Wo die Parteiwählerschaft von den Parolen noch nicht überzeugt sind.

Links ist die Befolgung der (voraussichtlichen) Parolen zu den Vorlagen vom 13. Februar 2022 höher als rechts. Die wichtigste Frage stellt sich bei der Partei “DieMitte”, bereits gut mobilisiert, aber mit den höchsten Abweichungen zwischen Elite und Basis. Spannung besteht vor allem bei der Tabakwerbung, ob die Partei da der Position der Fraktion oder der Stimmung unter den Wählenden folgt.

Ueber den Parolenspiegel zu den Vorlagen, über die am 13. Februar 2022 abgestimmt wird, habe ich auf diesem Blog bereits geschrieben. Bei SP, FDP, GPS, GLP und EVP ist er bereits fix. SVP und DM entscheiden in einer Woche.
Zwischenzeitlich ist auch die SRG-Umfrage erschienen, die gute Hinweise liefert, wie die Wählenden (vorerst) stimmen wollen. Nur bei der EVP muss dieser Vergleich ausbleiben, denn die Fallzahl der repräsentativ befragten Personen ist wie allen Parteien mit 2 oder weniger Prozenten Wählenden-Anteil zu klein.

Parolenkongrenzen der grösseren Parteien (Stand: 7.1.2021)

Fett: Gegensätzliche Stimmansichten zur Parole
kurz: Gegenstandpunkt grösser, aber nicht mehrheitlich
Quelle: swissvotes, gfs.bern
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Gegensätzliche Mehrheiten
Das Hauptergebnis lautet: Alle Parteien haben bei einer Vorlage ein Problem, die Wählenden von ihrer (voraussichtlichen) Position zu überzeugen.
Die grösste Abweichung hat die Mitte-Partei bei der Tabakwerbung. Die Fraktion folgte dem Gegenvorschlag und sagte Nein zur Initiative. Die Wählerschaft will aber entgegen der erwartbaren Parole zu 72 Prozent Ja stimmen, nur zu 26 Prozent sind im Nein.
Die DM steht damit aber nicht alleine. Auch bei der FDP und der SVP wollen vorerst je 57 Prozent Ja stimmen, selbst wenn die (voraussichtliche) Parole nein lautet. Das Hauptproblem hier besteht darin, dass der indirekte Gegenvorschlag zur Volksinitiative die Meinungsbildung noch kaum beeinflusst.
Das zweite, grössere Problem zeigt sich bei der GPS. Sie hat beim Versuchsverbot an Tier und Mensch eine Nein-Parole beschlossen. Unter ihren Wählenden wollen aber 62 Prozent ein Ja einlegen. Tendenziell das gleiche Problem hat auch die SP. Allerdings sind es hier gerade 50 Prozent, die entgegen der Parole zustimmen wollen. Hauptgrund hier: Die Wählerschaften beider Parteien sind mehrheitlich weiblich und da ist die Zustimmungsbereitschaft klar höher als bei Männern.
Das dritte und kleinste Problem kennt die GLP. Sie empfiehlt die Stempelabgabe zur Annahme. Unter den Wählenden resultiert aber ein Verhältnis von 43 zu 49 und damit eine relative Nein-Mehrheit.

Angleichung bei Volksinitiativen kann noch kommen
Bei Initiativen könnte sich die Abweichung noch verkleinern. Denn es ist aus Erfahrung wahrscheinlich, dass die Zustimmungsbereitschaft mit dem Abstimmungskampf noch sinkt. Das ist bei der Stempelabgabe nicht so sicher, denn die Ablehnung führt bei den Teilnahmewilligen, und sie kommt von links.
Man kann die tendenzielle Ablehnung der GLP-Wählerschaft auch so sehen, dass die Fraktion der bürgerlichen Politik folgte, die Wählerschaft mit einem Schwergewicht Mitte/Links von der Oppositionsstimmung erfasst wurde. Nur wenn der generelle Tenor noch ändern sollte, ist mit einer Umkehr an der GLP-Basis zu rechnen.

Mittlere Geschlossenheit links höher als rechts
Die bisher grösste Geschlossenheit insgesamt (berechnet auf den Anteilen insgesamt gegen die (voraussichtliche) Parolen) findet sich links. Bei der SP weichen im Schnitt 29 Prozent ab, bei der GPS sind es 30 Prozent. Die GLP folgt mit einer mittleren Abweichung von 35 Prozent an dritter Stelle.
Den Gegenpol bilden die bürgerlichen Parteien. Bei der DM resultiert eine mittlere Diskrepanz von 42 Prozent, bei der SVP und FDP von je 41 Prozent.
Damit korrelieren mindestens ansatzweise die Teilnahmeabsichten der Wählerschaften, wie sie die SRG-Erhebung festhält: Denn je grösser die frühe Abweichung von den (voraussichtlichen) Parolen ist, desto tiefer auch die frühe Mobilisierung. Einzig die Mitte ist bereits mobil, hat aber ein sichtbares Kongruenz-Problem.

Ueberraschungen an den DVs?
Nun ist gerade bei der DM nicht auszuschliessen, dass die DV anders als die Fraktion entscheidet. Denn bei der Tabakwerbung haben erste Kantonalparteien ein Ja beschlossen, und beim Medienpaket wirbt der Parteipräsident mit dem Nein-Komitee gegen die Vorlage, die seine Fraktion befürwortet hat.
Sagt die DV Ja zur Volksinitiative Tabakwerbung sinkt die mittlere Parolenabweichung auf das Niveau der linken Parteien. Aendert sie ihre Position auch beim Medienpaket ist der Effekt weitgehend weg.
Bei einer Zustimmung zur Beschränkung der Tabakwerbung würde zudem die Annahmechance der Vorlage steigen: Denn die Parolen der GLP und der DM sind der zuverlässigste Prädiktor für die Volksentscheidung.
Man kann gespannt sein!