Zurücktreten? Abwahl riskieren? Bei der CVP andocken? Oder ganz einfach Wahlen gewinnen?

Kaum sind die Bundesratswahlen vorbei, wird die Diskussion über die richtige Sitzverteilung in der Schweizer Regierung neu lanciert. Stabilitätswunsch hin oder her. Die NZZ präsentiert einen Vorschlag des Luzerner CVP-Ständerates Konrad Graber, der einen Verbleib der BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf im Bundesrat auch über 2011 vorsieht.

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Mitten in aktuellen Spannungsfeld befindet sich BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Mit der Gesamterneuerungswahl 2011 wird man sie unter keinen Umständen mehr als gewählte SVP-Bundesrätin bezeichnen können. Ob ihre Partei, die BDP, selber auf 10 und mehr Prozent kommt, ist fraglich, sodass es an einem numerischen Grund für die Ersetzung des SVP- durch einen BDP-Sitz fehlt.

“Die SVP wird sich 2011 nochmals gedulden müssen”, diktierte der Luzerner Ständerat Konrad Graber der NZZ ist elektronische Notizbuch. Er plädiert für einen Uebergang zur (nicht weiter definierten) inhaltlichen Konkordanz. Der Grundsatz ist einfach: Wer die gemeinsame Politik des Bundesrates mitträgt, wird gestärkt, wer das nicht macht, wird geschwächt. Das zielt mit Sicherheit auf SVP und SP.

CVP-Fraktionschef Urs Schwaller möchte die Systemdiskussion gleich im Rahmen der anstehenden Regierungsreform führen. Wähleranteile mag er als einzige Richtschnur nicht gelten lassen: Es gelte Wege zu finden, um die Kräfteverhältnisse im Ständerat besser im Bundesrat abzubilden. Eine Variante sei, die Sitze an Blöcke, nicht an Parteien zu vergeben. Eine andere ist, dass die BDP nach den nächsten Wahlen bei der CVP andocke, um Widmer-Schlumpf abzusichern.

Das Ganze ist als Angebot gedacht, dass FDP und CVP (unter Einschluss der BDP) je zwei Bundesräte bekommen, und sich die Allianz der Mitte die Mehrheit im Bundesrat sichert. Bei sieben Sitzen bedeutet das aber, dass die Polparteien noch drei zu Gute hätten. Die würden aufgrund der inhaltlichen Uebereinstimmungen mit dem Regierungsprogramm vergeben, wobei sich SVP, SP, wohl auch Grüne bewerben könnten.

Das Problem dabei ist, dass die Mitte nur im Ständerat über eine Mehrheit verfügt, nicht aber im Nationalrat. Zudem wäre eine Mehrheit der Allianz in der Bundesversammlung nötig, um das Dispositiv überhaupt aufziehen zu können. Aktuell fehlen hierfür knapp 20 Sitze.

So bleibt die Einschätzung, dass es sich um einen neuerlichen Versuch der CVP handelt, zu einem zweiten Bundesratssitz zu Lasten der FDP zu gelangen. Die Rechnung ginge dann so: Widmer-Schlumpf wird Mitglied der Zentrumsfraktion, die über den Sitz verfügt, wenn sie zurücktritt. Diese überholt auf diese Weise die FDP, die dann nur noch vierte politische Kraft ist, und gemäss Aussagen Pellis 2011 auf einen Sitz verzichten müsste. Der wiederum könnte auch jener der Romandie sein, wenn Rime als SVP-Vertreter in den Bundesrat einzieht.

Denn die SVP ist längst entschieden. Als wählerstärkste Partei propagiert sie seit 2003 die rein arithmetische Verteilregel, basierend auf WählerInnen-Anteilen. Abwahlen auf dieser Basis schliesst sie nicht aus. Ihr Plan A dürfte gegen Widmer-Schlumpf gerichtet sein, ihr Plan B gegen einen weitere Personen. Das bringt auch die SP in Bedrängnis: Sie neigt wie die SVP zur Arithmetik, denn gleich wie die SVP würde sie bei einer inhaltlichen Konkordanz zurückgebunden. Das Abwählen von BundesrätInnen aufgrund von Wähleranteilsverschiebungen war bisher aber Tabu.

Ohne Zweifel: Der Druck auf Eveline Widmer-Schlumpf ist beträchtlich! Soll sie Ende 2011 freiwillig zurücktreten? Soll sie eine Abwahl riskieren? Soll sie bei der CVP andocken? Oder kann sie, ganz einfach, auf einen grossen Wahlsieg zählen?

Die Diskussion, was gut für die für die Schweiz ist, ist lanciert.

Claude Longchamp