Wahlprognosen sind besser als ihr Ruf

Die 10. Lehrveranstaltung zur “Wahlforschung zwischen Theorie und Praxis” beschäftigt sich mit Wahlprognosen auf Umfragebasis. Die wichtigste Lehre nach der Trump-Wahl lautet: Die grösste Unsicherheit besteht bei der Beteiligung.

2016

Nach den jüngsten US-Präsidentschaftswahlen war die mediale Klage über die Wahlprognosen laut. Demoskopen und Politikwissenschaftler sind daraufhin zu folgenden Schlüssen gekommen:
• Die Volkswahl wurde korrekt wiedergegeben. Clinton hatte mehr Stimmen als Trump. Die mittlere Abweichung in den Umfragen war nicht grösser als vier Jahre zuvor.
• Falsch war jedoch die Umrechnung auf Elektorenstimmen. Das hat mit mangelhaften Modellierungen und verzerrten Umfragen in einzelnen Bundesstaaten tun.
Hauptgrund ist aber die Veränderung im Teilnahmeverhalten. Die Sicherheit zu wählen, verringert sich. Dafür nehmen Entscheidungen in letzter Minute zu. Dies half diesmal Trump.
Einmal mehr konnte der pauschale Vorwurf, dass in Umfragen vor allem sozial erwünschte Antworten gegeben werden, nicht bewiesen werden.

Eine grosse Untersuchung zur Treffergenauigkeit über Zeit und Staaten kommt zum Schluss, dass es keinen Trend zu besseren oder schlechteren Umfragen gibt. Die Ungenauigkeit beträgt kurz vor dem Wahltag im Schnitt 2 Prozentpunkte. Personenwahlen seien schwieriger zu messen als Parteiwahlen.

Die Erfahrungen in der Schweiz sind ähnlich. Am genauesten waren die Prognosen zu den Nationalratswahlen von 2015. Die mittlere Abweichung der besten Umfrageserie war mit 0.5 Prozent pro Partei weit besser als im internationalen Vergleich. Ungenau sind dagegen Umrechnungen auf Sitze. Zudem sind bei Ständeratswahlen grössere Abweichungen viel wahrscheinlicher als bei Nationalratswahlen.

Wahlprognosen sind besser als ihr Ruf. Eine zur Aufregung vor- und nach der Wahl sind Wahlumfragen eigentlich nicht!

Claude Longchamp