Politikwissenschaft in der Wahl-Oeffentlichkeit

Meine 11. und letzte Vorlesung am Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich beschäftigt sich mit der Rolle von Politologen bei Wahlen. Ich plädiere für eine aktive Teilnahme, um den fachlichen Diskurs öffentlich sichtbarer zu machen.

Sollen PolitikwissenschaftlerInnen wie der jetzige Bundespräsident Alain Berset selber in die Politik gehen? Wer Politik betreiben will, soll. Wer das nicht will, hat andere Möglichkeiten.
Geläufig ist die Rolle des (Polit-)ExpertInnen. Jürgen Habermas hat zwei denkbare Positionen verworfen: den allwissenden Guru, der Politiker unter sich sieht, und den Techniker, der Entscheidungen der Politik unhinterfragt optimiert. Er plädiert für den separierten (politik)wissenschaftlichen und den politischen Diskurs, denn beide folgen eigenen Regeln. Doch sollen sie miteinander kommunizieren, wenn es um Ziele und Mittel der Politik geht.
Der Ort, wo das heute bevorzugt stattfindet, ist die mediale Öffentlichkeit. Jungen Politologinnen kann ich nur empfehlen, sich daran zu beteiligen, aber die unterschiedlichen Rollen in der Politik und Wissenschaft nicht zu vergessen.
Häufig machen auch WissenschaftlerInnen Wertaussagen, beispielsweise, dass Demokratie die beste aller Regierungsformen sei. Deutlicher noch wird dies, wenn sie die liberale Demokratie für die beste aller Zeiten halten und illiberale Demokratien ablehnen. Wer normativ argumentiert, ist verpflichtet, die philosophischen Grundlagen des Diskurses und allfällige Einflüsse beispielsweise auf das Erkenntnisinteresse, die Methodenwahl oder Schlussfolgerungen offen zu legen.
Das gilt auch für die Wahlforschung. Wissenschaftliche Rechtfertigungen von Wahlergebnissen sollen nicht partikularer Natur sein, d.h. einer Partei nützen oder schaden. Sie sollen universalistischer Natur sein, d.h. von Vorteilen für die Allgemeinheit ausgehen.
Dies ist durchaus ein Aufruf, das Geschehen der Politik mit der nötigen Distanz zu verfolgen, analysieren und zu kommentieren. Werturteile sind allerdings nicht angebracht, nur weil man sie persönlich teilt, sondern wenn sie fachlich begründet sind.