Drei Thesen zum angekündigten Rücktritt von Moritz Leuenberger

Dass Moritz Leuenberger als Bundesrat zurücktreten würde, hatte man erwartet. Angesichts seines dritten Präsidialjahres, das 2011 in Aussicht stand, rechnete man mit einer Demission auf Ende 2011. Nun erfolgte sie heute auf Ende 2010.

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Schulreise 2010: Moritz Leuenberger mochte nicht mehr mitmalen, jetzt will er nicht mehr mitregieren

Moritz Leuenberger überraschte heute fast alle, als das Prestige eines Bundespräsidenten nicht als übergeordnete Frage bezeichnete, das einen Demissionszeitpunkt bestimme. Eher gelte das für das CO2-Gesetz, das er in diesem Jahr verbindlich aufgleisen konnte. Die Feier für den Gotthard-Durchstich nannte Leuenberger als vermutlichen Höhepunkte seiner Zeit als Infrastrukturminister, und genau so wichtig ist ihm, dass der Klimagipfel in Cancun Ende Jahr für seine Nachhaltigkeitspolitik zum grossen Erfolg wird. Doch dann ist definitiv Schluss.

Das alles sind aus der persönlichen Sicht eines Departementschefs nachvollziehbare Gründe für den vorläufigen Verbleib bei gleiochzeitig angekündigtem Rücktritt. Die sechs Monate, die bis zu seinem Ausscheiden verbleiben, öffne indessen auch politische Fragen.

Die vordinglichste Frage ist, ob es bis zur Wahl in der Wintersession nicht zu weiteren Rücktritten kommt. Derjenige des Finanzministers Hans-Rudolf Merz steht schon länger zur Debatte; seit neuestem wird erwogen, dass auch Micheline Calmy-Rey gehen sollte. Letzteres erscheint wenigstens gegenwärtig unwahrscheinlich. Beim FDP-Bundesrat liegen die Dinge jedoch etwas anders. Man spürt es förmlich, dass der persönlich und politisch angeschlagene Ausserrhödler gerne gehen möchte, seine Partei dies aber unter allen Umständen verhindern will. So ist nicht auszuschliessen, dass die Dynamik, die heute ausgelöst wurde, ein Nachspiel haben wird und SP bzw. FDP gemeinsam ihre Sitze im Bundesrat verteidigen werden.

Die zweite Frage ist, ob die parteipolitische Zusammensetzung im Bundesrat gleich bleiben wird. Der lädierten SP sitzen die meist siegreichen Grünen im Nacken. Gerne würden sie als neue Kraft in den Bundesrat einziehen, denn die Regierungsbeteiligung auf Bundesebene wäre ein Argumente gegen die Konkurrenz von grünliberaler Seite. Das Handicap der Grünen ist aber, hierfür jetzt nicht auf die SP-Stimmen zählen zu können, und eine weitere Partei, die dazu gewillt wäre, ist nicht in Sicht. Selbst die SVP ist bei aller Bereitschaft die Linke zu spalten, momentan darauf ausgerichtet, sich selber zu stärken, sei das zulasten der SP oder der FDP.

Die dritte Frage, die sich im Zusammenhang mit der Rücktrittsankündigung von Leuenberger stellt, ist die Entwicklung der laufende Regierungsreform. Dabei geht es zunächst um das Präsidium, dann um die Staatssekretäre, wie es der Bundesrat sieht. Im Parlament diskutiert man aber auch über Sitzzahlen und Departementsaufteilungen. Das UVEK ist unter Moritz Leuenberger gewachsen. Das alleine dürfte die Interessen all jener, die nicht die Nachfolge des Zürcher SP-Mannes antreten wollen, nähren, sich hier zu bedienen, oder selber Anspruch auf das Departement zu erheben.

Nicht zu vergessen ist, dass der Rücktritt Leuenbergers das Wahljahr medial und politisch eben lanciert hat. Personenfragen, Parteienzusammensetzung und Ausgestaltung der Regierungsreform werden 2011 genau so aktuelle sein wie heute, egal wer statt Moritz Leuenberger im Bundesrat sitzt.