Ständeratswahlen 2023: Ausgangslage und Aussichten

Der Ständerat ist die stabiler der beiden Parlamentskammern. 2023 dürfte er aber nach rechts rücken. Gegenwärtig am aussichtsreichsten tritt die FDP an. Verluste dürfte es für Polparteien geben.

Die Bewerbungen für den Ständerat 2023 sind nun weitgehend bekannt. Es wird mit gut 150 Kandidaturen für die 46 Sitze gerechnet. Nicht alle sind aussichtsreich, denn in vielen Kantonen versuchen auch Aussenseiter ihre Wahlchancen für den Nationalrat auf diese Weise zu sichern.

Interessante Ständeratswahlen gemäss Tagesanzeiger (31.8.23), von mir leicht vereinfacht

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Ausgangslage
Eine Wahl hat bereits stattgefunden. Der Kanton Appenzell Innerrhoden wählte seinen Vertreter im Frühling an der Landsgemeinde. 9 StandesvertreterInnen haben ihnen Rücktritt angekündigt, 36 stellen sich a, 22. Oktober 2023 einer Wiederwahl.

Prognosen
Prognosen zum Ausgang von Ständeratswahlen sind schwierig. Das hat zunächst mit dem Wahlsystem zu tun. Gewählt wird meist in zwei Runden nach dem Mehrheitswahlrecht. In der ersten Runde braucht es das absolute mehr, in der zweiten Runde das relative. Da sind auch neue KandidatInnen und Allianzen möglich. Nur der Kanton Jura und Neuenburg wählt nach dem Proporzwahlrecht. Das wird alles im ersten Wahlgang entschieden.
Erschwert sind Prognosen auch, weil auch Ständeratswahlen volatiler geworden sind. Medialisierung und Kommerzialisierung haben auch da zugenommen. Wichtiger geworden sind zudem Allianzen, denn die Bürgerlichen wie auch Rotgrün treten zum Teil in Konkurrenz zueinander an.

Brauchbare Regeln
Geblieben ist vor allem eine Regel: Bisherige Kantonsvertretungen, die sich vier Jahre lang bewährt haben und unbescholten sind, werden allermeistens bestätigt.
Weniger sicher, aber immer noch brauchbar, ist Wahl früherer Mitglieder einer Kantonsregierung. Das gilt auch für NationalrätInnen, die sich über überparteilich profiliert haben. Dabei sind die Wahlchancen vor allem von PolitikerInnen erhöht, die nahe dem Zentrum politisieren.
Geringer einzustufen sind Wahlchancen von kantonalen ParlamentarierInnen, aber auch auch Aussenseitern mit einem geringen politischen Profil.

Kantonale Eigenheiten
Selbstredend gibt es auch Unterschiede zwischen Kantonen. In Zürich, Bern, Genf und der Waadt hat es häufig mehrere valable Bewerbungen, sodass die Wahl konkurrenziv ist. In anderen Kantonen herrscht parteipolitische Konstanz, nicht selten durch Absprachen unter den Parteien gesichert.

Aussichten
Zwei Umfragen sind bis jetzt veröffentlich worden. Je eine betrifft den Kanton Zürich resp. den Kanton Aargau. In beiden Fällen gibt es einen Rücktritt und einen bisherigen Favoriten. Der Rest ist noch wenig profiliert.
Weitere Umfragen sollen im Rahmen des SRG-Wahlbarometer nächste Woche erscheinen.
Bereits heute hat der Tagesanzeiger eine vollständige Uebersicht mit allen Kantonen publiziert. Er stützt sich dabei auch brauchbare Regeln wie oben erläutert.
Das Hauptergebnisse des Tagesanzegiers fasse ich hier kurz zusammen.

Erste Zwischenbilanz
Bilanziert man das vorläufig, sind vier Sitzverschiebung zwischen Parteien wahrscheinlich. Das betrifft die Kanton Schwyz, Tessin und Solothurn und die Waadt. Meist ist die FDP in der Favoritenrolle. Einen Sitz verlieren würde die SVP. Sie SP 2 könnte zweimal negativ betroffen sind, aber auch einmal positiv. Dann hätte wohl auch die GPS einen Sitzverlust zu beklagen.
Ich teile diese Einschätzung bis hierher.
Alles andere ist spekulativer. Denn einiges könnte auch erst im zweiten Wahlgang entscheiden werden.
zieht man auch die Eventualitäten in der Tagesanzeiger-Uebersicht bei, könnte die Mitte 3 Sitz (ZH, AG, TI) zu Lasten von FDP, SVP und SP gewinnen. In Zürich könnte auch die SVP einen Sitz von der FDP holen. Allenfalls wäre das auch in Genf bei der FDP oder dem MCG möglich.
Die GPS könnte darüber hinaus einem Sitz (BE) gewinnen, aber auch eine weiteren verlieren (NE). Mehr verlieren könnten die SP (zusätzlich BE, GE), allenfalls in Neuenburg und Solothurn das aber auch kompensieren.
Mehr folgt nächste Woche, wenn weitere Umfragen vorliegen.

Claude Longchamp