Parteieigene Wahlanalysen haben einen Bias: Sie produzieren fast nur Sieger. Doch das täuscht. Systematische Uebersichten über Veränderungen in Wahlen geben ein klareres Bild über wirkliche Gewinner und Verlierer unter den Parteien.
Die Berner Wahlen galten als Zwischenhalt auf dem Weg zu den Nationalratswahlen. In den Kommentaren der Parteien gab es immer nur Sieger. Die FDP, die am meisten Sitze verlor, verwies auf die Mobilisierungstärke rechts von ihr, die der eigenen Partei abgehe; am Kurs müsse man aber nichts ändern. Die SP, zweitgrösster Sitzverlierer, braucht nicht in die Mitte zu wachsen, denn sie nimmt seit den Nationalratswahlen von allen am meisten zu. Die SVP schliesslich, mit drei Mandaten weniger als vor vier Jahren, erklärte sich zum Sieger, weil sie die an die BDP verlorenen Sitze fast wettmachen konnte.
Das alles sind Interpretationen aus Eigeninteresse, die eine Logik verfolgen: Ja nichts ändern am nationalen Kurs, nur weil eine kantonale Wahl verloren ging. Doch täuscht das nicht selten über den wahren Zustand der Parteien hinweg. Einer der wenigen, der hier kühlen Kopf und Uebersicht behält, ist Daniel Bochsler, Schweizer Wahlforscher in Budapest, der die kantonalen Parteistärken aufgrund von Sitzzahlen in den Parlamenten und Bevölkerungsstärke der Kantone berechnet. Das ist wohl der zuverlässigste Indikator auf Sitzebene. Zudem vergleicht er strickte kantonale Wahlen mit kantonal, und bedient sich nicht des beliebten Trick, nationalen und kantonale Resultate nach Gutdünken zu vermischen.
Demnach hat die BDP seit den letzten Parlamentswahlen auf kantonaler Ebene am meisten zugenommen (+3.0%), gefolgt von der GLP (+1.8%). an dritter Stelle folgt die SVP, die ein praktisch ausgeglichene Bilanz kennt, gleich auf mit den Grünen (je +0.1%).
Grösster Verlierer ist die SP mit einem MInus von 2,3 Prozent, gefolgt von der CVP, deren Anteil sich um genau 1 Zähler verringerte. Leicht rückläufig ist auch der Anteil der kleinen Parteien (-0.4%).
Nicht ganz einfach einzuschätzen ist die Lage bei der FDP. Mit der Fusion zwischen FDP und LPS gehört sie zu den Wachstumsparteien (+2.2%). 3.5 Prozent brachte alleine die LP ein. Faktisch heisst das aber, dass man die Parteistärken von 2007 der beiden Parteien nicht einfach addieren kann, sondern mindestens 1,3 Prozent verloren gegangen sind.
Was heisst das alles? Trotz Zusammenschlüssen wächst die Zahl der relevanten Parteien in der Schweiz um mindestens eine. Der eigentliche Magnet ist dabei die BDP. Egal ob man die BDP zu rechts oder ins bürgerliche Zentrum zählt: Rechts der Mitte wächst um etwa 2 Prozentpunkte. Das Zentrum hat um etwa 4 Prozentpunkte zugenommen, verteilt sich aber auf mehr Parteien ohne eigentlichen Lead. Und links hat um etwas 2 Zähler abgenommen.
Sicher ist, dass es nicht nur Sieger gibt. Die Pole verlieren, es wächst vor allem das Zentrum. Die Verschiebungen sind damit ähnlich wie in Kanton Bern, aber bei weitem nicht so drastisch. Die Besonderheit Berns ist, dass es keine CVP als grössere oder grosse Partei gibt, und damit die Scharnierstelle zwischen links und rechts im Parlament fehlt. In diese Lücke könnte die BDP stossen und so ihre neue Rolle in der parteipolitischen Landschaft entwickeln.
Müsste man korrekterweise nicht vom Stand nach dem Auszug der BDPler rechnen?
Diese Diskussion ist alt. In den Statistischen Aemtern stützt man sich aber immer auf die offiziellen Wahlprotokoll unmittelbar nach einer Wahl. Von daher lautet die Antwort eindeutig: nein. Denn die bisherigen BDP Politiker wurden auf SVP Listen gewählt.
Auch die SVP, gerade im Kanton Bern, ist und war hier zwiespältig: Denn sie warf der BDP bis zu den Wahlen vor, eigentlich auf SVP-Sitzen zu politisieren und die Parteilinie verraten zu haben, während sie nach der Wahl diese abschrieb, und die 11 Sitze, die sie wettmachte, als Sitzgewinne zählte.
In Extremis würde das heissen. Nach der Wahl löst sich eine Partei auf, alle Sitze gehen zur Konkurrenz, und bei der nächsten Wahl tritt die Partei wieder an, macht ihre Sitze wieder, und ist der grosse Sieger. Unter anderem genau darauf zielt der Titel des Beitrages.
Bei Bochseler wird das konsequent gehandhabt, das heisst nach Wahlprotokollen, statistischen Uebersichten der Amtern und Wahlanalyse der Politologen (die sich dieser Sichtweise grossmehrheitlich anschliessen). Aus meiner Sicht gibt es einen guten Grund hierfür: Wechselwählerströme liessen sich überhaupt nicht mehr bestimmen, wenn man während einer Legislatur die Parteistärken fortlaufenden ändern würde. Bei Sitzen wäre das ja theoretisch genau bestimmbar, bei Wähleranteilen aber sicherlich nicht mehr.
Richtig an der kritische Leseweise zum BDP-Erfolg ist meines Erachtens aber, dass man die Berner (und Bündern/Glarner-Ergebnisse) nicht einfach gesamtschweizerisch verallgemeinern darf, und dass das Berner Ergebnis ausgesprochen gut ausfällt, wenn man die Parteiabspaltung weglässt. Denn faktisch gibt es die hier diskutierte Situation in genau drei Kantonen.
Man kann es ja auch so machen wie die SVP:
Man stellt ungeliebte Kandidaten auf, und das parlament wählt dann eine ihr genehme Bundesrätin (von der SVP). Danach wird sie aus der Partei ausgeschlossen, hat aber trotzdem SVP-Partei-Gedankengut.
Bei der nächsten Wahl fordert die SVP wieder einen Sitz. Dummerweise wurde Maurer gewählt. Sonst hätte sie z.B. Hansjörg Walter nach der Wahl aus der Partei ausschliessen können. Das könnte sie dann wiederholen, bis sie 5 ausgeschlossene SVP-ler und 2 richtige SVP-Bundesräte hat.
treffend!