Der cleverste Papagei der Wahlprognosen

Vorteil Obama, sagt Polly der Papagei, der 2004 und 2008 äusserst erfolgreich die amerikanischen Präsidentschaftswahlen vorausgesagt hat. Mat Romney würde mit 48:52 dem amtierenden Präsidenten unterliegen, ist sein Urteil.

Polly ist nicht einfach irgend ein Papagei. Er ist so etwas wie der Star unter den Vögeln, die über Wahlen zwitschern.

Genau genommen, ist er nur ein symbolischer Papagei, den er spricht nur nach, was ihm die besten Wahlprognostiker, die ich kenne, vorhersagen.


Quelle: PollyVote

Andreas Graefe aus Bayern, Scott Armstrong aus Pennsylvania, Randall Jones aus Oklahoma und Alfred Cuzan aus Florida haben letztes Jahr am Kongress der amerikanischen Politikwissenschafter ein Paper vorgelegt, das ihre Forecasting-Methode detailliert beschreibt.

Keine Theorie ist präzise genug, um zu sagen, wie man Wahlen vorhersagen kann, sind die Spezialisten überzeugt. Und kein Instrument kann für sich beanspruchen, fehlerfrei zu sein, fügen sie bei. Entsprechend ist ihr Vorgehen pragmatisch: Für gute Wahlprognosen verwende man, was plausibel ist und sich bewährt hat. Nach Auffassung des Spezialisten-Teams sind das

• Wahlumfragen
• Wahlbörsen
• Makro-ökonomische Modelle
• Index-Methoden und
• Expertenurteile

Die systematisch umgerechneten amerikanischen Wahlumfragen ergeben (reduziert auf die Zwei-Kandidaten-Wahl) 52,4 Prozent für Obama. Die Iowa Wahlbörse steht bei 52,9 Prozent. Besser noch steht es für den Amtsinhaber bei der Index-Methode, selber ein Mix aus Merkmalen der Kandidaten, der grossen Themen der zugeschriebenen Kompetenz der Bewerber, damit umzugehen, und der Konstellationen der Wahl. Das alles spricht zu 54,6 Prozent für Obama. Schlechter sieht es für ihn aus, wenn man auf die bewährten makro-ökonomischen und makro-politischen Merkmale abstellt, denn da kommt der jetzige Präsident nur auf 49.9 Prozent Wahrscheinlichkeit, wiedergewählt zu werden.

Zu diesen vier berechneten Werte für den Wahlausgang kommen Expertenurteile hinzu. 16 Fachleute geben hierzu monatlich einmal ihre Einschätzung ab, die dann zu einem gemittelten Wert führt. Aktuell liegt der bei 51,6 Prozent für den Demokraten.

Lange fackelt PollyVote nicht mehr, wenn die fünf Werte beisammen sind, denn dann bildet das Team, das für die Gesamtprognose zuständig ist, ganz einfach einen Mittelwert.

Bei den Präsidentschaftswahlen 2004 und 2008 ist man mit diesem Verfahren, das noch weniger elaboriert war, sehr gut gefahren. Die Vorhersagen zum Wahlausgang waren nicht nur richtig; sie waren auch sehr präzise.

Das hat PollyVote Selbstvertrauen gestärkt. Denn ihre Prognosen finden, ziemlich transparent und frei zugänglich, fast täglich auf ihrer Website statt. Ein wenig mehr davon in der bisweilen aufgeregten Wahlberichterstattung der Medien über Primaries der Republikaner und die Politik des demokratischen Präsidenten wäre sichernlich angeziegt!

Vor einem muss ich allerdings warnen. Ganz stabil sind die vorhergesagten Werte nicht. Am 7. Mai 2011, unmittelbar nachdem Osama bin Laden niedergestreckt wurde, war Obama rund 54,1 Prozent auf dem bisherigen Höhepunkt seiner Wahlchancen. Tiefpunkt war der 4. November, als Polly, der cleverste Papagei unter den Wahlprognostikern, ihm noch 50,4 Prozent der Voten vorhersagte.

Immerhin, Mehrheit ist Mehrheit!

Claude Longchamp