu monatlich einmal ihre Einschätzung ab, die dann zu einem gemittelten Wert führt. Aktuell liegt der bei 51,6 Prozent für den Demokraten.

Lange fackelt PollyVote nicht mehr, wenn die fünf Werte beisammen sind, denn dann bildet das Team, das für die Gesamtprognose zuständig ist, ganz einfach einen Mittelwert.

Bei den Präsidentschaftswahlen 2004 und 2008 ist man mit diesem Verfahren, das noch weniger elaboriert war, sehr gut gefahren. Die Vorhersagen zum Wahlausgang waren nicht nur richtig; sie waren auch sehr präzise.

Das hat PollyVote Selbstvertrauen gestärkt. Denn ihre Prognosen finden, ziemlich transparent und frei zugänglich, fast täglich auf ihrer Website statt. Ein wenig mehr davon in der bisweilen aufgeregten Wahlberichterstattung der Medien über Primaries der Republikaner und die Politik des demokratischen Präsidenten wäre sichernlich angeziegt!

Vor einem muss ich allerdings warnen. Ganz stabil sind die vorhergesagten Werte nicht. Am 7. Mai 2011, unmittelbar nachdem Osama bin Laden niedergestreckt wurde, war Obama rund 54,1 Prozent auf dem bisherigen Höhepunkt seiner Wahlchancen. Tiefpunkt war der 4. November, als Polly, der cleverste Papagei unter den Wahlprognostikern, ihm noch 50,4 Prozent der Voten vorhersagte.

Immerhin, Mehrheit ist Mehrheit!

Claude Longchamp

Wenn heute Bundestagswahlen wären …

6 deutsche Umfrageinstitute haben zwischen dem 21.3. und 4.4. 2012 die von ihnen ermittelten WählerInnen-Stärken publiziert. Wahlumfrage.de hat sie sauber dokumentiert – und ich mache hier einen kleinen Kommentar.

Wenn heute Bundestagswahlen wären, wäre die Piratenpartei nicht nur im Parlament; sie wäre mit einem Plus von 6,3 Prozentpunkten auch die eigentliche Wahlsiegerin. Gegenüber 2009 zulegen würden auch die SPD (+4.5%) und die Grünen/B90 (+3.3%). Ein kleines Plus von 1,8 Prozentpunkten gäbe es schliesslich für die CDU.

Eigentliche Verliererin der (unterstellten) Bundeswahl wäre die FDP, die 11,2 Prozentpunkte Wähleranteil verlieren und aus dem Bundestag fliegen würde. Ein beträchtliches Minus von 4.4 Prozentpunkten würde es auch für die Linke absetzen.

Mit anderen Worten: Die jetzige schwarz-gelbe Regierung würde abgelöst; ohne das sich eine eindeutige Alternative aufdrängen würde. Rot-grün würde zwar kräftig zulegen, bliebe aber klar unter der absoluten Mehrheit. Das hat vor allem damit zu tun, dass im 5 bis 6 Parteiensystem nur die grosse Koalition als Bündnis aus zwei Parteien mehrheitsfähig wäre.

Herausgegriffen habe ich hier nicht eine beliebige Umfrage, die morgen schon überholt sein könnte. Vielmehr handelt es sich um die Mittelwerte der Abweichungen aus den sechs jüngsten Wahlbefragungen in Deutschland. Dazu beigetragen haben die führenden Wahlforschungsinstitute Allensbach, GMS, Forschungsgruppe Wahlen, Forsa, Emnid und dimap.

Die Aussagen über Gewinner- und Verliererinnen sind bei allen sechs Umfragen genau gleich; das Ausmass der angegeben Veränderungen variiert – am wenigsten bei der FDP mit maximal 1 Prozentpunkt Streubereich, am meisten bei den Piraten, für die zwischen 3 und 9 Prozentpunkte Zuwachs resultieren. Das hat Konsequenzen auch für die SPD, bei der die verschiedenen Umfragen zwischen 2 und 7 Prozentpunkten Gewinne angeben. Bei den Grünen sind es zwischen 2 und 5.

Das spricht dafür, dass nebst der Hauptverliererin FDP auch die Sicherheit der Entscheidungen bei den ehemaligen WählerInnen von Rot-Grün volatil sind.

Wahlumfrage.de, eine unabhängige Plattform zur angewandten deutschen Wahlforschung, ermittelt im 2-3 Wochenrhythmus solche Mittelwerte. Das lässt auch gesichertere Trendaussagen zu: Demnach verlieren die Grünen seit Anfang Jahr an Wählerstärke. Das galt bis zu Beginn des Monats März 2012 auch für die SPD; seither schwanken die Werte – ohne eindeutigen Trend. Konstant, wenn auch nur leicht zulegen konnte die Linke, derweil der Anstieg der Piraten ein Phänomen der letzten Wochen ist. Oder anders gesagt: Die jetzige Regierung verspricht wegen des Einknickens der FDP wenig für die Zukunft, das bekannte Rot-Grün überzeugte als Alternative aber auch nicht wirklich.

In den Umfragen profitiert bis Ende Februar 2012 die CDU von den aktuellen Umwälzungen; neuerdings leidet auch sie unter Abwanderungen.

Nur bei der FDP ändert sich eigentlich nichts an der fast schon auswegslosen Lage.

Claude Longchamp

Sarkozy oder Hollande?

In knapp 3 Wochen wählt Frankreich den Präsidenten – wenigens “au pre- mier tour”. Dabei wird höchstwahrscheinlich nur bestimmt, wer sich “au deuxième tour” gegenüber stehen werden. Sarkozy vor Hollande im ersten, umgekehrtes im zweiten bilanzieren die Umfragen die Absichten der Wahlberechtigten.

In Frankreich verfügen Medien, Parteien, je selbst der Staat ausgiebtig über Umfragen. In Wahlkampfzeiten erscheinen mehrere die Woche im Fernsehen, in den Magazinen und in den Zeitungen. So ist es üblich geworden, nicht nur zu schauen, welches Institut welche Resultate liefert, sondern alle Resultate in eine Serie zu bringen (selbst wenn sie von der Erhebungsart unterschiedlich sind). Zudem simuliert man schon früh nicht nur, was wäre, wenn heute schon der erste Wahlgang wäre, sondern auch, wer in welcher Konstellation für den zweite welche Chancen hat. Die besten Uebersichten über all diese Informationen bieten die Websites www.sondages-en-france.fr und sondage2012.

Die jüngste der so dokumentierten Umfragen gibt Präsident Nicolas Sarkozy die leicht grösseren Chancen als seinem Herausforderer François Hollande; indes, nur für den ersten, nicht für den zweiten Umgang.

Denn in der ersten Runde spielt viel Taktik mit. KandidatInnen, die sich für den zweiten Wahlgang zurückziehen müssen, taktieren um die Plätze innerhalb der Lager, um sich oder ihre Partei zu empfehlen. So sind, für die Wahlen vom 22. April nicht weniger als 15 BewerberInnen im Spiel.

Die beiden Favoriten für das Endspiel anfangs Mai stehen eigentlich seit Beginn des Wahlkampfes eigentlich fest: Es sind dies Nicolas Sarkozy, der jetzige Präsident, und Françopis Hollande, der Konkurrent aus den Reihen der SP. Drei weitere BewerberInnen sind noch einigermassen dabei: Marine Le Pen vom rechten Front national, François Bayrou für die Zentristen und Jean-Luc Mélenchon für die Linke. Alle anderen 10, die angetreten sind, sind aussichtslose MitbewerberInnen.

Seit den stark medialisierten Vorwahlen, erstmals von der Sozialistischen Partei durchgeführt, um die Kandidatur fürs Elysée zu bestimmen, ist François Hollande der Favorite links der Mitte. Lange zeit führte er mit seinem Programm für einen neues soziales Projekt auch landesweit bei den WählerInnen. Immerhin, Präsident Nicolas Sarkozy, der auf nationale Werte setzt, hat sich mit dem Attentat in Toulouse im rechten Elektorat empfehlen können.

Bezogen auf den ersten Wahlgang liegen Sarkozy und Hollande zwischenzeitlich praktisch gleich auf; aktuell hat der amtierende Präsident einen minimalen Vorsprung, knapp unter der 30 Prozent Grenze. Le Pen und Mélenchon kommen je auf knappe 15 Prozent, wobei beim linken Zusatzbewerber die Kurve nach oben geht, bei der rechten umgekehrt nach unten verweist. Bayrou liegt seit längerem knapp über 10 Prozent. Was den zweiten Wahlgang betrifft, sind die Verhältnisse umgekehrt. Da liegt Herausforderer Hollande unverändert vor dem Präsidenten. Mittet man die Tagesschwankungen ein, kann man aktuell von einem Vorteil für den Sozialisten im Verhältnis von 55 zu 45 ausgehen. Hauptgrund: Den ZentrumswählerInnen ist und bleibt das Taktieren des Präsidenten um die Macht verdächtig.

Sarkozys Handicap ist seine chronische Unpopularität, die er sich schon kurz nach der Wahl eingehandelt hat; keiner der bisherigen Präsidenten kannte während seiner Amtszeit dauerhaft so tiefe Zustimmungswerte wie er. François Hollande wiederum erscheint im Vergleich volksnaher und eher fähig, die Franzosen zu einigen. Sarkozy hat seine Stärke als Staatsmann, und ihm traut man eher zu, unpopuläre Entscheidungen zu treffen.

Auch wenn der Medienwahlkampf stark personalisiert ist, die Franzosen sagen von sich selber, dass die Themen für sie wichtiger sind als die Kandidaten und Parteien. Da liegt denn auch der Schlüssel für die Vorteile von Hollande in der zweiten Runde. Arbeitslosigkeit, soziale Sicherheit und Stärkung der Kaufkraft gehören traditionellerweise zu den von links besetzten Themen, und der SP-Bewerber kann in den prioritären Problemfeldern punkten. Ganz anders Sarkozy, der in Wirtschafts- und Sicherheitsfragen vor seinem Widersacher liegt, damit jedoch nicht die Hauptthemen der WählerInnen besetzt.

Bleibt abzuwarten, wer in den zweihalb Wochen, die noch folgen, besser mobilisiert. Denn es zeichnet sich keine besondere Beteiligung ab. Gut 70 Prozent gegeben im Moment an, an den Präsidentschaftswahlen teilnehmen zu wollen. Da bleibt noch einiger Spielraum für Veränderungen.

Claude Longchamp

Twittprognosis ?????????????

Am Sonntag schon bin ich auf Twittprognosis gestossen; darüber zu bloggen getraute ich mich am 1. April nicht, weshalb ich das heute nachhole. Mit der Frage an die Weisheit der Viele: Wer und was steckt hinter dieser Weise der …

Die neueste Grafik ist spektakulär: Eine Prognose für die Piratenpartei in jedem deutschen Bundesland. Mit 13 Prozent ist Berlin Rekordhalter, während in der neueste Spross in der deutschen Parteienlandschaft in Baden-Württemberg auf 2,5 Prozent kommt.

Vertrieben wird die Darstellung von “twittprognosis”. Genauso wie viele andere, höchst interessante Vorhersagen.
Nur, was twittprognosis ist erfährt man kaum; die kürzeste Selbstdarstellung lautet: “Scientificly ascertained prognoses for elections worldwide based on CATI, Online-Panel, Prognosis, Online-Polls, Face-To-Face-Interviews and Election Results.”
Eine Homepage ausserhalb von Twitter gibt es nicht; selbst google findet hierzu nicht. Auf wikipedia eine grosse Leere, einzig irgendwo versteckt ein Kommentar, der twitter-Dienst suche sich einzunisten, ohne dass man erfahre, was gemacht werden; Fazit, gut geraten sei auch geraten.

An sich finde ich die Weisheit der Viele etwas höchst Interessantes. Hier bleibt die Frage, ist es die Weisheit einiger weniger? Vielleicht hilft mir die Weisheit der Vielen, die mir folgen, weiter, um zu klären, wer und was Twittprognosis ist?

Claude Longchamp

Allianzbildung im neuen Nationalrat: Das Zentrum gibt den Takt vor, braucht aber einen Verbündeten

Die Fraktionen im Nationalrat haben ihre Positionen bezogen und stimmten bisher genau so wahlverwandt wie ihre Wählerschaften. Das zeigt eine Analyse von Christian Bolliger und Samuel Kullmann von Berner Büro Vatter AG, die der heutige Sonntagsblick präsentiert.

Nach einigem Schwanken war kurz vor- und nach den Wahlen alles klar: Das letzte Wahlbarometer, aber auch die Wahltagsbefragung legten auf der Rechts/Links-Achse die Reihung SVP, FDP, BDP, CVP, EVP, GLP nahe, während SP und GPS praktisch identisch positioniert waren. Dabei bildete die linke Wählerschaft, jene von SP und GPS, einen recht homogenen Block, während die Mitte-WählerInnen, jene GLP, EVP, CVP und BDP, das neue Zentrum umfassten. Klar rechts davon stand die SVP-Wählerschaft, am ehesten Mitte/Rechts das Elektorat der FDP.


Verwandtschaften zwischen den Fraktionen: Anteil identischer Stellungnahmen im Paarvergleich

Das Büro Vatter in Bern wertete nun die ersten 507 Namensabstimmung im neu gewählten Nationalrat aus. Zuerst ging es darum, ob die Fraktionen mehrheitlich dafür oder dagegen gestimmt hatte; dann ermittelte man die Verwandtschaften der Fraktionen. Und siehe da: Die Ergebnisse sind praktisch deckungsgleich.

Hier die Lager:

Wiederum haben SP und GPS die höchste Uebereinstimmung untereinander. In 95 Prozent der Abstimmungen standen sie bei den Namensabstimmungen auf der gleichen Seite.
Zu 84 Prozent identisch waren die Mehrheiten von CVP/EVP und BDP. Sie bildeten, weitgehend gemeinsam, den Kern der neuen Mitte. Dazu zählt auch die GLP, die mit der CVP/EVP zu 81, mit der BDP zu 80 Prozent übereinstimmt.
Die SVP steht auch im Nationalrat weitgehend für sich; am ehesten noch gibt es eine Konkgruenz mit der FDP, doch bleibt diese bei 65 Prozent stehen.
Auch hier fällt die Einordnung der FDP am schwierigsten aus. Am ehesten zählt sie im Nationalrat aber zum Zentrum, mit dem sie sich in mehr als drei Viertel der Fälle gleich entscheidet. Das ist einiges mehr als vis-à-vis der SVP.


Allianzbildung im neuen Nationalrat: Häufigkeiten der Formationen

Die häufigste Allianz im Nationalrat ist denn auch die Polarisierung “Alle gegen die SVP” (24%), gefolgt von Mitte/Rechts gegen die SP und GPS (19%). Dann kommen die einstimmigen Entscheidungen (13%), die noch etwas häufiger vorkommen als Allianzen von Mitte/Links gegen die vereinigten SVP und FDP (8%). In 5 Prozent gesellt sich die BDP zum rechten Pol resp. in weiteren 6 Prozent tun diese BDP und GLP. Das macht es danm schwer vorherzusehen, wie der Ausgang der Abstimmungen ausfällt.

Alles in allem ist die CVP/EVP mit 90 Prozent am häufigsten bei der Mehrheit, gefolgt von der BDP mit 87 Prozent und der FDP mit 84 Prozent, die noch vor die GLP (80%) zu liegen kommt. SP und GPS stimmen je zu 63 Prozent wie der Nationalrat, während dieser Wert bei der SVP bei 56 Prozent liegt.


Positionierung mit der Mehrheit/entscheidend für die Mehrheit

Hier ist die Studie von Christian Bolliger und Samuel Kullmann innovativ. Denn sie bestimmt zu den bekannten Mehrheitszugehörigkeiten auch die Abstimmungen, bei denen der ein umgekehrter Fraktionsentscheid eine andere Mehrheit bewirkt hätte. Da schwingt dann die SP oben aus, die in 40 Prozent der Entscheidungen die Mehrheiten beschafft, gefolgt von der SVP mit 38 Prozent und der CVP/EVP mit 30 Prozent. Das sind, genau genommen, auch die grössten Abordnungen im Nationalrat.

Das Dossier im Sobli ist vielleicht etwas zahlenlastig. Immerhin, es synthetisiert die ersten Positionsbezüge der Fraktionen nach einem halben Jahr Arbeit. Die Ergebnisse zeichnen aber ein gesichert-differenziertes Bild der Lage im Nationalrat: Ein durchgängiges bürgerliches Lager gibt es nicht mehr, nicht zuletzt weil sich die SVP isoliert hat, mehr auf Eigenprofilierung setzt als auf Zusammenarbeit. Mitte/Links bestimmt die Entscheidungen der grossen Kammer aber ebenso wenig regelmässig; dafür sind SP und GPS zu weit weg vom Zentrum. Am ehesten setzt sich im Nationalrat das Zentrum rund um CVP/BDP, gefolgt von GLP, durch, mit dem die FDP noch etwas Mühe bekundet, faktisch aber dazu gehört.

Numerisch reicht das in der Regel nicht für eine sichere Mehrheit, sodass das Powerplay der Polparteien beginnen kann, wenn nicht einer der beiden Parlamentsflügel frühzeitig eingebunden wird. Da haben sich SP und GPS bisher etwas geschickter verhalten als die SVP und ihre Stimmkraft im entscheidenden Moment in die politische Waagschale geworfen.

Claude Longchamp