Wie gut Wahlbörsen bei Schweizer Wahlen funktionieren, weiss man (noch) nicht. Denn Erfahrungen hat man damit bisher nicht sammeln können. Die Wahlbörse von SRF ist das Wagnis 2011 dennoch fast flächendeckend eingegangen. Eine Zwischenbilanz.
Danach analysiert, was die Ständeratswahlen 2011 bringen, setzen die Börsianer auf die SVP. Das die wählerstärkste Partei der Schweiz in der kleinen Kammer untervertreten sei, ist als Botschaft hinüber gekommen. Die Wettbrüder und -schwester rechnen mit drei Sitzgewinnen, zulasten von FDP (-3) und CVP (-2). Stabil sehen sie die SP, GPS und GLP. Das gilt auch für die BDP, während die Einschätzungen zu den beiden restlichen noch nicht gemacht sind. Am ehesten noch geht man von einem Sitzgewinn des Parteilosen Thomas Minder in Schaffhausen aus.
Die Beurteilung der Situation in den 9 Kanton der deutschsprachigen Schweiz sind sehr ungleich. Am wenigsten unsicher ist man in Glarus und Luzern. Im Glarnerland prognostizieren die Börsianer die Wiederwahl der beiden Bisherigen Freitag (FDP) und Jenny (SVP). In Luzern rechnet man mit einer parteipolitischen Stabilität. Graber (CVP) sollte es schaffen, ebenso Theiler, der Neue für die FDP.
Auch im Kanton Solothurn erreichen zwei Kandidaten zwischenzeitlich das absolute Mehr: Zanetti, der Bisherige von der SP und Bischof, der neue von der CVP. Er liegt von Fluri, der für die FDP den Sitzen halten soll, aber auch von Wobmann, dem Herausforderer der SVP. Sicher ist hier nichts, denn die Tagesschwankungen lasse auch einen anderen Schluss zu: Die drei bürgerlichen Kandidaten werden in einen zweiten Wahlgang geschickt.
Eine ähnliches Bild zeichnen die Wahbörsen im Thurgau, in Schaffhausen und in Zug. Ueberall hat es einen Favoriten: Eberle, Germann und Brunner von der SVP, die Hälfte der Stimmen machen könnten. Ueberall ist das Verfolgerfeld recht nahe zusammen, aber unter der 50 Prozent-Marke. Im Thurgau liegen namentlich Häberli-Koller (CVP) und Graf-Litscher (SP) sehr nahe zusammen, in Schaffhausen gilt dies für Minder (Parteilos) und Heydecker (FDP) und in Zug für Bieri (CVP) und Eder (FDP).
Die grösste Unsicherheiten orten die Börsianer in Zürich, Bern, St. Gallen und Aargau. Keine(r) der BewerberInnen erreicht hier das absolute Mehr im ersten Wahlgang. In Zürich (Diener vor Guttwiller vor Blocher vor Hardegger) und St. Gallen (Brunner vor Keller-Sutter vor David vor Rechsteiner) sieht es nach einem Vierkampf aus, in Bern (Amstutz vor Stöckli vor Luginbühl) und Aargau (Bruderer vor Giezendanner vor Egerszegi) nach einem Dreikampf. Dabei könnte es auch zu Nicht-Wiederwahlen kommen, jedenfalls im ersten Wahlgang, der Luginbühl (BDP, BE), Egerszegi (FDP, AG) und David (CVP, SG) liegen je auf dem dritten Rang.
Konkrete Sitzgewinne der SVP halten die Börsianer in St. Gallen und Zug möglich, der einzige Parteilose mit Chancen ist der Schaffhauser Minder, der sich, sollte er gewählt werden, einer grünliberalen Fraktion anschliessen würde. Nicht nur erfreulich sieht es für die FDP in Solothurn und Aargau aus, aber auch in Schaffhausen und Zug. Die CVP könnte in St. Gallen Federn lassen, dafür in Solothurn den Ausgleich schaffen. Umgekehrt liegt es im Bereich des spekulativ Möglichen, den Sitzverlust nach dem Abgang von Sommaruga in der Bundesrat sei es in Bern oder im Aargau wettmacht.
Wie gesagt, zunächst ist das Spielerei, die weder theoretisch gesichert ist, noch mit Erfahrungswerten punkten kann.
Immerhin, die vorgelegte Zwischenbilanz ist nicht einfach unerheblich. Sie legt nahe, dass gerade im urbanen Umfeld der deutschsprachige Schweiz die Fragmentierung der politischen Lager hoch ist, sodass die Allianzbildungen, möglicherweise erst im zweiten Wahlgang den Ausschlag geben werden, wer die Kantone in der kleinen Kammer der Bundesversammlung vertritt. Deshalb füge ich bei: Schade, dass es keine so interessanten Gradmesser für die französisch- und italienischsprachige Schweiz gibt.
Was den generellen Trend angeht, wäre die erwartete Veränderung nicht einfach belanglos. Denn CVP und FDP hätten, auch wenn sie geschlossen gemeinsam stimmen würden, erstmals keine Mehrheit mehr. Diese ergäbe ich nur noch unter Einbezug der SVP, oder aber als Allianz aus CVP, SP, GPS und GLP.
Claude Longchamp
Wenn ich bloss wüsste, welchen Ständerat ich für den Kanton Zürich auf den Wahlzettel schreiben soll!
Da ist nun wirklich keiner den ich wählen möchte.
Ich bin eher skeptisch was Wahlbörsen als Prognoseinstrumente angeht (vor allem für Ständeratswahlen). Grundsätzlich ist eine Börse ja ein Markt, sprich ein mathematische Model mit dem man versucht wirtschaftliche Vorgänge zu erklären. Dieses Model stimmt mit der Realität relativ gut überrein wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind (z.B Markttransparenz, einheitlicher Markt, rationales Handeln der Marktteilnehmer, keine Präferenzen,…)
Bei der Wahlbörse zu den Nationalratswahlen kann man argumentieren, dass eine gewisse Markttransparenz vorhanden ist (vor allem auch durch Umfragen oder die Ergebnisse von kantonalen Wahlen, die aber beide die Börse auch verfälschen können). Da die grösseren Parteien in den meisten Kantonen antreten, kann man wenn man etwas grosszügig ist auch von einem einheitlichen Markt sprechen. Ob die Marktteilnehmer aber wirklich rational handeln und keine Präferenzen haben, bezweifle ich. Schliesslich kann man durch “Fehlinvestitionen” nicht wirklich etwas verlieren und viele Teilnehmer haben klare Parteipräferenzen.
Bei der Voraussage der Anzahl Sitze der Ständeratswahlen sind die Voraussetzungen aber aus meiner Sicht nur ungenügend erfüllt: Es gibt keinen einheitlichen Markt, es gibt wenig Markttransparenz (Die CVP hat faktisch bereits 2 Sitze auf sicher, Es wird zu Absprachen vor den zweiten Wählgängen kommen,…). Auch gelten hier die natürlich die Einschränkungen betreffend rationalem Handeln und Präferenzen.
Ich denke die SVP wird es äusserst schwer haben bei den Ständeratswahlen und CVP und FDP haben gute Chancen ihre Mehrheit zu halten…
Ich kann mich dem anschliessen, auf der aggregierten Ebene der Kantone insgesamt.
Hingegen kann man meines Erachtens solche Wahlbörsen auf der Ebene eines Kantons sehr wohl machen. Mindestens für den ersten Wahlgang erfüllen sie die Kriterien. Wenn es zu einem zweiten kommt, muss man wohl alles neuaufmischen.
Interessant ist ja auch, dass die Tendenz der beiden Wahlbörsen nicht wirklich übereinstimmen.
Ich habe dem im Artikel auch Rechnung getragen. Erfahrungswerte hat man keine, zur Bilanz bin ich vorsichtig geblieben, was die Auslegeordnung in den Kantonen angeht, hätte ich sie nicht ganz anders gemacht.
@Ate
Die bisherigen sind bewährt, konstruktiv, ausgeglichen.
Es gibt keinen Grund einen neuen zu wählen, obwohl es valable kKandidaten gibt (ausser mind. einem, der neigt aber eher zu Provokation als zu was anderem, und getan hat er sogar im Bundesrat nichts, der Name bleibt geheim 🙂 ).