Heute sass ich erstmals auf dem heissen Stuhl der “Rundschau” – um zu analysieren, was bei der Bundesratswahl geschieht. Was mir in den kurzen fünf Minuten an Vermittlungsleistung gelang, kann man sich hier ansehen, und was mir darüber hinaus noch wichtig gewesen wäre, kann ich hier als Blogger ausbreiten.
Nehmen wir mal an: Alles verläuft nach dem Gewohnheitsrecht. Gewählt werden die sieben BundesrätInnen nächsten Mittwoch einzeln und zwar in der Reihe des Amtsalters. Dann ist Doris Leuthard als Erste wieder Bundesrätin.
Diese Woche klar verbessert haben sich die Aussichten von Eveline Widmer-Schlumpf. Denn sie hat nicht nur die Zustimmung ihrer Fraktion und die der GLP bzw. GPS. Auch die SP hat sich einstimmig für sie ausgesprochen, und bei der CVP ist es eine klar Mehrheit, die sie wiederwählen will. Zusammen macht das fast 140 mögliche Stimmen; bei 124 nötigen erträgt es da durchaus einige Abweichler von den Fraktionsvorgaben, und die BDP-Politikerin bleibt trotz mangelnder WählerInnen-Stärke ihrer Partei im Bundesrat.
Eine vertitable Koalition wäre es nicht, die sie erneut in die Regierung hieven würde, aber eine Themenallianz, welche die Mehrheit für den Ausstieg aus der Atomenergie im Bundesrat sichern möchte. Immerhin, das war eines der Hauptthemen im Wahljahr, und es hat bei der Parlamentswahl jene Kräfte im Zentrum gestärkt, die ohne Rücksichten auf bisherige Entscheidungen neue Mehrheiten beschaffen können und wollen.
Unwahrscheinlich geworden wäre damit die Rückkehr zur Formel von 2003 mit je zwei Bundesräten für SVP und FDP. Die SVP, die kaum mehr etwas gewinnen könnte, würde mit Sicherheit protestieren, allenfalls auch die Unterbrechung der Wahl fordern. Würde sie damit nicht durchdringen, wäre am kommenden Mittwoch die Wiederwahl von Johannes Schneider-Ammann der nächste Kristallisationspunkt.
Votierten da FDP, CVP, BDP und SVP wie angekündigt ganz oder grossmehrheitlich für ihn, könnte der Volkswirtschaftsminister schon im ersten Wahlgang bestätigt werden. Enthielte sich die SVP in der ersten Runde, wäre das die Aufforderung zum Tanz mit Mitte/Links, indem SP und GLP, die eine Doppelvertretung der SVP gegen die FDP nicht ausschliessen für Bruno Zuppiger votieren würden, was mit den SVP Stimmen aus dem Gewerbeverbandspräsidenten einen Bundesrat machen würde.
Mit der heutigen Attacke der Weltwoche gegen Zuppigers Integrität ist das nicht wahrscheinlicher geworden. Der Schaden in der Oeffentlichkeit ist da, selbst wenn es sich um nicht mehr als eine instrumentelle Aktualisierung eines Sachverhalts handelt, der in der SVP-Spitze bekannt war. Das macht man entweder aus journalistischem Gespür für Sensationen heraus – oder aus gezielter Absicht, um den Kandidaten zu demontieren. Am Dilemma der SVP, im jetzigen Parlament wohl nur über den Weg gegen die FDP zum zweiten Bundesrat zu kommen, ändert das nichts. Und davon ist man heute auch ohne mediale Kampagne weit entfernt. Denn man misstraut sich aus den SVP- und SP-Reihen wechselseitig, anstatt gegenseitig anzuhören.
Wahrscheinlicher wird da immer mehr, dass sich SP und FDP hinter den Kulissen arrangieren. Denn tauschen sie sich ihre Stimmen in der Vereinigten Bundesversammlung aus, sind beide Parteien auch im kommenden Bundesrat mit je zwei PolitikerInnen vertreten, wenn diese wahlweise bei CVP, BDP, GLP und GPS je 25 Stimmen als Bisherige, als Romands oder als Ständerat für sich gewinnen. Mögilch ist das.
Im Grenzfall könnte zuerst die FDP mit Schneider-Ammann, dann die SVP mit ihrem zweiten Kandidaten Jean François Rime bedient werden. Doch würde so die CVP, der wichtigsten Partei in dieser Frage, ihrer Rolle als Mehrheitsbeschafferin in der Energiepolitik verlustig werden.
Damit erscheint aus heutiger Sicht der Status Quo als probabelster Ausgang der kommenden Bundesratswahl. Grosser Vorteil: Kein Mitglied der jetzigen Bundesregierung würde abgewählt. Neue Wunden aus der Wahlschlacht bei PolitikerInnen und ihren Parteien könnten so vermieden werden. Grosser Nachteil: Konkordant wäre die Wahl nicht wirklich, denn die SVP wäre nicht adäquat im Bundesrat vertreten. Ihre volle Rückkehr aus der selbst gewählten Opposition würden wohl bis zur nächsten Vakanz aus den FDP-Reihen aufgeschoben werden. Oder die nächsten Parlamentswahlen ändern die Zusammensetzung von National- und Ständerat nach rechts.
Die Begründung für die Regierung nach der bisherigen Zusammensetzung würde lauten: Stabilisierung des Gremiums, das amtsjung ist, um in der herausforderungsreichen Zeit, die ansteht, zu bestehen. Personen, die zusammenarbeiten wollen, wären dann definitiv wichtiger als die Konkordanz-Arithmetik. Für die SVP wäre die Begründung, Opfer einer Intrige geworden zu sein, die zum definitiven Bruch mit der Zauberformel führte. Das würde es ihr erlauben, ihren Tanz um die Konkordanz fortzusetzen, der im angedrohten Erfolg in Proporzwahlen besteht, aus dem sie ihre bisherige Stärke bezogen hat.
Soweit die heutigen Aussichten – ausser die Wahlen vom kommenden Mittwoch liefen nicht nach dem Gewohnheitsrecht ab!
Claude Longchamp
Stell mir eher vor, dass Frau Widmer am Mittwoch wiedergewählt wird, die SVP keinesfalls den 2ten Sitz der FDP angreift … und somit waren es vorläufig nur noch Sechs (6).
Oder, der heimliche Favorit steigt doch noch ins Rennen. Warum auch nicht? Oder sind Intrigen nur der SP und der CVP vorbehalten?
Eine Frage hätte ich noch.
Herr Walther tritt nur gegen Frau Widmer an, nicht gegen die FDP. Aber mal angenommen, er würde für sich das Stimmenmehr holen, dass ja scheinbar bei 123 liegen würde, da Herr Föhn nicht abstimmen kann. Spielt auch keine Rolle, meine Frage ist, ob Herr Walther auch dann das Glöcklein schwingen und seine Wahl verkünden darf? Oder würde es dazu einen Stellvertreter brauchen?
“Gewählt ist, mit 124 Stimmen, Hansjörg Walther”, sagt Hansjörg Walther, käme allen komisch vor.
Das hat der Gute selber gemerkt, und die Bundesratswahl dem Ständeratspräsidenten überlassen.
Doch das ist nicht mein Punkt, ich mag den Walther gut, habe viele tolle Gespräche mit ihn gehabt, doch bin ich enttäuscht, dass es sich in der Funktion, in die er so brilliant gewählt wurde, für eine Parteientaktik zur Verfügung stellt. Er ist der höchste Schweizer für ein Jahr, und der sollte meines Erachtens über den Parteien stehen. Im Nominationsverfahren war er angefragt worden, hatte damals abglehnt, um sich auf das Nationalratspräsidium zu konzentrieren, was damals die Losung.
Walther hatte ja schon bei der letzten BR-Wahl Mühe, seine fast-Wahl zu verdauen. Und er sagte selbst, wäre er gewählt worden, hätte er wohl kaum wegen Ueli Maurer verzichtet.
Ich vermute, er merkt nicht, dass er nun verheizt wird. Eine weitere chance gibt es wohl kaum.
Komisch ist, dass mit Zuppiger der Sitz von Schneider noch hätte angegriffen werden sollen (was ja gegen die von der SVP und FDP komisch interprätierte Konkordanz gewesen wäre), und nun mit Walther wird nur noch der Sitz von EWS angegriffen.
Schon komisch, dass die SVP und FDP mit ca. 45% die Mehrheit im Bundesrat belegen soll.
Und auch komisch, dass diese Parteien bestimmen sollen, wer der kleineren Parteien der Mitte den letzten Sitz erhalten soll. Lasst das doch eine Problem der Mitte sein, es ist schon schlimm genug, dass EWS die Gene der SVP trägt.
Der rückzug von Zuppiger hat genau das bewirkt, was die SVP immer bemängelt: sie sagte immer, dass die Medien sie schneidet. Diese Behauptung dürfte nun zumindest für diese Woche nicht stimmen.
Obwohl ich mit Zuppiger so ziemlich Mitleid habe, weil er wohl auf allen Ebenen demontiert ist, ist auch ein bisschen Schadenfreude in mir, weil sich die SVP nicht nur blamiert hat, sondern auch mindestens für einen Tag weniger Arroganz gezeigt hat.
Ich erwarte ja nicht, dass diese verkorkste Elite etwas dazulernt, ich erwarte im Gegenteil, dass sie noch einen draufhaut. Und ich hoffe, dass es gewaltig in die Hose geht.
Und für die Weltwoche hoffe ich, insbesondere für den “besten Journalisten der Schweiz”, dass Anstand einkehrt. Ohne zu recherchieren, sondern lediglich zugespieltes Material zu veröffentlichen, um so Leute öffentlich blosszustellen und zu ruinieren, ist wirklich keine Leistung, sondern Rufmord, und sollte bestraft werden.
Die WW hätte das gleiche erreichen können, wenn sie die Parteispitze diskret auf die Verfehlungen ihres BR-Kandidaten aufmerksam gemacht hätte.
Interessant, aber weiter nicht wichtig. Ich schrieb Walter mit th und es wird übernommen.
Was mich aber gefreut hat, vermutlich die einzige Freude an diesen BR-Wahlen, dass ich von einem 123 Stimmenmehr ausging und auch Recht behielt.
In Bezug auf Deine Enttäuschung bzgl. Walter bin ich geneigt anzufügen, dass ihm der Zusammenhalt zu seiner Partei wichtiger war als irgendso ein Präsidium, das nicht grad mehr hergibt als Sitzungen zu leiten. Hätte nur Frau Widmer dazumals auch so viel Loyalität gezeigt, anstatt ihre Partei zu verraten, wäre sie heute vermutlich unter geneigteren Umständen Bundesrätin. Aber wenn die Gier nach der Macht Überhand nimmt … ja, ja, wenn der Hahn dreimal kräht, wirst Du mich verraten. Perfektes Bespiel, dass aufzeigt, dass sich die Geschichte halt doch immer wiederholt.
@ Rehcolb
Lies bitte Deine letzten beiden Sätze. Lenk dabei Dein Augenmerk auf “Rufmord” und “Verfehlungen”.
@Ate
Wie nun auch im Fall Hildebrand sind Verfehlungen passiert, denjenigen jedoch, denen man Verrat und Lügen nachsagt (und wie man bei Evelin weiss, hält das lange an, ohne dass es auch bewiesen ist)noch Häme und Missgunst nachzuschieben, ist nicht ganz edel.
Im nachhinein kann man annhemen, dass Zuppiger von der SVP vorsätzlich auf die “ehrenhafte” Weise aus dem Rennen genommen wurde, um nicht etwa zu einem zweiten halben Bundesrat zu kommen.
Wer im Fall Hildebrand sicher gelogen hat, ist ja nun einwandfrei erwiesen, dazu hat Blocher zuviel geschnorrt. Nur wird es ihm persönlich nicht schaden, so ganz im Berlusconis-Stil wird er als Vorbild noch zulegen. Die SVP aber kaum, aber das ist egal.
Und der Köppel wird wohl noch verbissener werden, bevor er Altersmilde zeigt.
Ich jedenfalls freue mich über alles, denn es werden wohl eine ganze reihe SVP-ler hops gehen, wenn das unstersucht wird, zusammen mit dem Bankrat, der ja einige lächerliche Personen entlöhnt: z.B. Bührer und Stocker, der eine ein Schleimscheisser, der andere kein Fachmann. Laut Reglement dürfen alle “Insidergeschäfte” tätigen ….
Übrigens habe ich Köppel geschrieben, ob er auch die Gier und den Geltungsdran verspürt, die er bei Hildebrand vermutet ….
Eigentlich hat Blocher als Überbrnger der Nachricht den edlen Anspruch geltend gemacht, dass er Schaden von der Schweiz und der SNB abwenden will.
Das hat er wohl versaut, wenn auch nicht allein und vielleicht auch nicht gewollt.
Hätte nicht Bundesrat Blocher auf auf die Idee kommen können, das Reglement der SNB zu begutachten? Jedenfalls sollte man dies nicht dem jetzigen Bundesrat vorwerfen.
@ Recolb
First of all: Bei Frau Widmer wurde schon einiges nachgewiesen, aber wenn man Augen und Ohren verschliesst, aus welchem Grund auch immer gegen die SVP wettert, so wird man es auch nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Ist man doch vorprogrammiert.
Zum Thema selbst habe ich mich ein klein wenig auf dem Stadtwanderer geäussert, sollte eigentlich genügen, aber dennoch für Dich lieber Recolb eine kleine Äusserung von Hildebrand die Dich zum Nachdenken anregen sollte:
“Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass ich in dieser Sache nicht gelogen habe”.
Siehste wieviel so ein Ehrenwort heute noch wert ist. Ein Ehrenwort steht für mich gleich hoch wie die 10 Gebote. Ja wenn Hildebrands Ehefrau schon mit Gott kommt, so darf ich das auch.
Wenn die Politiker schon Wert auf Verlogenheit setzen, so sollten sie sich doch ein Beispiel an Blocher nehmen. Der stand hin und sagte, er hätte nie Originale an Frau Calmy abgeliefert. Hat er auch nicht, ergo hat er auch nicht gelogen, da es Kopien waren.
Möge diese Story noch lange kein Ende finden, denn da gäbe es noch einige involvierte schwarze Schafe, die man zum Abschuss frei geben sollte.
Wobei, danach wirds vermutlich genau gleich verlogen weiter gehen wie bis anhin.
@Ate
Bei EWS wurde nichts nachgewiesen, aber viele Unwahrheiten x-mal wiederholt, und dadurch nicht wahrer geworden.
Und Hildebrand ist auch noch keine Lüge nachgewiesen, aber sein Vergehen schon.
Zu Blocher bist du leider schlecht informiert: Der stand mehrmals hin, und sagte, dass er keine Dokumente überbracht hat. Bis dann von Simonazzi zu erfahren war, dass er doch was übergeben hätte.
Dann sagte erst er, dass er keine Originaldokumente übergeben hätte.
Also doch gelogen …. aber das ist nicht ausschlaggebend.
Ausschlaggebend ist, dass durch die Veröffentlich des Falls die Zuständigen gar keine chance hatten, die Sache diskret und wirksam zu regeln.
Das war jedoch nicht das Ziel von Blocher und WW, sondern Mediengeilheit. Statt Schaden abzuwenden, haben sie ihn verursacht.
@ Recolb
Bist Du Dir sicher, dass bei Frau Widmer nichts nachgewiesen wurde, oder tust Du es gleich mit dem ab, dass man Hildebrand anlastet und es doch besser wäre, da so gut in seinem Job, man es unter den Teppich kehren sollte.
Wie soll ich mich zu Deinen Kommentatar äussern? Eben, er, Blocher, hat keine Originaldokumente übergeben. Nein, hat er nicht. Also wach auf, spühr und versteh und lern (hoffentlich nicht) daraus.