Hanspeter Kriesi gratuliert der SVP schon jetzt zum kommenden Wahlsieg.

Geht man die Kommentare zu Wahlbefragungen und Wahlen durch, zeigen sich zwei sehr unterschiedliche Verwendungen der Begriffe Gewinner und Verlierer. Hanspeter Kriesi stützt sich in seiner Gratulation auf die ein Bedeutung.

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Hanspeter Kriesi, Professor für vergleichende Politik an der Universität Zürich, Autor eines Buches über den Aufstieg der SVP, kommentiert die Ergebnisse des Wahlbarometers

Zunächst: Gewinnerin (oder Verliererin) ist eine Partei, wenn sie hinzu gewinnt, oder wenn sie vergleichsweise verliert. Referenz ist die letzte Wahl.
Sicherste Gewinnerin 2011 ist die BDP. Denn 2007 gab es sie noch nicht. Höchstwahrscheinlich zulegen wird die GLP. Gegenüber 2007 hat sie sich strukturell verbessert. Sie hat sich regional verbreitert. Sie hat in den kantonalen Wahlen zugelegt. Und sie zeigt in allen Umfragen ein Plus, das so gross, dass diese Prognose schon mal gemacht werden kann.
Alles andere ist, heute wenigstens, unsicher: Bei den kantonalen Wahlen haben auch die GPS und die SVP mehrheitlich zulegen können. Die aktuellsten Umfragen verweisen bei der GPS in eine ähnlich Richtung, bei der SVP in die umgekehrte. Bei kantonalen Wahlen verloren haben die SP, die CVP, die FDP. Das neueste Wahlbarometer bestätigt das: die FDP verliert am meisten, die SP am drittmeisten. Bei der CVP ergibt sich aktuelle eine minimal umgekehrte Tendenz.
Zieht man mehr als eine Befragung zu Rate, sind nur die Verluste der FDP konstant. Alles anderen Bewertungen der mittelgrossen und grossen Parteien hängen vom Zeitpunkt der Erhebung ab, denn die dominanten Ereignisse und Stimmungen im Wahlkampf zeigen bei der Mobilisierung und dem Wechselwählen unterschiedliche Wirkungen.

Sodann: Eine Wahl gewinnt, wer am stärksten ist. Das ist die andere Bedeutung des Wortes. Analog verliert man sie, wenn man antritt und nicht gewählt wird. Letzteres ist, im Voraus schwer zu beantworten.
Ersteres kann heute leichter gemacht werden. Denn der Vorsprung der SVP auf die SP beträgt gegenwärtig rund 9 Prozentpunkte. Dass sich da noch etwas Relevantes ändert bis zum 23. Oktober 2011 ist sehr unwahrscheinlich. Das weiss auch Hanspeter Kriesi. So kann hat er nicht zu unrecht, der SVP zu ihrem kommenden Wahlsieg gratuliert, wenn man die zweiten Definition von Gewinn und Verlust verwendet.
Alles andere ist dann auch für den Politologie-Professor schwieriger. Immerhin, sowohl bei kantonalen Wahlen wie auch in Umfragen hat sich hinter der SVP die Reihung SP, FDP, CVP, GPS, GLP und BDP eingespielt. Verändert hat sich das seit in den letzten Monaten nicht. Am knappsten – und damit am unsichersten – ist der Vorsprung der FDP auf die CVP. Gegenüber 2007 ist auch hier die GLP die Gewinnerin. Sie hat die EVP und BDP überholt und sich als sechstgrösste Partei der Schweiz etabliert.

Claude Longchamp