Provokationen, die sitzen

Die Provokation: Am Sonntag wurden Planspiele ruchbar, wonach sich die Parteispitzen von FDP, CVP und BDP absprechen, minimal für Themen, maximal für die Wahlen in den Bundesrat. Ziel sei es, die vier Sitze der drei Partei in der Bundesregierung zu wahren, allenfalls untereinander zu tauschen.

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Blocher, Hayek und Levrat im gemeinsamen Auftritt: Szene, welche die bürgerliche Mitte irritierte und Anlass bot, eine liberale Allianz zu lancieren, auf die widerum SVP und SP aufgeschreckt reagieren.

Die Reaktionen: Die Antworten der so herausgeforderten Polparteien blieben heute nicht aus. Für SVP-Parteipräsident Toni Brunner ist es klar, die Sitze im Bundesrat müssen nach der Parteistärke verteilt werden, und die SVP hat als wählerstärke Gruppe im Bundeshaus Anspruch auf 2 Sitze. Deshalb werde man bei jedem Rücktritt eigene Kandidaten stellen. Im Vordergrund steht Caspar Baader, der Fraktionschef, der sowohl bei einer FDP- wie auch bei einer SP-Vakanz antreten werde. Das dabei die Konkordanz-Verteilung gestört werden könnte, kümmert den St. Gallen Nationalrat kaum. Vor allem die SP habe sich mehrfach nicht an die Regeln der einvernehmlichen Sitzverteilung nach Parteistärken gehalten; sie könnte dafür büssen müssen.

Für Christian Levrat, den SP-Präsidenten, stellt sich die Frage noch deutlicher. Er droht den anderen Regierungsparteien mit dem Rückzug seiner Partei aus dem Bundesrat, sollte Evelyne Widmer-Schlumpf zu Lasten der SP wiedergewählt werden. Weder von der Parteienstärke sei das gerechtfertigt, noch sie die Justizministerin eine Linke. Wer das übersehe, soll klar stellen, dass der die Konkordanz abschaffen und zugunsten eines Mehrheitssystems umfunktionieren wolle.

Nichts zu verlieren haben die Grünen. Sie schwiegen denn heute zum Vorhaben der Mitte-Parteien. Diese wiederum halten sich zurück. Fulvio Pelli von der FDP und Hans Grunder von der BDP äusserten sich öffentlich gar nicht, und Christophe Darbellay reduzierte die Ansprüche der Allianz auf thematische Absprachen, um unheiligen Allianz vorzubeugen. Ins gleiche Horn stiess auch FDP-Generalsekretär Stephan Brupbacher, der den Ball möglichst tief halten wollte.

Meine Bilanz von heute: Die Provokation sitzt. Wäre an der Geschichte nichts dran, wäre sie wohl auch sofort gestorben. Dass sie diskutiert wird, zeigt, dass der eingeschlagene Nagel getroffen hat. Die Verwunderung darüber ist eigentlich erstaunlich. Die SVP fordert schon länger, die SP im Bundesrat zu schwächen. Grünen ihrerseits wollen eine Konkordanz ohne SVP. Und das liberale Zentrum will eine Mitte und Bundesrat, die stärker ist als ihr Wähleranteil.

Interessant, dass bisher kaum jemand nachgerechnet hat: Das sich neuformierende Zentrum kommt in der Bundesversammlung auf 105 Sitze. Ohne die EVP und glp sind es 99. Das gilt letztlich auch für die SVP, die auf 65 Sitze kommt, während es für rot-grün für maximal 76 Sitze reicht. Bei einer Dreiteiligung der Stimmen in die genannten Blöcke hat niemand wirklich gesicherte Mehrheiten, um den eigenen Willen gegen den der anderen durchzusetzen. Oder anderes gesagt: Wenn SVP, SP und Grüne nicht wollen, dass Evelyne Widmer-Schlumpf Bundesrätin bleibt, kann die Zentrums-Allianz sie nicht halten.

Einen Ausweg anderer Art verkündete heute das Tessiner Parlament. Um ihre Sprachminderheit im Bundesrat besser vertreten zu können, regt sie im Rahmen der laufenden Regierungsreform an, die Sitzzahl des Bundesrates von 7 auf 9 zu erhöhen. Womit wieder alles anders wäre!