Die Aussichten der Allianz der Mitte nach den Wahlen 2011

Zu den neuen Phänomenen der schweizerischen Parteienlandschaft des Jahres 2010 gehört die “Allianz der Mitte”. Die Koordinierung des politischen Zentrums hat der thematischen Polarisierung einen dritten Machtblock gegenüber gestellt. Was könnte das für eine Neuausrichtung der Regierungszusammensetzung nach 2011 heissen? – Eine Auslegeordnung.

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Im Bundesrat ist es recht einfach: Die Allianz der Mitte, bestehend aus der FDP.Die Liberalen, der CVP und der BDP, stellt gegenwärtig vier der sieben BundesrätInnen – die Mehrheit. Gleiches gilt für den Ständerat, wo man, gemeinsam stimmend, auf 28 der 46 Stimmen kommt. Im Nationalrat ist jedoch alles anders, denn die neue Allianz kommt hier auf 71 der 200 Sitze. Zusammen ergibt das 99 der 246 Stimmen in der Bundesversammlung – oder genau 25 zu wenig, um die Wahlen beispielsweise in den Bundesrat alleine bestimmen zu können.

Was müsste geschehen, damit das neue Zentrum nach 2011 den Bundesrat nach eigenem Gusto bilden könnte? Nötig wären mehr als 45 Prozent der Stimmen oder gut 90 Sitze. Im Ständerat wären rund 30 denkbar. Mit anderen Worten: FDP, CVP, BDP, GLP und EVP müssten um rund 10 Prozentpunkte zulegen.

Gewinne bei der GLP und BDP sind durchaus denkbar – nicht aber in der genannten Grössenordnungen. Oder anders gesagt: Auch FDP und CVP müssten je 3 Prozent stärker werden, und das nicht zu lasten der anderen Zentrumsparteien, damit die neue Allianz im nächsten Parlament, insbesondere in der Bundesversammlung, eine Mehrheit hätte.

Das ist, unter den gegenwärtigen Bedigungen nicht wahrscheinlich. Das heisst auch, dass die Allianz der Mitte die Bundesratswahlen nicht alleine bestimmen kann. So wird sie wohl auch nach 2011 zu machtpolitischen Zugeständnissen an die S-Parteien, wie SVP und SP genannt werden, gezwungen sein. Generell gibt es 3 Stossrichtungen:

1. Eine Koalition mit der SVP oder der SP. Rechnerisch würde das die Mehrheit im Parlament ergeben. Im ersten Fall besteht die Gefahr, dass relevante Bestandteile der Romandie wegkippen, und ihre Interessen in Europa- oder Sozialpolitik von der rotgrünen Opposition mobilisiert werden können. Im zweiten Fall wäre die SVP in der Opposition, und sie könnte namentlich in der deutschsprachigen Schweiz zur wirksamen Opposition werden, die mit dem Referendum zahlreiche Projekte blockieren können. Für beides ist das politischen System der Schweiz, sind aber auch wichtige Bestandteile der politischen Kultur unseres Landes nicht geschaffen.

2. Eine Allianz mit beiden S-Parteien, jedoch unter Wahrung der Vorherrschaft der Mitte. Das könnte beispielsweise so aussehen, dass FDP und CVP je zwei Bundesratssitze hätten, die BDP ihren behalten könnte, und die Rechte wie die Linke mit je einem Sitz beginnen – mit der Aussicht, die Nachfolge von Eveline Widmer-Schlumpf antreten zu können, wenn sie sich konform verhalten. Politisch würde das die SP kaum mitmachen, was zu einer Rotation der linken Vertretung hin zu den Grünen führen könnte. Stimmenmässig könnte das nach 2011 die nötigen 10 Prozent bringen, die einer Mitte-Allianz fehlen, um den Takt bei Bundesratswahlen vorgeben zu können. Die SVP kann sich davon nichts versprechen, was sie nicht schon hat; sie dürfte deshalb ein eigenes Projekt verfolgen.

3. Die Allianz der Mitte könnte wie bisher 4 Sitze beanspruchen, und die parteipolitische Verteilung belassen. Jene S-Partei, die sich im Wahlkampf zentrierter gibt, und die gewillt ist, mehr programmatischen Gemeinsamkeiten mit der Mitte zu tragen, könnte einen zweiten Sitz bekommen. Wäre das die SVP, würde sich die Mehrheitsfrage im Parlament nicht stellen, und auch wenn die SP bei ihrer jetzten Vertretung bleiben könnte, wären Mehrheiten denkbar. Der Preis wäre, dass die SP die BDP wieder mittragen müsste, und die SVP wohl auf Dauer in der Junior-Rolle bliebe.

Jede andere Ueberlegung führt weg von einer denkbaren Mehrheit der Mitte im Bundesrat, womit sich auch die Frage der Mehrheitsverhältnisse in den beiden Parlamentskammer nicht mehr gleich stellen würde. Mit numerischer Arithmetik lässt sich eine dauerhafte Stärkung der Mitte im Bundesrat nicht mehr begründen.

So oder so: Eine Mehrheitspolitik der Mitte via Regierung bedingt entweder, dass das Zentrum numerisch klar gestärkt wird, oder weitere Partner links oder rechts an Bord geholt werden muss.

Claude Longchamp

Zurücktreten? Abwahl riskieren? Bei der CVP andocken? Oder ganz einfach Wahlen gewinnen?

Kaum sind die Bundesratswahlen vorbei, wird die Diskussion über die richtige Sitzverteilung in der Schweizer Regierung neu lanciert. Stabilitätswunsch hin oder her. Die NZZ präsentiert einen Vorschlag des Luzerner CVP-Ständerates Konrad Graber, der einen Verbleib der BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf im Bundesrat auch über 2011 vorsieht.

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Mitten in aktuellen Spannungsfeld befindet sich BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Mit der Gesamterneuerungswahl 2011 wird man sie unter keinen Umständen mehr als gewählte SVP-Bundesrätin bezeichnen können. Ob ihre Partei, die BDP, selber auf 10 und mehr Prozent kommt, ist fraglich, sodass es an einem numerischen Grund für die Ersetzung des SVP- durch einen BDP-Sitz fehlt.

“Die SVP wird sich 2011 nochmals gedulden müssen”, diktierte der Luzerner Ständerat Konrad Graber der NZZ ist elektronische Notizbuch. Er plädiert für einen Uebergang zur (nicht weiter definierten) inhaltlichen Konkordanz. Der Grundsatz ist einfach: Wer die gemeinsame Politik des Bundesrates mitträgt, wird gestärkt, wer das nicht macht, wird geschwächt. Das zielt mit Sicherheit auf SVP und SP.

CVP-Fraktionschef Urs Schwaller möchte die Systemdiskussion gleich im Rahmen der anstehenden Regierungsreform führen. Wähleranteile mag er als einzige Richtschnur nicht gelten lassen: Es gelte Wege zu finden, um die Kräfteverhältnisse im Ständerat besser im Bundesrat abzubilden. Eine Variante sei, die Sitze an Blöcke, nicht an Parteien zu vergeben. Eine andere ist, dass die BDP nach den nächsten Wahlen bei der CVP andocke, um Widmer-Schlumpf abzusichern.

Das Ganze ist als Angebot gedacht, dass FDP und CVP (unter Einschluss der BDP) je zwei Bundesräte bekommen, und sich die Allianz der Mitte die Mehrheit im Bundesrat sichert. Bei sieben Sitzen bedeutet das aber, dass die Polparteien noch drei zu Gute hätten. Die würden aufgrund der inhaltlichen Uebereinstimmungen mit dem Regierungsprogramm vergeben, wobei sich SVP, SP, wohl auch Grüne bewerben könnten.

Das Problem dabei ist, dass die Mitte nur im Ständerat über eine Mehrheit verfügt, nicht aber im Nationalrat. Zudem wäre eine Mehrheit der Allianz in der Bundesversammlung nötig, um das Dispositiv überhaupt aufziehen zu können. Aktuell fehlen hierfür knapp 20 Sitze.

So bleibt die Einschätzung, dass es sich um einen neuerlichen Versuch der CVP handelt, zu einem zweiten Bundesratssitz zu Lasten der FDP zu gelangen. Die Rechnung ginge dann so: Widmer-Schlumpf wird Mitglied der Zentrumsfraktion, die über den Sitz verfügt, wenn sie zurücktritt. Diese überholt auf diese Weise die FDP, die dann nur noch vierte politische Kraft ist, und gemäss Aussagen Pellis 2011 auf einen Sitz verzichten müsste. Der wiederum könnte auch jener der Romandie sein, wenn Rime als SVP-Vertreter in den Bundesrat einzieht.

Denn die SVP ist längst entschieden. Als wählerstärkste Partei propagiert sie seit 2003 die rein arithmetische Verteilregel, basierend auf WählerInnen-Anteilen. Abwahlen auf dieser Basis schliesst sie nicht aus. Ihr Plan A dürfte gegen Widmer-Schlumpf gerichtet sein, ihr Plan B gegen einen weitere Personen. Das bringt auch die SP in Bedrängnis: Sie neigt wie die SVP zur Arithmetik, denn gleich wie die SVP würde sie bei einer inhaltlichen Konkordanz zurückgebunden. Das Abwählen von BundesrätInnen aufgrund von Wähleranteilsverschiebungen war bisher aber Tabu.

Ohne Zweifel: Der Druck auf Eveline Widmer-Schlumpf ist beträchtlich! Soll sie Ende 2011 freiwillig zurücktreten? Soll sie eine Abwahl riskieren? Soll sie bei der CVP andocken? Oder kann sie, ganz einfach, auf einen grossen Wahlsieg zählen?

Die Diskussion, was gut für die für die Schweiz ist, ist lanciert.

Claude Longchamp

Die Mitte-Politik wird konkreter

Eine Woche beherrschten die angekündigte Allianz der Mitte die mediale Szenerie. Wer glaubt, seither sei nichts mehr geschehen, sollte sich besser die Augen reiben. Denn die ersten Auswirkung der Blockbildung in der Parteienlandschaft auf parlamentarischen Entscheidungen künden sich an.

Wenn alles gut geht, sollen bei den Verhandlungen der Parteipräsidenten, die sich zur Allianz der Mitte bekennen, inskünftig auch die Spitzen von EVP und glp teilnehmen. Damit möchte man gestärkt in die gemeinamen thematischen Beratung über eine Allianz der Mitte eintreten.

UBS-Staatsvertrag

Am klarsten sichtbar wurden die Auswirkungen des veränderten Gravitationsfeldes in der Schweizer Politik beim Staatsvertrag zwischen der Schweiz und der USA in Sachen UBS. Bearbeitet von der Wirtschaft, gab die SVP ihre bisherige Opposition gegen den Vertrag auf, der die Auslieferung von Kundendossiers rechtlich besiegelt, mit 35 zu 17 Fraktionsstimmen auf. Sie stellt aber Forderungen: Eine ist klar gegen die Absicht des Bundesrates gerichtet, eine Boni-Steuer einzuführen. Das trifft die SP, lange in der Veto-Position, nun aber ohne Grundlage für ihr Powerplay. Denn mit den Stimmen der SVP bringt die bürgerliche Mitte den Staatsvertrag auch ohne Koppelung mit einer neuen Unternehmenssteuer durch das Parlament.

Gegenvorschlag zur Minderinitiative
Das zweite Dossier betrifft den Gegenvorschlag zur Abzocker-Initiative für Thomas Minder. Hier ist die SVP für einen indirekten Gegenvorschlag auf Gesetzesebene, mit der Bedingung, die Initiative werde zurückgezogen; damit gäbe es gar keine Volksabstimmung. Die SP weibelt für einen direkten Gegenvorschlag, der überrissene Managerlöhne bekämpfen und gleichzeitig mit der Initiative zur Abstimmung kommen soll. Die CVP neigt zuzr SVP, die FDP zur SVP. Doch scheinen die Fronten in Bewegung geraten zu sein. Die CVP lässt nun verlauten, ob formeller oder informeller Gegenvorschlag sei nicht entscheidend, wichtig sei die Sache. Das eröffnet Spielräume.

Eher Mitte/Rechts- als Mitte/Links-Lösungen

Die Entscheidungen sind in beiden Fragen noch nicht getroffen. Bei der Staatsvertragsfrage schwelt der Konflikt, ob inskünftig das Parlament oder wie bis jetzt der Bundesrat solche abschliessen dürfe. Beim Gegenvorschlag zur Minder-Initiative diskutiert man den Abstimmungsmodus über Boni an Generalversammlungen kontrovers.

Im ersten Beispiel ist klar, dass Allianzwechsel von Mitte/Links zu Mitte/Rechts bevorsteht. Im zweiten Beispiel zeichnet sich ab, dass die Mitte sich neu rauft, was den Nationalratsbeschluss kippen und eine Lösung Mitte/Rechts eröffnen könnte. Setzt sich in beiden Fällen Mitte/Rechts durch, gibt es wohl in beiden Fragen keine Volksentscheidungen mehr.

Die Kehrtwende ging von der SVP aus; sie mag sich freuen, damit die SP ausgestochen zu haben. Doch zeigt sich neuerdings viel klarer, wer das sagen hat. Denn die SVP muss nach weniger Tagen des Drucks ihre Opposition in der Sache aufgeben, obwohl sie noch vor einer Woche drohte, ganz in die Opposition zu gehen, wenn die Mitte den Taktstock übernehmen wolle.

Und ist geschehen, was zu erwarten war: Die neue Mitte ist inhaltlich weniger nah bei der SP als bei der SVP. Wenn diese bockt, bleibt die Allianz mit links oder die Klage über die blockierte Politik. Das scheint zu wirken. Sofern Merz bis zu den Wahlen 2011 im Amt bleibt und so den absehbaren Streit im Mitte/Rechts-Lager aussitzt.

Von der Bi- zur Tripolarität der Schweizer Parteienlandschaft

Zwei unterschiedliche Konzepte der politischen Strukturierung haben die Parteien in den letzten Jahr angetrieben: Die breite Zusammenarbeit aller Regierungspartei zerfiel zuerst in eine Blockbildung “Bürgerlichen vs. erstarkte Linke”, dann immer mehr auch in eine “Alle gegen erstarkte SVP”. Beide Bi-Polarisierungen müssen im Politsystem der Schweiz auf die Dauer vermieden werden, wozu ein tripolares Parteiensystem einen Beitrag leistet.

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Mein Kommentar zur laufenden Debatte über die neue “Allianz der Mitte”


Bipolarisierungen in der jüngsten Vergangenheit

Die SVP hat als erste nach ihrem Wahlsieg von 1999 versucht, ihre sachpolitische Isolierung machtpolitisch zu überbrücken. Sie hat der FDP ein Angebot für eine gemeisame Politik von rechts gemacht. 2003 kam es – ganz in diesem Sinne – mit den Stimmen der SVP und FDP zur Doppelwahl von Christoph Blocher und Hans-Rudolf Merz in den Bundesrat, aber auch zu einer Blockade der Gremiums.

Die rechte Bundesratsmehrheit hatte im Parlament keine Entsprechung und erlitt in wichtigen Volksabstimmungen Schiffbruch. Mobilisiert wurde dafür eine rot-grün-schwarze Allianz, die 2007 mit der Abwahl von Christoph Blocher aus dem Bundesrat erfolgreich war. Sachpolitisch zu wenig breit abgestützt, misslang es 2009 indessen, daraus eine Allianz zu bilden, welche der CVP zu Lasten der FDP einen zweiten Bundesratssitz gebracht hätte.

Beide Strategien der Bi-Polarisierung der Parteienlandschaft sind zwischenzeitlich gescheitert. Die FDP konnte ihre Serie von Wahlniederlagen nicht aufhalten, unverändert verliert sie, während die SVP gewinnt. Bei der CVP ist nicht auszuschliessen, dass das Zwischenhoch von 2007 schon vorbei ist, und selbst die letzten treuen nationalkonservativen Wählerinnen noch zur SVP wechseln.

Alte und neue Tripolarisierungen
So überrascht es nicht, dass man erneut über die Tripolarisierung der Parteienlandschaft nachdenkt. Erstmals war das Mitte der 90er Jahre der Fall, als das Nein zum EWR die EU-Beitrittsfrage aufs Tapet brachte. Um scharfe Gegensätze vermeiden zu können, entstand die Politik des Bilateralismus: wirtschaftspolitisch offen, staatspolitisch jedoch ohne Mitgliedschaften mit bindendem Charakter auf EU-Ebene.

Die SVP blieb diesem Projekt gegenüber skeptisch, weil sich die ausgelöste Dynamik nicht mehr aufhalten lässt. Die SP sah darin ihre Chance, gesellschaftlichen Modernisierung mit sozialpolitisch flankierenden Massnahmen durchzusetzen. Unübersehbar ist aber, dass diese Projekt als tragende Brücke über innenpolitischen Gegensätzen an seine eigene Grenze geraten ist.

Der neue Versuch hin zur Tripolarität des Parteiensystems braucht zunächst eine oder einigen Zukunftsvorhaben dieser Art. Deshalb ist es zu begrüssen, dass es sachpolitisch aufgegleist wird und Kerndossiers von FDP und CVP mit einer mittelfristigen Perspektive ins Zentrum gerückt werden. Priorität haben dabei die brüchig gewordenen Aussenbeziehungen der Schweiz, verbunden mit einer koordinierten die Wirtschafts-, Gesellschafts- und Staatspolitik.

Der Bundesrat kann jedoch nicht als übergeordnete Instanz der Parteienkoordination dienen. Das muss von den Parteien selber kommen. Mehrheiten für einen Pol sind nicht gut, vor allem nicht, wenn sie im Parlament nicht abgestützt sind. Das spricht gegen 4 Sitze für die Allianz der Mitte im Bundesrat, zumal eine Mehrheit bei den Parlamentswahlen 2011 nicht in Aussicht ist.

Das politische System als Rahmenbedingung nicht übersehen

Die politische nötige Erweiterung einer Allianz der Mitte kann auch zwei Arten geschehen: mit einem Uebergang zu einem Regierungs- und Oppositionssystem, oder mit wechselsenden Allianzen nach links und rechts, die ihre Zentrum aber in der Mitte und nicht an den Polen hat.

Ersteres wirkt attraktiver, hat aber Tücken: Der Föderalismus zwingt politische Projekte in der Regel politisch in der Mitte anzusiedeln. Die direkte Demokratie verstärkt diesen Effekt, indem politisch aktzentuierte Vorlagen in der Volksabstimmung scheitern.

Allianzen auf Regierungsebene, die nur noch fallweise entstehen, lassen demgegenüber Führung vermissen, fördern Personengerangel in der Regierung, und es mangelt ihnen an politischer Kohärenz, was nicht sinnvoll ist.

Gegenüber dem Status Quo braucht es eine Stärkung der Tripolarität des Parteiensystem könnte dem Abhilfe schaffen, indem es das Zentrum thematisch stärkt. Das wird aber nur mit Partner umsetzbar bleiben, und diese sollten ohne feste Ausgrenzungen nach links oder rechts erfolgen.

Denn das hat die allerjüngste Geschichte uns gelehrt: Selbst Parteien, die in die Opposition gehen, werden im Politsystem Schweiz damit rasch unglücklich und streben deshab bald wieder nach einem neuen Arrangement in Bundesrat.

Für eine Holding aus FDP, CVP und BDP

Eine Woche nun diskutiert man in der Schweiz, ob es eine Allianz der Mitte gibt, und was es dafür bracht. Die NZZ am Sonntag verweist auf den nötigen Ueberbau, den es über den Zentrumsparteien bräuchte, um konstant koordinierte Politik zu betreiben.

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Felix Müller, Chefredaktor der NZZaS

“Debattiertklub”, nennt Felix Müller, Chefredaktor der NZZ am Sonntag” die “Allianz der Mitte” in ihrem gegenwärtigen Zustand leicht despektierlich. Der Idee an sich steht er aber deutlich positiver gegenüber. Denn das Zentrum ist die stärkste politische Kraft in der Schweiz. Doch ist sie, so der hauptsächliche Befund, chronisch zersplittert. Parallel zu ihrer Atomisierung nimmt ihr politischer Einfluss nicht zu, sondern ab.

Müller plädiert dafür, die Latte höher zu legen. Für eine Koalition brauche es einen institutionellen Rahmen. Was in der Wirtschaft eine Holding sei, biete biete in der Politik die Fraktionsgemeinschaft. Denn alles andere zerbricht frühestens bei ersten Belastungsprobe und zerberste spätesten bei ultimativen Elch-Test, den Bundesratswahlen.

Statt einer Zweckallianz von Fall zu Fall fordert Müller in seinem Wochenkommentar eine Koalition aus FDP, CVP und BDP, welche diesen Namen verdiene. Damit geht er klar weiter als CVP-Präsident Christophe Darbelley, und ist er auch konkreter als Fulvio Pelli.

So nachvollziehbar dieser Schritt ist, übersieht man gerne die Nachteile, welche die nationalen PolitikerInnen abhalten. Die Beiträge an die Fraktionen sinken so, was die Allgemeinheit freut, sich aber nicht die PolitikerInnen. Und ihe Redeanteile verringern sich ebenfalls, wie Andreas Ladner, Politologie-Professor in Lausanne, diese Woche richtig analysierte.

Immerhin fem. nimmt die dritte der Forderungen, die seit der Publikation der Allianz der Mitte vor einer Woche im Raum steht, zurecht auf, bevor sie in Vergessenheit gerät. Denn sie ist weniger spektakulär als die Sitzzahl im Bundesrat, aber umso wichtiger, wenn man sachorientierte Politik auf dauer betreiben will.

CVP: sachpolitisch Schritt für Schritt vorankommen

Die CVP will die Zusammenarbeit in der Sache vom Zentrum aus erneuern, um zu sehen, ob die BürgerInnen auf die Zentrierung der Schweizer Politik positiv reagieren, und die Mitte-Parteien 2011 stärken.

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Christophe Darbellay, CVP-Präsident, hätte es vorgezogen, wenn alle Beteiligten über die geplante Zusammenarbeit von FDP, BDP und seiner Partei öffentlich geschwiegen hätten.
“Allianz der Mitte” gefällt Christoph Darbellay besser, wenn er über die Zusammenarbeit seiner CVP mit FDP und BDP spricht. “Liberale Allianz” tönt ihm nämlich zu stark nach FDP. Die wiederum mag die Mitte nicht, spricht lieber von mitte-rechts. Einig ist man sich aber, dass es darum geht, die Kräfte zu sammeln, die regierungswillig seien. Das sind nach 2009, als FDP und CVP bei den Bundesratsersatzwahlen frontal aufeinander prallten, neue Töne.

Nachdem er einige Tage geschwiegen hatte, beteiligt sich nun auch Christophe Darbellay an der öffentlichen Debatte zum Machtkampf der Mitte-Parteien. Neuralgische Themen wie Armee, Ausländerpolitik und UBS-Staatsvertrag hätten gezeigt, dass SVP und SP vermehrt thematische Allianzen eingehen, obwohl sie in der Regel das Gegenteil voneinander wollen. Hauptsache sei, man bremse das Zentrum. Zudem scheuten beide Parteien nicht, regelmässig das Referendum zu ergreifen und Initiativen zu lancieren.

Dem will CVP-Präsident etwas gegenüber stellen. Er liebäugelte schon mit einer neuen Zentrumspartei. Und seine CVP führt gegenwärtig mit EVP und glp eine Zentrumsfraktion unter der Bundeskuppel. Das eine wirkt gegenwärtig zu utopisch und ist vor allem auf der kantonalen Ebene wenig realistisch; das andere könnte 2011 ein Ende haben. So erstaunt es nicht, dass man nach einer Alternative Ausschau hielt.

Für den Walliser Nationalrat sind die Parteiengespräche im Zentrum auf Sachpolitik beschränkt. Diese soll Schritt für Schritt entwickelt werden. Und sie müssen Abstimmungs- und Wahlerfolge ins Zentrum zurückbringen. Denn letztlich bleibt es das Ziel der CVP, aus eigener Kraft den Anspruch auf einen zweiten Bundesratssitz anmelden zu können. 2011 hatte man sich als Zeithorizont hierfür vorgenommen, als man nach der Abwahl von Ruth Metzler 2003 über die Bücher musste.

Die variable Geometrie der politischen Kräfte

Die SP kennt ihren Marktwert unter der Bundeskuppel. Sind sich die Bürgerlichen einig, was häufig der Fall ist, sind die Mehrheiten auch ohne SP-Support klar. Streiten sich aber SVP, FDP und CVP, ist das Zentrum namentlich im Nationalrat auf die Stimmen der SP, allenfalls auch der Grünen angewiesen. Das nennt man variable Geometrie der politischen Kräfte.

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Die laufende Debatte über den Staatsvertrag der Schweiz mit den USA zeigt exemplarisch, was gemeint ist. Von der SVP bekämpft, kann die SP Zustimmung signalisieren, dafür aber mit der Einführung einer Boni-Steuer den Preis diktieren. Das ist im Zentrum zwar wenig beliebt, weshalb man Entgegenkommen verspricht, ohne Verpflichtung eingehen zu wollen. Genauso so analysiert SP-Präsident Christian Levrat das.

Solange in der Schweiz Konsenspolitik betrieben wurde, kam diese Konstellation selbstredend nicht vor. Aktuell ist das im Nationalrat mindestens nicht mehr der Regelfall. Das blockiert zwar nicht alle Geschäfte, erschwert dem Zentrum aber die Arbeit. Alleine kann es im Bundesrat regieren, und es ist gut möglich, dass es dafür auch im Ständerat Sukkurs findet. Doch es droht ein Scheitern im Nationalrat, denn hier können so abgestützte Vorlagen zwischenzeitlich von SVP, SP und Grünen schon in den vorberatenden Kommission gestoppt werden.

Mit dieser Veränderung müssen FDP, CVP und BDP umgehen lernen. Denn es ist eine direkte Folge der Polarisierung bei den Wahlen seit 1995 mit den entsprechenden Veränderungen in den WählerInnen-Anteilen. FDP und CVP sind heute Schwächer als vor 30 Jahren.

Nicht zu verübeln ist ihnen, dass sie bestrebt sind, unter veränderten Bedingungen indessen ihre Schlagkraft zu erhöhen. Das begann nach den Wahlen 2007 mit Parteifusionen und Fraktionsgemeinschaften, fand seine Fortsetzung in der erhöhten Parteidisziplin und wird gegenwärtig mit der Allianzbildung im Zentrum fortgesetzt.

Genauso wenig sollte man aber auch die Polparteien beklagen, wenn auch sie sich heute strategischer verhalten und die Linke Forderungen stellt, wenn die SVP blockt, resp. diese Bedingungen nennt, wenn die SP und die Grünen nicht mitziehen wollen.

Das kann zwar zum Scheitern von Vorlagen führen, oder die Einsicht wachsen lassen, dass es für die Mehrheit in der Schweiz drei grössere Parteien braucht, die am gleichen Strick ziehen. Die BDP im Zentrum ist dafür kein Ersatz, weder parlamentarisch, noch direktdemorkatisch. Die drei, die die Politik führen, müssen allerdings nicht immer die gleichen sein, weshalb man es treffend auch die variable Geometrie der politischen Kräfte nennt.

Die heilige Pflicht der SVP

Nach der deutlichen Attacke, die FDP-Präsident Fulvio Pelli an die Adresse der SVP reiten konnte, gibt die NZZ Toni Brunner in der morgigen Ausgabe das Wort für eine Replik. Die SVP sei unschuldig, müsse die Machtbewahrer in der Mitte anklagen und habe die heilige Pflicht, alleinige Mahnerin auf weiter Flur zu sein.

SWITZERLAND/
Toni Brunner: Die FDP soll zuerst ihre Positionen klären, bevor sie anderen Parteien Vorschriften macht.

Der Allianz der Mitte gehe es nur um Machterhalt, kritisiert SVP-Präsident Toni Brunner seine bürgerlichen Kollegen unter den Parteipräsidenten. Vom Wähleranteil her sei der zweite Sitz im Bundesrat viel ausgewiesener als die vier der Mitte-Parteien. Doch stehe namentlich Pelli wegen seinem Lavieren in der Frage der Weissgeld-Politik unter Druck, gibt der SVP-Chef zurück. Deshalb schlage er momentan wild um sich, treffe er die Falschen.

Die SVP arbeite im Bundesrat loyal mit, habe aber als stärkste Partei nur einen Bundesratssitz, gibt Brunner zu bedenken. Deshalb müsse sie ihre Vorstellung auch anderweitig vorbringen und umsetzen. Man bleibe aber berechenbar, wenn auch unbequem, wie etwa bei der EU-Beitrittsfrage oder tabuisierten Migrationsthemen. Das alles sei “die heilige Pflicht der SVP”, gibt der SVP-Präsident der NZZ zu Protokoll.

Wie schon lange nicht mehr fliegen seit Tagen die Fetzen zwischen den Schweizer Parteispitzen. Denn seit die SVP im Winter 2009/2010 bekundet hat, bei einem Rücktritt von Hans-Rudolf Merz den zweiten Bundesratssitz der FDP anzugreifen, sieht sich der Partner in zahlreichen Kantonen national neu um. Von der Umklammerung der Lobbies versucht man sich seit Wochen zu lösen, und politische sucht man das Heil im Zentrum. Genau das ärgert die SVP. Denn ohne Verbündete in Regierung und Parlament sind ihre Position trotz hohem Wähleranteil für die Partei politisch nicht umsetzbar. Und so bleiben nur die Wahlen 2011, die eine Klärung bringen könnten. Bis dahin ist zu erwarten, dass die SVP ihrer heiligen Pflicht unvermindert nachkommt.

SVP provozieren, um dereinst gemeinsam der SP drohen zu können

Rechtzeitig aufs Wochenende geht Fulvio Pelli in Sachen bürgerlicher Allianz via Interview in der NZZ in die Offensive. Er setzt die SVP unter Druck, nicht zuletzt aber, um gemeinsam die SP fordern zu können.

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Fulvio Pelli: Für eine liberale Allianz der Regierungswilligen (Quelle: NZZ)

FDP-Präsident Fulvio Pelli nimmt dem Treffen seiner Partei mit der CVP und der BDP im Gespräch mit Martin Senti den Nimbus des Anrüchigen. Eingeladen habe die CVP, welche die Teilnahme von BDP eingebracht und die Auslassung von glp und EVP alleine entschieden habe. Die Treffen nennt er einbe bürgerliche Allianzbildung unter Parteien, welche die Schweiz mitregieren wollen. Ausgangspunkt sei die Instabilität des Regierungssystems, weil sich die SP nicht auf vernünftige Positionen einigen könne, und weil die SVP gar nicht mitregieren will.

Die bürgerliche Ausrichtung der Bundesregierung funktioniere sachpolitisch nur noch, weil die drei Parteien vier Sitze hätten. Die SVP verlange nicht zu unrecht einen weiteren Sitz, müsse dafür aber auch bereit sein, gemeinsame Positionen mitzutragen. Denn ohne das erleichtere man das Spiel der SP, von den bürgerlichen Parteien Konzessionen zu erzwingen.

Die jetzigen Gespräche seien in der Sache produktiver gewesen als frühere. Bei Personenfragen müssen man mit offenen Karten spielen, weil sonst nur mehr Probleme entstehen. Beschlossen habe man, dass Profilierungsübungen zwischen FDP, CVP und BDP aufhören. “Denn nur so könne man verhindern, dass unheilige Allianzen dereinst auch die Regierungspolitik blockieren.”

Die Schilderung der Gespräche aus Pellis Sicht nimmt ihnen die Dramatik. Seitenhiebe, vor allem an die Adresse der SVP wegen ihrer abnehmenden Regierungswilligkeit, geben ihr dennoch einen drive.

Das ganze erinnert an die Geburtsstunde der Zauberformel. Damals erpresste die BGB (Vorgängerpartei der SVP) die FDP und KK (Vorgängerpartei der CVP) mit Referendumsdrohungen, welche sich namentlich gegen die aussenwirtschaftliche Offenheit der Schweiz wandten. Das führte zur Inkorporierung der SP ins Regierungslager, was zwar Konzessionen ans linke Lager mit sich brachte, die Veto-Position der BGB aber schmälerte. Denn das bürgerliche Zentrum hatte nun zwei Möglichkeiten, einen Ausgleich zu finden.

Zwischenzeitlich drohen SVP und SP wieder regelmässig mit Referenden, und markieren sie und auch ihre Bundesräte abweichenden Position vor und nach gemeinsamen Entscheidungen. Das bringt das bürgerliche Zentrum regelmässig in die Bedrouille, aus der es sich befreien will. Sachpolitisch ist das gut nachvollziehbar, machtpolitisch hat man diese Woche einiges hinzugelernt.

Nun ist die SVP im Zugzwang, denn ihr gilt das Interview Pellis in erster Linie. Zu lachen hat die SP dabei nicht, denn der Preis für mehr gemeinsame Politik auf bürgerlicher Seite könnte sein, die Linke zu schwächen, durch parteipolitische Umbesetzungen des Stuhls von Moritz Leuenberger, sei es in Richtung einer bürgerlichen Regierung oder unter Einbezug der Grünen ins Regierungslager.

“Arena” von morgen: Allianzen ja, Machtansprüche nein!

Die Arena-Sendung zum Machtpoker im Bundeshaus ist noch gar nicht gesendet. Doch schon werden die Ergebnisse der gestern abend aufgezeichneten Diskussionsrunde bereits übers Internet verbreitet. Mein Kommentar.

Fulvio Pelli, FDP-Präsident, geht in die Offensive. Er habe zum Schulterschluss von FDP, CVP und BDP eingeladen. Begründung: Angesichts der Blockierungen durch SVP und SP sei die Schweiz gegenwärtig nicht führbar. Dem widersprechen die angeschuldigten Parteipräsidenten: Toni Brunner von der SVP und Christian Levrat von SP sind der Auffassung, im Zentrum beabsichtige man, sich schon vor den Parlamentswahlen die Mehrheit im Bundesrat zu sichern.

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Letztlich dreht sich alles um den Sitz von Evelyne Widmer-Schlumpf. Die klarste Aussage hierzu macht Martin Bäumle, Präsident der Grünliberalen: Wenn die bürgerlichen Zentrumsparteien der BDP einen Sitz zugestehen, müssen sich FDP und CVP mit je einem Sitz im Bundesrat begnügen. Mehr als drei Sitze stehen ihnen im siebenköpfigen Bundesrat nicht zu.

Fulvio Pelli insistiert darauf, die Nachfolge von Bundesrat Hans-Rudolf Merz stellen zu können, solange man drittstärkste Partei sei. Mit einem baldigen Rücktritt sei übrigens nicht zu rechnen. Abgerechnet werde nach den Parlamentswahlen.

Ich werde mir die Sendung morgen ansehen. Unvernünftigt scheinen mir diese Aussagen nicht. Denn bei solchen Sendungen entscheiden auch die Zwischentöne.

Mehr Allianz-Bildung im Zentrum ist angesichts der Magnete links und rechts sinnvoll, Machtansprüche über Gebühr anzumelden, goutiert man hierzulande nicht. In einer Konkordanzregierung ist die SVP sicherlich untervertreten.

Wer etwas anderes anstrebt, sollte mit offenen Karten spielen. Verwerflich ist es nicht, sich nach neuen Regierungsformeln umzusehen. Denn die Zahl der Ansprüche liegt klar über der der Sitze. Doch sollten diese nicht aufgrund unsicherer Opportunitäten und abzuwählender Personen diskutiert werden, denn Regierungsstabilität bleibt eines der wichtigsten Kriterien der Demokratie – genauso wie die Frage, wer im Rahmen einer Regierungsreform welchen Beitrag zur Lösung aktueller und kommender Probleme leisten will.