Die Wahlsiege der deutschen Grünen am Wochenende waren spektakulär. In der Schweiz sucht man indessen nach Vergleichbarem. Eine Klärung von Unterschieden – und ein Ausblick auf denkbare Entwicklungen in der Schweiz.
Spitzenkandidat der Grünen in Baden-Württemberg, Hermann Kretschmann, bei der Verkündigung des Resultates bei den Landtagswahlen 2011.
In Baden-Württemberg steigerten sich die Grünen von 11,7 auf 24,2 Prozent WählerInnen-Anteil. In Rheinland-Pfalz legten die Grünen von 4,6 auf 15,4 Prozent zu. Hier traf es die SPD, bisher alleinregierend am stärksten. In beiden deutschen Bundesländern stieg die Wahlbeteiligung an. Zurecht spricht man in Deutschland schon heute von einem Fukushima-Effekt. Und man kann sagen: Er hilft fast ausschliesslich den Grünen bzw. er trifft die regierenden Parteien.
Dass die Auswirkungen in Deutschland so hoch sind, hat verschiedene Ursachen. Zunächst liegt ein Machtwechsel in der Luft, nicht nur in den Ländern, auch im Bund. Denn die Regierung Merkel ist angeschlagen, nicht zuletzt wegen ihrer mehrdeutigen Kernenergiepolitik. In kaum einem anderen Dossier unterscheiden sich Schwarz-Geld und Rot-Grün so klar wie in diesem.
Und in der Schweiz? Die Gemeinsamkeiten sind nur äusserlich. Zwar hat Energieministerin Doris Leuthard das laufende Verfahren für neue Rahmenbewilligungen sistiert; die vorgesehene Volksabstimmung hierzu findet 2013 nicht statt. Doch löste das bei weitem nicht die gleiche Welle der politischen Mobilisierung aus wie im nördlichen Nachbarland. Kein Mensch forderte deswegen Rücktritt der Allparteienregierung in Bern. Und keine Partei kann sich auf die Fahne schreiben, die Führung in dem Thema alleine inne zu haben.
Der Protest gegen die Kernenergiepolitik Deutschlands bewegte in den letzten Wochen stark. Mehrere Hunderttausend gingen während zahlreichen Demonstrationen auf die Strasse: spontan, von den Umweltverbänden aufgefordert und von den Grünen angetrieben. Aehnliches gab es in der Schweiz nicht – das Frühstück auf dem Gelände der BKW mutete dagegen geradezu familiär an. Ankündigt ist, der richtige Volksaufmarsch finde am 22. Mai in Beznau statt. Was das bringt, wird man erst noch sehen.
Aehnliches ist bei den Baselbieter Wahlen von gestern geschehen. Die Grünen schafften den Eintritt in die Mehrparteienregierung. Von einem grossen Wahlerfolg in den Parlamentswahlen ist der Wechsel nicht begleitet gewesen. Drei Sitz gewonnen hat die Konkurrentin gewonnen, die gemässigte Grünliberale Partei. Die Grünen legten ein Mandat zu. Anders als in Deutschland bracht die SP in Baselland nicht ein; einzig die herben Wahlverluste für die FDP, der stärksten Partei in der Regierung, sind mit den deutschen Phänomen vergleichbar. Fast hätte man dabei übersehen, dass die BDP der eigentliche Wahlsieger war, begleitet von einer SVP, die zur grössten baselbieter Partei avancierte. Ganz unterschiedlich auch der Trend bei der Wahlbeteiligung: keine Spur steigender Beteiligung vermeldete man in Liestal.
Was sind die Ursachen der Unterschiede? Zunächst werden Sachfragen in der Schweiz in Volksabstimmungen entschieden; in Deutschland gibt es das noch nicht, sodass auch die thematischen Weichen bei Wahlen gestellt werden müssen. Sodann finden Kantonswahlen in der Schweiz für Regierung und Parlament getrennt statt; in Deutschland wählt man den Landtag, und die Mehrheitspartei oder -koalition bildet die Regierung. Das erhöht die Bedeutung der Wahl, während man Präferenzen dosiert ausdrücken kann. Schliesslich sind Lokalwahlen in der Schweiz in hohem Massen personzentriert – und zwar nicht einmal als Medien-, sondern als Alltagsphänomen. Das ist in Deutschland ganz anders, denn mit jeder Wahl ist auch das Schicksal der SpitzenkandidatInnen verbunden. Das alles erleichtert die rasche Verarbeitung von Streitfragen in Deutschland – vor allem aus Machtgründen. In der Schweiz gibt es die Möglichkeit, die Frage sachorientierter anzugehen.
Diese strukturellen Unterschiede zu nennen, heisst nicht, dass es in der Schweiz keinen Fukushima-Effekt geben. Solche Phänomen beurteilen kann man in der Regel erst in der Retrospektive. Denn was wir bisher sehen, sind die Differenzen in der kurzfristigen Reaktion. Diese hängt in erster Linie vom Empörungspotenzial ab, das durch emotionale Aufwallungen geprägt wird und durch Parteien für sich eingenommen werden kann. Etwas anderes sind die mittelfristigen Folgen, die sich an einer Neupositionierung relevanter Akteure ableiten liesse. Der Bundesrat hat hier die relevante Vorgaben gemacht, indem er bis im Sommer Szenarien der künftigen Energiepolitik studieren lässt. An diesen wird sich zeigen, wie Energieproduzenten, Wirtschaftsverbände, KonsumentInnen-Organisationen und andere mehr reagieren werden. Der letzte denkbare Fukushima-Effekt ist langfristiger Natur: Er betrifft den Wandel grundlegender Werte in der Gesellschaft, wie das Bekenntnis zur Nachhaltigkeit der Ressourcennutzung, wie den Umgang mit Risiken, die Zivilisationen zersetzen können und wie die Bedeutung der Politik, die dem Allgemeinwohl verpflichtet ist, gegenüber der Wirtschaft, die keine Nachteile gegenüber dem Status Quo in Kauf nehmen will.
Letzteres weiss man wohl erst in Rückblicken erkennen, wie man sie heute zu Unfällen wie jenen in Tschernobyl macht. Massgeblich ist hier eine anhaltende Betroffenheit, denn die Wirkung der Bilder verflüchtigt sich mit neuen Bildern, während übersäuerte Seen, Radioaktivität in der Nahrung und
missgebildete Kinder zu dauerhaften Wahrnehmungsänderungen führen. Vorletztes kann man in vielleicht eins bis drei Jahren abschätzen, wenn klar wird, was die politischen Konsequenzen sind Ersteres kann man, nach den Wahlen in Basellandschaft, in den beiden kommenden Wahlen festmachen, wenn auch Kantone wie Zürich, Luzern und Tessin wählen. Bis dann gilt aber: Abstrakt gesprochen macht es Sinn, nach einem Fukushima-Effekt zu fragen. Konkret geht es dabei um ein Kommunikationsphänomen, das sich unter bestimmten Umständen entwickelt und wenig vorhersehbar ist. Bis jetzt hat es medial voll durchgeschlagen, und sachpolitisch sind die Fronten aufgeweicht. Elektoral fehlt es in der Schweiz noch am starken Beleg, wie man ihn gestern in Deutschland gesehen hat.
Claude Longchamp
Doch, in Zürich wird es genau gleich rauskommen. Kägi wird abgewählt und Herr Graf als grosser Sieger dastehen. Nur, was für einem Inhalt ist dieser Erfolg zuzuschreiben?
Medial schreit man seit heute von einer Kernschmelze, will damit die Menschheit verängstigen. Verängstigen und manipulieren, denn wer weiss schon genau, was eine Kernschmelze ist und vor allem, dass es keine gab? Und wer hört schon so gut zu, um zu sagen, dass diese Äusserungen nicht stimmen.
Nun gut, der Mensch ist manipulierbar, lassen wir ihn doch in seinem Glauben, lassen wir ihn für Zürich den Herrn Graf wählen.
Wählen wir Herrn Graf, so ist automatisch auch das Problem Japan aus der Welt geschafft. Der grüne Kerl wirds strahlenmässig schon richten. Sorry, ich versuche nur einen Sinn in der Kehrtwendung zu finden, denn bei der Abstimmung Mühleberg gabs ein knappes 50/50. Das einzige, das ich finde, ist, dass der Mensch manipulierbar ist.
Wir alle sind für einen Atomausstieg, nur sehen die einen nicht ein, dass es so auf die Schnelle nicht geht.
Und um auf Herrn Graf zurückzukommen. Auch wenn er durch die Gehirnwäsche, die momentan am Volk betrieben wird gewählt wird, könnte er vielleicht an seinen Kollegen scheitern. Denn so wie ich las, ist die Initiative der Jungen Grünen “Für eine sinnvolle Nutzung von Flachdächern” vom Stadtrat an den Gemeinderat überwiesen worden mit dem Antrag diese Initiative als ungültig zu erklären.
Na dann, was wollen wir noch mehr? Die Stadt will eine 2000Watt-Gesellschaft, knallt uns aber nächtlich die Lichtverschmutzung, die sowohl Strom als auch Geld kostet um die Ohren, obwohl wir es gar nicht wollen, aber wer fragt uns Bürger schon?
Stellt eine doofe Schauckel in einen Park, die niemand will und verschandelt mit einem Hafenkran die Umgebung der Limmat.
Ja, für solchen Mist hatte man Geld, als man sich an die Sparvorlagen halten sollte um 220.000 Mio einzusparen. Da war doch unsrer rot-grünen Regierung solche Kunst wichtiger als das Budget für die Altersheime.
Aber wie ist es doch einfach nun über die Bürgerlichen herzuziehen. Stolz sollte man auf sie sein, dass sie diesem Ausgabewahn mal einen Riegel geschoben haben. Aber nein, man unterstützt die Linke, die mit Freuden schon seit jeher das Geld anderer ausgegeben hat.
Zu später Nacht- und zu früher Morgenstunde stelle ich mir die Frage, was täte die Linke ohne den Stutz der Rechten? Komm, wir werfen alle Rechtsdenkenden zur Schweiz raus, holen unseren Fr. 3.500.– Obulus.
Das erzeugt Freude, die Linke nicht mehr abgestützt durch den Staat (hat man schon mal ne Studie gemacht wie es salärmässig bei Männern und Frauen im Bundesamt aussieht?)
Du weisst es nicht, aber ich. Stellt sich eine Frau für einen Job vor, wird sie nach ihren Lohnvorstellungen gefragt.
Sie bekommt ihn, aber wenn sie so dumm ist um den Arbeitgeber zu fragen, was er sich denn vorstelle, dann ist Frau selber schuld. Und dann muss Frau nicht auf die Strasse rennen und demonstrieren, wenn sie nicht mal fähig ist Lohnverhandlungen selbst zu führen.
Aber gell, ich darf schon über diese sinnlose Blödsinnigkeit schmunzeln?
will keine Solarzellen auch Flachdächern, nimmt jeden Monat 100 Neuschweizer auf und will auf einen Stand von 1970 runterfahren. Spinn ich jetzt oder die?
huch, wann nur bist du aufgestanden, um uns das alles zu berichten?
meinerseits noch ein nachtrag: anbei das interview in ähnlicher sache für die bernerzeitung von heute:
http://www.bernerzeitung.ch/schweiz/standard/Ich-staune-wie-gering-die-Folgen-des–FukushimaEffekts-sind/story/12929817
Warum so kritisch? – Ist die Wahl einer Person nicht auch eine Wahl ihrer Partei?
Natürlich auch. Aber nicht nur.
Das Proporzwahlrecht drückt die Parteiaffinitäten der WählerInnen am klarsten ab. Die meisten wählen mit einer Parteiliste, viele unverändert. Und wer sie ändern, hat in der Regel doch eine präferierte Partei, der er oder sie am meisten Stimmen gibt.
Anders ist es bei Majorzwahlen, weil taktische Ueberlegungen viel wichtiger werden. Das beginnt bei den KandidatInnen, die wissen, dass sie nur gewählt werden, wenn sie eine Mehrheit ansprechen. Es findet sich aber eben auch bei den WählerInnen, die nicht nur die KandidatInnen der eigenen Partei, oder des nahestehenden Lagers wählen, sondern gezielt Akzente setzen können.
Danke für den Link. Interessante Antworten. Und ob der Japan-Effekt an der Grenze zu Deutschland halt gemacht hat, sehen wir dann am Sonntag.
Psst, bin nicht früh aufgestanden, sondern war gar nicht im Bett. Dachte, wenn die mir schon eine Stunde stehlen (trotz zweimaligem NEIN vom Volk), so klaue ich mir doch grad mal eine ganze Nacht.
gut, jede(r) hat seine logik, wie sie oder er auf abstimmungsergebnisse reagiert.
andere wandern aus, und haben dann die sommerzeit auch ohne volksabstimmung.
sag: zweimal, ich habe nur einmal ja gesagt. habe ich da was verpasst?
@Ate, du irrst in mehrfacher Hinsicht:
1. Ob Kernschmelze oder nicht, Tatsache ist, dass ohne Gier, Machtgehabe und Lügengebilde der Tepco-Führung alles hätte vermieden werden können. Tatsache ist, dass den Toten egal ist, ob es eine Kernschmelze war, und die Verseuchung der Umwelt werden wir dann zu spüren bekommen, wenn Japan wieder nafängt, Walfang zu betreiben oder die Sushi bezahlbar wird.
2. Es ist leider nicht so, dass die Rechte viel Kohle bringt, erwiesenermassen ist das Steueraufkommen der SVP ziemlich schwach ….und jene, die viel Steuern zahlen, sind wohl lediglich kapitalistisch gesinnt, was soviel heisst, dass sie die Kohle beziehen, die diejenigen verdienen, die wenig Lohn erhalten.
3. Die hängigen Einspeisebewilligungen weisen eine leistung von ca. 3 AKW’s auf, und die können schon in 2 bis 3 Jahren ans Netz.
Wann gehen die geplanten AKW’s ans Netz und warum haben wir jetzt noch keinen Strommangel?
4. Tatsache ist, dass die Schlafmützen im Regierungsrat ruhig abdanken dürfen, denn sie nützen schlichtweg nichts.
@ cal
Du hast natürlich recht, es gab nur eine Abstimmung, die von 1978. Las ich heute in dem von Dir empfohlenen Handbuch nach.
Aber warum nur geistern in den Köpfen zwei Abstimmungen? Meine Zeit wars noch nicht, aber ich vermute wegen dem Referendum, dass schlussendlich wegen zuwenig Stimmen nicht zustande kam.
@ rehcolb
1. Wollen wir doch bitte zuerst abwarten bevor wir von Toten durch Verseuchung reden. Oder rechnets Du die Tsunami-Opfer bereits dazu?
Dem Punkt 2 kann ich nicht folgen, weiss nicht worauf Du hinaus willst.
3. Vielleicht, weil wir Strom aus dem Ausland dazukaufen? (Auch abgeben)
4. Eigentlich wollte ich leer einlegen, da mir keiner dieser Räte passt, aber das Feld wollte ich dann doch nicht den Rot/Grünen überlassen. Handkehrum hätte ich ohne Bedenken Martin Bäumle gewählt, hätte er sich aufstellen lassen.
Vielleicht sind die Schweizer ja klüger und wollen sich nicht auf eine Partei mit nur einem Alleinstellungsmerkmal verlassen. Ich traue den Grünen einfach nicht. Die Naturschutzreflexe mögen richtig und angebracht sein aber es ist nicht genug um umsichtige Politik zu machen.
@Ate zu 2.
Zitat: Zu später Nacht- und zu früher Morgenstunde stelle ich mir die Frage, was täte die Linke ohne den Stutz der Rechten?
Ich widersprach, dass die Rechte ziemlich arm ist (die Basis) und jene, die Âbzocken, erhalten bloss das Geld, das andere verdienen würden.
zu 3.
Genau. Warum sagen denn die Lobby, dass es erst in ca. 20 Jahren Stromengpass gibt?
@Niklas
Warum traust du den anderen? Die haben bewiesen, dass sie keine umsichtige Politik machen. Oder warum jagt eine Krise die andere?
Warum ist die Thur in den letzten 50 Jahren x-mal bis zur Unkenntlichkeit verbaut worden, bis sie nun wieder renaturiert wird?
Da wurde überall viel Geld verlocht …sorry…die Rechte hat viel Geld verdient, und dafür Ausländer eingestellt, die die Dreckarbeit macht, und nun sagt sie, es seine zuviel Ausländer hier …
und Kompliment an Cal, du hast dich in der Arena sehr gut geschlagen!
Brunner ist mit seinen ewigen statements stark zurückgeblieben. Man merkt halt doch manchmal, dass sein Geist beschränkt und ungebildet ist, auch wenn er meist sehr schlagfertig ist.