“Die Schuldigen sitzen in der UBS”

Partick Müller, jüngst zum besten Chefredkator der Schweiz gekürt, greift in der heutiger Ausgabe seines “Sonntags” zum Zweihänder: “Die Schuldigen sitzen in der UBS. Mit ihrem Verhalten haben sie die Bank an den Abgrund geführt, dem Finanzplatz massiv geschadet und den Anfang vom Ende des Schweizer Bankgeheimnisses eingeleutet.”

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Titelseite des heutigen “Sonntag”, der voll auf die UBS-Spitze zielt.

Die Zeitung gibt an, den Wortlaut des Vergleichs zwischen den USA und der UBS zu kennen. “Wahr”, das heisst von der UBS nicht bestritten, ist demnach:

Erstens, die UBS unterschrieb die amerikanische Geschäftsvereinbarung zur Vermeidung von Steuerflucht, die 2001 in Kraft trat. Danach durften die Schweizer Banker Kunden in den USA weder besuchen, noch mit ihnen kommunizieren. Trotzdem betrieb die Bank bis 2007 durch ihre Private-Banker ein System, mit dem sie Kunden half, Steuern zu umgehen. Die Geschäfte wurden bis 2007 ausgebaut, obwohl man wusste, dass die illegal waren.

Zweitens, man wusste bis in die obern Etagen seit 2001, dass man im Visier der amerikanischen Steuerbehörde war. Dennoch reagierte man nicht. 2004 wurde der Anreiz für Kundeberater sogar noch erhöht, illegale Geschäfte zu tätigen. 3800 verbotene Sitzung sind bekannt und werden auch nicht bestritten. Erst 2006 wurde man etwas vorsichtig, weil ein Wistleblower Hinweise liefert. Die interne Untersuchung verlief aber im Sand.

Drittens, gemäss “Sonntag” machte die UBS mit diesem Geschäft 120 Million Gewinn im Jahr. Dafür arbeiteten 0,3 Prozent der Kundenberater. Es betraf ein Prozent der Kunden. Es handelt sich damit nicht um ein Kerngeschaft. Eher um eine risikoreiche Nebentätigkeit.

Der Kommentator Müller ist überzeugt, dass die Chefs der Bank vom Komplott gegen die USA-Steuerbehörden wussten, und dem Treiben jahrelang zugeschaut haben. “Was braucht es eigentlich noch, bis sie gehen müssen?”, schliesst er seinen unmissverständlich abgefassten Leitartikel.

Die UBS hat übrigens postwendend dementiert. Weder Verwaltungsratspräsident Peter Kurer, noch CEO Marcel Rohner seien informiert gewesen.

Claude Longchamp

G-20: die Koordination der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer findet ohne die Schweiz statt

Die Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G-20) besteht aus 19 Staaten und der Europäischen Union. Sie ist ein informeller Zusammenschluss, um sich in Fragen des internationalen Finanzsystem zu konsultieren und zu koordinieren. Seit neuesten dienen diese Zusammenkünft als Weltfinanzgipfel, um gegen die aktuelle Finanzkrise vorzugehen.

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An den Treffen der G-20 nehmen die Finanzminister und Zentralbankchefs der G7 und zwölf weiterer Staaten, die EU-Präsidentschaft, der Präsident der Europäischen Zentralbank, sowie die Spitzen der internationalen Währungs- und Finanzorganisationen teil.

Die gegenwärtigen Mitgliedstaaten sind Argentinien, Australien, Brasilien, die Volksrepublik China, Deutschland, Frankreich, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, die Türkei, das Vereinigte Königreich und die USA sowie die Europäische Union.

In der Gruppe der Zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer leben rund 62 Prozent der Weltbevölkerung, die rund 77 Prozent des Welt-Bruttonationaleinkommens vereinigen.

2008 fand auf Initiative des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und des englischen Premierministers Gordon Brown erstmals ein Weltfinanzgipfel statt, an dem ausser den G-20-Mitgliedern auch Spanien und die Niederlande teilnahmen. Er soll am 2. April 2009 in London fortgesetzt werden.

Die zentralen Themen werden die neue, von Gordon Brown vorgeschlagene Finanzarchitektur und die aktuellen Krisenbewältigung sen. Ziel ist es Protektionismus und Wettbewerbsverzerrungen zu ermeiden. Gordon Brown kündigte jüngst an, das Vorgehen gegen Steueroase mit hoher Priorität zu behandeln. Zur Vorbereitung dieses Gipfel am 2. April 2009 in London treffen sich die G-20 Mitglieder an diesem Wochenende in Berlin.

Die Schweiz hat sich letztmals am WEF in Davos bemüht, unter die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer aufgenommen zu werden. Grossbritannien lehnt einen analogen Status wie ihn Spanien und die Niederlande kennen ab. Die Schweiz, und mit ihr die Finanzplätze Zürich und Genf, bleiben von den Verhandlungen ausgeschlossen.

Claude Longchamp

Steueroase Schweiz

Die Assoziation sitzt tief: Oasen sind kleine, blühende Gebiete in ausgetrockneten, grossen Wüsten, die für alle mobilen Menschen attraktiv sind. Steueroasen sind demnach kleine Staaten im Meer der Länder, die für Steuerzahler, die nicht standortgebunden sind, besonders interessant wirken, um Steuern zu vermeiden, was zur Blüte der Steueroasen beiträgt.

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Der lockere Einstieg sei hier erlaubt, da es bis heute keine politoekonomisch anerkannte Definition von “Steueroasen” gibt. Alternativ wird auch das Wort Offshore-Finanzplatz verwendet.

Zur politischen Oekonomie von Steueroasen
Oekonomische Indikatoren der Bestimmung von Steueroasen sind etwa

. eine liberale Wirtschaftspolitik
. niedrige Steuersätze
. eine hohe Zahl von Briefkastenfirmen und
. ein ausgebautes Bankgeheimnis.

Hinzu kommen als politische Kennzeichen Stabilität und eine gute Regierungsführung, die Sicherheit einerseits, Abwesenheit von Korruption anderseits garantieren.

Steueroasen ziehen Gewinne, Vermögen und Einkommen an, die von Privatpersonen oder Unternehmen in Hochsteuerländer erzielt werden, weil sie in den Niedersteuerländern zu günstigeren Konditionen versteuert zu werden.

In der ökonomischen Theorie der Politik werden Steueroasen unterschiedlich beurteilt. Auf der Systemebene geht von ihnen der Druck auf umliegende Gebiete aus, ihre Steuer nicht zu erhöhen. So haben alle einen Nutzen davon, weil sie das egoistische Handeln der PolitikerInnen korrigieren. Auf der Akteursebene hingegen benachteiligen Steueroasen den Handlungsspielraum von grossen Ländern, die gezwungen sind, ein komplexeres Gemeinwesen zu unterstützen und eine ausgebautere Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, um das Wirtschaftsleben aufrecht zu erhalten.

Massnahmen gegen Steueroasen
Die OECD startete 1998 die sogenannte „Harmful Tax Competition” Initiative, mit der 41 Länder identifiziert wurden, deren Steuergesetzgebung mit einem fairen Steuerwettbewerb nicht konform waren. Die Schweiz, Oesterreich, Luxemburg und Belgien widersetzen sich der Initiative anfänglich, weil sie ihre Bankgeheimnisse bedroht sahen. Zwischenzeitlich sind die Kriterien gelockert worden, sodass sich nur noch Andorra, Liechtenstein und Monaco auf der schwarzen Liste befinden.

2005 wurde von der EU die Richtlinie zur Zinsbesteuerung eingeführt, ohne dass sie den erwarteten Erfolg zeigte. Wiederum widersetzen sich die Schweiz, Luxemburg, Belgien und Österreich. Gemeinsam setzen sie eine Quellensteuer auf bestimmten Kapitalerträgen durch, um den weitergehenden Austausch von Informationen zu vermeiden.

Kontroverse um die Schweiz
Angesichts der Finanzkrise kündigten im Oktober 2008 die französische und die deutsche Regierung an, die Massnahmen zur Austrocknung von Steueroasen zu verschärfen. Demnach könnte die schwarze Liste der OECD unter anderem mit Ländern wie der Schweiz ergänzt werden. Erwogen wird, die Steuerbefreiung für Dividenden von Unternehmen in unkooperativen Staaten auszusetzen.

Die Schweiz betonte wiederholt, sich an die Vorgaben der OECD zu halten, befindet sich aber mit der EU in einem schon länger anhaltenden Steuerstreit, der innerhalb einer limitierte Zeit geregelt werden muss. Für verbreitete Ablehnung sorgten Ende 2008 der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück, als er an einer Medienkonferenz der Schweiz mit der Peitsche drohte, wenn sie nicht kooperiere.

Claude Longchamp

Tax Justice Network

Das “Netzwerk für Steuergerechtigkeit”, wie es auf Deutsch heisst, ist eine international ausgerichtete Nichtregierungsorganisation, die sich für eine demokratisch bestimmte, progressive Verteilung der Steuerlast und für Transparenz auf den internationalen Finanzmärkten einsetzt.

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Geleitet wird das Tax Justice Network (kurz: TJN) von einem internationalen Komitee, dessen Vorsitzender der Schweizer Entwicklungsökonom Bruno Gurtner ist. Das internationale Sekretariat ist in London bei der New Economics Foundation angesiedelt.

Das zentrale Thema des Netzwerkes ist die Kapitalfluch in Steueroasen, die aus drei Gründen abgelehnt wird:

. erstens wegen der Verschlechterung öffentlicher Dienstleistungen wie Schulen, Krankenhäuser, öffentliche Verkehrsmittel
. zweitens, die vermehrte Schuldenaufnahme des Staates und
. drittens, die höhere steuerliche Belastung mittlerer und unterer Einkommensschichten.

Das Netzwerk ist überzeugt, dass diese drei Folgen der Steuerflucht weltweit Demokratien schwächten. Betroffen seien sowohl ärmere Entwicklungsländer wie auch reiche Staaten, denn Kapitalflucht sei ein allgegenwärtiges Phänomen.

Im März 2005 schätzte TJN, das verlagerte Kapital wohlhabender Einzelpersonen belaufe sich auf 11,5 Billionen US-Dollar. Das den Herkunftsländern dadurch entzogene Steueraufkommen betage jährlich 255 Milliarden US-Dollar.

Hinzu kommen nach Ansicht von TJN noch höhere jährliche Einnahmeausfälle durch multinationale Konzerne, die Steueroasen zur Verbuchung von Gewinnen und zur Umgehung interner Verrechnungspreisen benutzten.

Das Netzwerk ist politisch und medial aktiv. Es publiziert regelmässig Berichte, führt Kampagnen, und es unterhält unter anderem eine mehrsprachige Website sowie einen Blog zum Thema “Steuergerechtigkeit”. Für Aufmerksamkeit in der Schweiz sorgte das Netzwerk im Zusammenhang mit der jüngsten Debatte über das schweizerische Bankgeheimnis.

Claude Longchamp

Buchbesprechung: Die Schweiz – ein Schurkenstaat?

Das Buch kommt zum richtigen Moment und aus berufenem Munde: Viktor Parma und Werner Vontobel, zwei führende Wirtschaftsjournalisten der Schweiz, haben vor wenigen Tagen ihren Report “Schweiz als Schurkenstaat?” im deutschen Bertelsmann-Verlag veröffentlicht.

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Das Buch zur aktuellen wirtschaftspolitischen Debatte weltweit und in der Schweiz

Im Nachwort beschreiben die Autoren, wie es ist, von der Geschichte eingeholt zu werden. Als man das Buch 2008 in Angriff nahm, wollte man über die Steueroase Schweiz und ihre Folgen für das Ausland schreiben. Doch dann kam alles schnell anders: “Die realen Ungleichgewichte, denen wir nachgingen, lösten, während über sie schrieben, den Kollaps des globalen Finanzssystems aus.” Die Schreibarbeit sei deshlab zum Work in Progress, zur Analyse der Systemkrise, die sich zum Weltendrama entwickelte, geworden.

Darin schwingt viel Dramatisches mit, wie sie Journalisten gerne haben. Doch entspricht es auch der sich überschlagenden Realitäten, die sich in Dutzenden von Bankenpleiten ausdrückt, die grössten Wirtschaftsmächte erbeben lässt, Staaten in ihrem Fundament erschüttert, – und auch die Schweiz nicht verschont. “Die UBS bat den Staat um Hilfe. Die Eidgenossen, mit ihren Geldhäusern zur Schicksalsgemeinschaft verbunden, hatten keine Wahl. Das Parlament musste der teuren Rekapitalisierung der UBS im Dezember 2008 zähneknirschend zustimmen.”

Die vielerorts eingeschlagen Politik besteht auf nationaler Ebene in Garantien, in Investitionen und Steuererleichterung resp. in eigentlichen Ausgaben. Doch bleibt sie nach Auffassung der Autoren sinnvollerweise nicht bei den Feuerwehrübungen. Vielmehr reden sie ähnlich wie Gordon Brown einem institutionellen Rahmen das Wort, der künftige Krisen vorbeugen soll.

Die beiden Wirtschaftspublizisten rechnen damit, dass das zwischenstaatliche Zusammenwirken den Steuerwettbewerb um die grossen Vermögen und Einkommen reduzieren und die reichen Oberschichten zur Mitfinanzierung der Rettungsaktionen einbezogen werden. Sie fordern nach dem Vorbild beim Handel, der Umwelt, der Gesundheit, der Telekommunikation oder der Arbeit eine Weltorganisation für die Geldbranche, deren Aufgabe es sein muss, verbindliche Standards für Löhne, Steuern und ihre nationale Ausgestaltung (durch)zusetzen.

Die Schweiz wird, sind Parma und Vontobel überzeugt, davon betroffen sein, denn sie “mutet ihren Partnern keine kranken Rinder oder gefährlichen Fahrzeuge zu. Sie lässt ihre Finanzinstitute und Kantone aber grenzüberschreitend mit Sondertarifen für ausländische Briefkastenformen, Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Pauschalsteuern für reiche Ausländer agieren.” Das international und national zu ändern, sei die Aufgabe der heutigen Politik.

Am Ende des Buches schreiben sie: Nationalstaatliche Hoheitsrechte, seit dem 30jährigen Krieg und dem Westfälischen Frieden von 1648 die Grundlage der politischen Ordnung, sind durch die Globalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft überholt worden. Es sei an der Staatengemeinschaft eine Rahmenordnung für die Finanzmärkte zu schaffen. Diese werde die Schurken treffen, in der Schweiz, aber auch andernorts auf dem Globus.

Für die Schweiz sei das nicht nur von Nachteil, schliessen sie ihren Appell. Denn es eröffne dem Land auch die Chance, die unwürdige Doppelrolle der Politik zu beenden und ihre Position auf der Weltbühne neu zu bestimmen. “Ein jeder wird besteuert nach Vermögen”, zitieren die Buchmacher auf der letzten Seite Friedrich Schillers Wilhelm Tell”, – und raten der Schweiz, den Gedanken nie zu vergessen.

Claude Longchamp

Viktor Parma, Werner Vontobel: Schurkenstaat Schweiz? Steuerflucht: Wie sich der grösste Bankenstaat der Welt korrumpiert und andere Länder destabilisiert, München 2009

Die Faktfrage: Was ist Sache bei der UBS?

Die Ereignisse überstürzen sich, seit am Spätnachmittag des 18. Februar 2009 bekannt wurde, dass sich der Bundesrat zu einer ausserordentlichen Sitzung treffe. Die Meldungen seither sind zahlreich, vielfältig und verwirrlich, denn sie betreffen das Handeln der UBS, die Verquickung der Grossbank mit dem schweizerischen Staat und insbesondere das Bankgeheimnis resp. dessen Leseweise im In- und Ausland. Ein Klärungsversuch.

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Die UBS ist in den USA im Zwielicht. Sie akzeptiert Busse und liefert Kundendaten aus. Die Finanzmarktaufsicht in der Schweiz stimmt zu und der Bundesrat sieht das Bankgeheimnis nicht geritzt.

Was ist Sache? – Das ist immer die erste Frage, die sich stellt, wenn man Ursachenforschung und Folgeabschätzungen machen will. Diese stehen hier noch gar nicht im Vordergrund. Vielmehr geht es vorläufig um den Versuch, die medial bekannt gewordenen Fakten zum Konflikt zwischen den USA und der UBS herauszuschälen und zu ordnen. Hier das Ergebnis:

1. Die USA hat nach längerer Vorarbeit die UBS ultimativ aufgefordert, die Dossiers ihrer mutmasslichen Steuerbetrüger den Justizbehörden bis am 18. Februar 2009 auszuliefern. Ansonsten drohte ihr die US-Börsenaufsicht mit einem Entzug der Bankenlizenz.

2. Die UBS gesteht am 18. Februar 2009 öffentlich ein, Fehler begangen zu haben, die zu Steuerbetrug führten. Sie wickelt Bankgeschäfte mit amerikanischen Kunden nur noch in den USA ab. Sie bezahlt eine Busse von 780 Mio. Dollar als Wiedergutmachung resp. als Strafsteuer. Die Busse wäre ohne Finanzkrise doppelt so hoch ausgefallen.

3. Die Finanzmarktaufsicht stimmte am 18. Februar 2009 der Auslieferung der Dossier per Notrecht zu, weil sie den Kollaps der UBS befürchtete. Sie gewichtete den Schutz der Privatsphäre der Bankkunden geringer als das öffentliche Interesse. Ihr Vorgehen wird rechtlich kontrovers beurteilt. Die Finma rechnet mit Klagen gegen sie.

4. Der Bundesrat akzeptierte am 18. Februar 2009 die Einschätzung der Finanzmarktaufsicht. Er zeigte sich erstaunt, dass die USA das Ergebnis des laufenden Amthilfeverfahren nicht abgewartet hat. Er wird darin von den Finanzkommission des Parlamentes unterstützt, die rechtstaatliche Bedenken am Vorgehen der USA anmelden. Der Bundesrat akzeptiert die Einschätzung der Finanzmarktaufsicht.

5. Der Bundesrat sieht in mehreren Stellungnahmen das Bankgeheimnis nicht aufgehoben, da es Steuerbetrug nicht schütze. Die Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung wird im Ausland aber nicht gemacht. Formell besteht es unverändert, seine künftige Bedeutung im Auslandgeschäft wird geringer sein.

6. Die bürgerlichen Parteien wollen vehement für den Erhalt des Bankgeheimnisses kämpfen. Die SVP fordert, dieses in der Verfassung zu verankern. Die SP will ein Bankgeheimnis, das dem Vorwurf Bankenkriminalität zu decken, nicht mehr ausgesetzt ist. Die Grünen verstehen angesichts des schurkenhaften Verhaltens der UBS das Vorgehen der USA.

7. In Miami wird am 19. Februar 2009 eine zivilrechtliche Klage eingereicht, wonach die UBS weitere 52’000 Kundendossiers im Wert von 17 Milliarden Dollar wegen Verdacht auf Steuerbetrug ausliefern soll. Die UBS will sich mit juristischen Mitteln zur Wehr setzen, denn sie beurteilt diese Fälle nicht als Steuerbetrug.

8. Die EU erwartet in einer Stellungnahme am 19. Febraur 2009, bei Anfragen seitens eines Mitgliedstaates inskünftig gleich wie die USA behandelt zu werden. Die EU will, dass die Bankgeheimnisse in- und ausserhalb der EU Amtshilfe bei Verdacht auf Steuerhinterziehung nicht mehr blockerien können. Die Finanzmarktaufsicht widerspricht dieser Auffassung. Sie habe gehandelt, um ein Strafverfahren zu vermeiden. Gegenüber der EU verfolge man eine Politik der Zinsbesteuerung.

9. Der britische Premierminister Gordon Brown kündigt am 19. Februar 2009 an, den Kampf gegen Steueroasen am G-20 mit hoher Priorität zu behandeln. Der Druck, Steuerhinterziehung nicht mehr zu tolerieren, werden weltweit zunehmen. Die Schweiz ist am G-20 Gipfel trotz Erweiterung des Teilnehmerkreises nicht direkt vertreten.

10. Das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht erlässt am 20. Februar 2009 eine superprovisorische Verfügung gegen die Auslieferung der UBS-Kundendossiers. Die Wirkung der Massnahme verpfufft jedoch, weil die Unterlagen unmittelbar nach dem Entscheid der Finma ausgeliefert worden waren. Die Finma will bis Dienstag auf die Verfügung reagieren. Bis dann haben Klagen der Betroffenen keine Priorität.

Zur Einordnung: Die Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network geht davon aus, dass auf den diversen Steueroasen 11,5 Billionen Dollar angelegt sind. Die gesamte Summe entspricht einem Drittel des Weltvermögens. Sie rechnet damit, dass die USA dadurch jährlich 100 Milliarden Dollar Steuereinnahmen verliert. In der Schweiz rechnet man damit, dass 6,9 Billionen Dollar Vermögen verwaltet werden, wobei mehr als die Hälfte aus dem Ausland kommt. Die UBS soll zu ihren besten Zeiten 2,7 Billionen Dollar Vermögen verwaltet haben. Seit dem 4. Quartal 2008 verliert sie täglich rund eine Million Kundengelder.

Claude Longchamp

Wi(e)der die unglaubliche Arroganz unter Partnern

Die aktuelle Ausgabe der deutschen Wochenzeitung “Die Zeit” provoziert die Schweiz. Den Gegnern der Bilaterale ist das Recht. Die Befürworter sind schockiert. Eine Auslegeordnung, warum Polarisierungen hüben wie drüben keine Basis für Partnerschaften sind.


Eine Woche vor der Abstimmung in der Schweiz liegen die Nerven blank. Doch in Partnerschaften empfiehlt es sich, sich wechselseitig nicht zu provozieren, bis die Fronten verhärtet sind.

Herausgefordertes Deutschland
Seinen bisher grössten Moment hatte der Deutsche Jorgo Chatzimarkakis, als er im September 2007 seine FDP zur bundesweiten Fusion mit den Grünen aufrief, um eine starke ökoliberale Mitte zu bilden und so die Polarisierung der nationalen Politik zwischen links und rechts zu überwinden. Selber lebt der Politiker diese Verbindung schon, wenn er als Mitglied des Europaparlamentes in Brüssel ist. Dann wohnt “Chatzi”, wie er sich selber gerne nennt, nämlich mit Cem Oezdemir, dem EU-Parlamentarier der Grünen in einer WG. Das ist nicht ohne, denn Chatzimarkakis ist griechischstämmig, während Oezdemir von türkischer Herkunft ist, denn das ist genau das, was man in Brüssel von Zypern erwartet: zusammen zu arbeiten!

Weniger gut klappt die Verständigungsarbeit allerdings, wenn Chatzimarkakis auf die Schweiz angesprochen wird. Da kritisiert der promovierte Agrar- und Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Europarecht die Schweiz in der aktuelle Zeit heftig: »Ich habe hohen Respekt vor der Schweizer Demokratie. Aber ich habe demokratietheoretisch langsam ein Problem damit, dass schon wieder eine kleine Minderheit 490 Millionen Europäer aufhalten können soll.« Und dann kommt’s faustdick: »Die unglaubliche Arroganz muss jetzt mal ein Ende haben! Die Schweiz wäre längst ein rückständiger Fleck in Europa, wenn sie nicht ihr wunderbares Bankensystem hätte und ihre tollen Ausnahmeregelungen. (…) Wer, bitte, legt denn das ganze Geld da drüben an? Die Schweizer müssen wissen: Sie schaden sich selbst mehr als uns, wenn sie am 8. Februar Nein sagen.«

Politik und Wirtschaft parallel entwickeln
Gerade demokratietheoretisch ist die EU, muss man entgegnen, kein Vorbild. Sie ist aus keiner Revolution hervorgegangen, die neues Verfassungsrecht geschaffen hätte, das nun im Sinne der Demokratie gelebt würde. Vielmehr ist sie aus der schlichten Notwendigkeit heraus entstanden, nach den Kriegen weiteres Blutvergiessen mitten in Europa zu vermeiden. Dabei setzten die Gründungsväter der EU auf die Hoffnung, gemeinsame Industrien und gemeinsmer Handel schafften grenzüberschreitende Verständigung.

Daraus ist zwischenzeitlich zwar mehr als eine reine Koordination von Wirtschaftspolitiken durch die EWG entstanden, wohl aber kein austarierter gesamteuropäischer Staat. Unionsbürgerschaft und gemeinsame Wahlen können nicht darüber hinweg täuschen, dass die EU vom Europäischen Rat dominiert und von der Kommission geführt wird. Weit fortgeschritten ist insbesondere der Demokratisierungsprozess des exekutiven Apparates nicht, sodass man die EU besser an wirtschaftlich-pragmatischen Kriterien misst als anhand demokratie-theoretischer.

Wenn schon, müsste man als Politikwissenschafter mit Schweizer Hintergrund einwerfen, dürfte sich diese nicht auf Institutionen der Volksrepräsentation beschränken, sondern auch deren Erweiterung durch direktdemokratische Instrumente in Betracht ziehen. Mit diesen macht die EU erst zögerlich Bekanntschaft. Ein Teil aus Politik und Administration sieht in der erhöhten Involvierung der BürgerInnen durchaus die Chance erhöhter Legitimation. Er ist deshalb bereit, auf BürgerInnen-Partizipation zwischen BürgerInnen-Foren und Volksentscheidungen einzugehen. Ein anderer Teil begreift das alles nur als lästige Blockierungen, die partikuläre Interessendurchsetzung zulasten einer einheitlichen Politik fördere.

Die Schweiz sollte man in dieser Debatte weder über- noch unterschätzen, ist meine Antwort. Unterschätzen würde man sie mit ihrer reichhaltigen Erfahrung gerade mit der BürgerInnen-Beteiligungen im politischen Willensbildungsprozess, wenn diese nicht partnerschaftlich in den EU-Aufbauprozess einfliessen würde. Ueberschätzten würde man sie aber, glaubte man, ihr spezifisch gewachsenes Entscheidungssystem sei das einzig Wahre für Politik und Wirtschaft.

Die Arroganz hüben und drüben abbauen
Hinter beiden Positionen steckt eine unglaubliche Arroganz im politisch-kulturellen Sinne. Denn die EU braucht dringend Demokratisierungen ihres technokratischen Selbstverständnisses von Politikgestaltung. Die jüngsten Ablehnungen von grundlegenden Verfassungsentwürfen in Frankreich, den Niederlanden und in Irland zeigen, wie verbreitet die Distanz der Herrschenden zu den Menschen ist. Ganz zu schweigen, dass es auch Bedenken auf Verfassungsebene in Deutschland gibt und sich selbst Regierungen in Polen und Tschechien sträuben, wenn die Perspektive von unten in der Willensbildung vernachlässigt wird. Das alles gilt, selbst wenn es kaum ernsthafte Kritiken an den wirtschaftlichen Vorteilen des EU-Projektes gibt.

Umgekehrt braucht die Schweiz dringend mehr Spiegelungen ihres demokratischen Selbstverständnisses. Entscheidungen, die man einmal getroffen hat, sind verbindlich, – gerade um wirtschaftlich kalkulierbare Verhältnisse zu sichern. So gut die Schweiz in innenpolitischen Themen damit gefahren ist, dass man Alles und Jedes immer und wieder in Frage darf, so problematisch ist das, wenn es um wrtschaftspolitische Partnerschaften mit Dritten geht. Denn die Verbindlichkeit von Zusagen auf der einen Seite wird im internationalen Austauschprozess in der Regel durch Unverbindlichkeiten von Zusagen auf der anderen Seite gekontert. Das Klima des Misstrauens, das sich so hochschaukelt, ist keine Basis für dauerhafte Kooperation über Grenzen hinweg. Vielmehr nährt sie die Polarisierung, wie wir es gegenwärtig erleben.

Herausgeforderte Schweiz
Ein “Ja” zur Personenfreizügigkeit gäbe es nur, forderte alt-Bundesrat Christoph Blocher an der Albisgüetli-Tagung 2008 seiner SVP, wenn die EU darauf verzichte, weitere Forderungen zum Bankgeheimnis zu stellen. Wer glaubt, als Oppositionsführer unrealistische Bedingungen zu Abschlüssen stellen zu müssen, kriegt diese mit voller Wucht zurück, denn das Echo Deutschlands an die Adresse der Schweiz lautet heute: Personenfreizügigkeit “Ja”, wenn ihr die Privilegien für Euer Bankensystem weiter wollt.

Jorgo Chatzimarkakis will mit seiner ökoliberalen Idee die blockierende Polarisierung im bundesdeutschen Parteiensystem verhindern. Gut so!, sag ich. Wer Verantwortung für Politik und Wirtschaft übernehmen will, muss aber auch Polarisierungen zwischen Partnern abbauen helfen, füge ich an die Adresse Aller Beteiligter bei.

Claude Longchamp