#Frischgebloggt: Wo und warum der Gender-Gap wächst

Ganz neu ist es nicht: Doch die Schere in der politischen Selbstverortung von Männern und Frauen auf der Links/Rechts-Achse ist heute so groß wie noch nie, sagt eine Auswertung der heutigen NZZaS.

Die neue Polarisierung
Seit 2010 nimmt der Anteil Frauen und Männer unter 30 zu, die sich als links bezeichnen bzw. als das klassiert werden. Bei den jungen Männern stoppte der Trend nach den letzten eidg. Wahlen. Bei den jungen Frauen ging er weiter, verlangsamt sich aber neuerdings. Der Unterschied in den Anteilen ist mit knapp 20 Prozentpunkte auf Rekordhöhe.
Gegenteilig entwickelte sich der rechte Pol. Bei jungen Männern ging der Anteil von knapp 30 auf über 40 Prozent hoch. Der Trend ist zwar nicht konstant, aber ungebrochen. Einen ersten Peak kannte er um 2015 mit der damaligen Asyldebatte. Bei Frauen stagniert der Vergleichswert rund um 25 Prozent. Einen Trend gibt es nicht. Die Differenz beträgt hier auch 20 Prozentpunkte.
Das Neue besteht nun darin, dass sich die Schere seit Klimastreik und Metoo-Bewegung öffnet, weil junge Männer nach rechts und junge Frauen gleichzeitig nach links gehen. Lange war das nicht so gegensätzlich der Fall. Die Wahlen dürfen als Katalysator gewirkt haben.die Wahlchancen von Frauen sind sprunghaft gestiegen, die von Männern vor allem bei Proporzwahlen gesunken!

Einstellungen und Entscheidungen
Schon die Nachanalyse der eidg. Wahlen 2019 ergab einen Rekordwert für Grün- resp. Grünliberal-Wählende. Nur bei der SP war das nicht der Fall. Zusammen kamen bei unter 34jährigen Grüne, SP und GLP erstmals auf 50 Prozent. Bei Frauen fielen Anteile durchwegs höher aus als bei Männern. Das bestätigt die aktuelle Auswertung, selbst wenn die Wahlanalysen keinen Split für Alter und Geschlecht ausweisen. Allenfalls kann man seit ganz Jüngstem vermuten, dass der Links-Trend bei Jungen Frauen keinen weiteren Vorteil für grüne Parteien mehr liefert.
Die Nachanalyse der Volksabstimmung vom Herbst 2022 über die AHV-Reform konkretisierte den Unterschied. Die Reform wurde mit knapp 51 Prozent angenommen. Männer waren verstärkt dafür, Frauen vermehrt dagegen. Nirgends war den Unterschied zwischen den Geschlechtern so groß wie bei den jüngeren Altersgruppen. Unter 40jährige Männer waren zu 65% dafür, Frauen im gleichen Alter 75% dagegen, dass das Rentenalter für Frauen erhöht werde.
Gemäß NZZaS Auswertung kann man das sogar verallgemeinern. Gerade wenn es um Fragen der Umwelt, des sozialen Ausgleichs oder der gesellschaftlichen Liberalisierung geht, stimmen Frauen jeglichen Alters im Schnitt stärker dafür. Umgekehrt sind Männer verstärkt für Mehr Sicherheit, restriktive Einwanderung, wirtschaftliche Liberalisierung und restriktive Finanzen.

Gender-Gap begründet und eingeordnet
Der Gender-Gap in politischen Einstellungen und Verhaltensweisen ist damit gut belegt. Das zeigt die Forschungsliteratur auch für zahlreiche andere Länder. Gelockerte Kirchenbindungen gelten als allgemeine Voraussetzung, das nachfolgende (Frauen)Generationen andere Einstellungen als ihre Eltern haben. Länderspezifische Kulturen kommen dazu. Und die Positionen der Parteien und Medien in Sachfragen bringen es jeweils spezifisch auf den Punkt. Linke Jungparteien sind seit Längerem für Neuverteilungen der Rechte und Pflichten, rechte reagieren neuerdings darauf. Solange das spielt gibt es keinen Grund, von einer generellen Trendwende auszugehen, vielmehr dürfte die Polarisierung vorerst weiter wachsen.
Dabei sollte man nicht übersehen, das die Unterschiede zwischen Parteien oder auch Stadt/Land noch grösser sind als den Geschlechtern.

Bemerkung:
Grundlage sind die Daten aus dem VOX/Voto-Projekt. Befragt wird damit nach jedem eidg. Urnengang ein repräsentativer Querschnitt von Stimmberechtigten. Die weltanschauliche Position wird mit einer einfachen Skala von 0-4 für links bis 6-10 für rechts vermessen.