Der Bundesrat der Klein- und Mittelstädte

Es wird Zeit, etwas Ordnung in die Debatte über die räumliche Vertretung im Bundesrat zu bringen. Der neue Bundesrat ist “nicht vom Land”. Er kommt aus Klein- und Mittelstädten.


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Die erste Grafik, die auch ich hier verbreitet habe, erregte viel Aufmerksamkeit. Sie stiftete aber auch Verwirrung. Denn sie mixte Geber/Nehmerkantone einerseits und Wohnorte der Bundesrät:innen anderseits.
Das sind, wie zurecht moniert wurde, zwei Ebenen.

Was das BfS sagt
Hier geht es nur noch um die Wohnorte der Mitglieder des Bundesrats ab 2023. Das BfS hat 2012 alle Gemeinden neu eingeteilt. Unterschieden werden in erster Linie Agglomerationen und Landgemeinden. Erstere werden in Kerngemeinden (Haupt- und Nebenkerne) und Agglomerationsgürtel differenziert. Zudem gibt es Kerngemeinden ohne Agglomerationen.

Die sieben Wohnorte
Nun wohnen die fraglichen Personen in
Wil (Karin Keller-Sutter)
Brig-Glis (Viola Amherd)
Uetendorf (Albert Rösti)
Belfaux (Alain Berset)
Montagniola, eigentlich Colina d’Oro (Iganzio Cassis)
Les Breuleux (Elisabeth Baume-Schneider)
Bursins (Guy Parmelin)
(sortiert nach Einwohnerzahl).
Anders als vielfach angenommen, ist allerdings nicht die Zahl der Einwohner:innen entscheidend. Vielmehr führt ein komplexes Bündel von Indikatoren wird Arbeitsplätze und Pendler:innen-Bewegung zur gültigen Einteilung.

Wer vom Land ist – und wer nicht
Gemäss der Liste ist nur Les Breuleux eine Landgemeinde. “Vom Land” ist also einzig Baume-Schneider.
Alle anderen Wohnorte sind Agglomerationsgemeinden. Uetendorf ist eine mehrfach orientierte Gemeinde, aber hauptsächlich nach Thun ausgerichtet. Ich zähle sie vereinfachend zu den Agglomerationsgürtelgemeinden. Auch Bursins ist eine solche, nahe Nyon und damit sogar der Agglomeration Genf. Die beiden SVP-Bundesräte Parmelin und Rösti sind als Agglo-Vertreter.
Die anderen 4 Mitglieder des Bundesrats wohnen in Kerngemeinden. Bei Wil und Brig-Glis ist das evident. Doch auch Belfaux und Colina d’Oro sind so mit der Stadt Fribourg resp. Lugano verbunden, dass sie bei den Bundesstatistiker:innen als Kerngemeinden durchgehen. Keller-Sutter und Amherd sind aus kleinen Agglomerations-Kerngemeinden, Berset und Cassis aus mittelgroßen.

Bilanz
Damit sieht die Bilanz zur Stadt/Land-Herkunft deutlich anders aus:
Vier Bundesrät:innen kommen aus einer Agglomerationskerngemeinde (vereinfacht Stadt und nahe Vororte),
zwei aus einer Agglomerationsgürtelgemeinde
und eine Person ist aus einer Landgemeinde.
Der neue Bundesrat ist also ein Gremium, dass die für die Schweiz so typischen kleineren Kerngemeinden von Agglomerationen repräsentiert. Vereinfachend könnte man auch vom Bundesrat der Klein- und Mittelstädte sprechen. Die Charakterisierung als Bundesrat vom Land ist irreführend.
Mit der jüngsten Wahl geändert hat sich der Abgang einer grossen Kerngemeinde. Denn Sommaruga wohnt in Bern und verkörpert(e) damit das “grossstädtische” Element im schweizerischen Sinne.