Eidg. Abstimmungen vom 18. Juni 2023: Vorschau auf Covid19-Referendum

Unsere Voranalyse der dritten Vorlage, über die am 18. Juni entschieden werden dürfte, zeichnet die Ausgangslage entlang vier wichtiger Indikatoren nach, soweit sie jetzt schon klar sind: namentlich sind dies die Parlamentsentscheidung, die Position der Parteien, der Medientenor und den Stimmabsichten.


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Die Pandemie war das grosse Thema der ersten Hälfte der jetzigen Legislaturperiode. Dauerhektik herrschte der Not gehorchend vor. Das Covid-Gesetz musste mehrfach überarbeitet werden. Zweimal haben Massnahmen-GegnerInnen das Referendum ergriffen. Zweimal votierten die Stimmenden mit rund 60 Prozent Ja im Sinne der Behörden. Nun ist ein drittes Referendum mit rund 60000 beglaubigten Unterschriften zustande gekommen, sodass es am 18. Juni erneut zu einer Volksentscheidung kommt.

Parlament
Das Parlament hat die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, dass die Corona-Massnahmen bis Mitte 2024 verlängern werden können.
Konkret geht es um die Möglichkeit der Versorgung mit wichtigen medizinischen Gütern resp. der Einreise-Beschränkung für AusländerInnen. Auch das Covid19-Zertifikat resp. die SwissCovid-App sollen bei Bedarf reaktiviert werden können.
Im Parlament waren die Meinungen weitgehend gemacht: Der Nationalrat stimmte bei sechs Enthaltungen mit 140 Ja und 50 Nein klar dafür. Geschlossen dagegen votierte nur die Fraktion der SVP; 2 Freisinnige schlossen sich ihr an. Alle anderen Fraktionen ausnahmslos dafür.
Im Ständerat waren bei vier Enthaltungen 39 KantonsvertreterInnen auf der Ja-Seite. Man zählt einzig die Stimme des Berner Standesherrn Werner Salzmann dagegen.
Die Zustimmungsquote in der grossen Kammer betrug damit 70%, in der kleinen gar 85%. Der Anteil aus dem Nationalrat gilt als besserer Prädiktor für den Volksentscheid, auch wenn er häufig etwas zu hoch ausfällt. Das spricht für Annahme der Vorlage mit weniger als 70 Prozent Ja-Stimmen.

Referendum
Die Unterschriftensammlung wurde von «Mass-voll» und den «Freunde der Verfassung» organisiert. Ihnen schlossen sich weitere regionale Gruppierungen sowie die EDU, die Piratenpartei und die Libertäre Partei an. Hinzu kamen vereinzelt auch rechtsbürgerliche Politiker.
Die Prüfung der Unterschriften steht noch aus, weshalb man die genaue Zahl nicht kennt.
Aus der Forschung weiss man, dass die Unterschriftenzahl bei fakultativen Referenden kein zuverlässiger Indikator für dem Abstimmungsausgang ist. Sie zeigt nur an, ob eine rasch handlungsfähige Organisation existiert.
Das Argumentarium der Gegnerschaft ist weitgehend bekannt. Es steht unter dem pauschalen Vorwurf, die Behörden würden das Ende der Pandemie leugnen, um Freiheiten einschränken zu können. Kritisiert wird auch, dass verschiedene Massnahmen nicht die angegebenen Effekte gezeigt hätten. Dabei baut man auf einem generellen Regierungs- oder Behördenmisstrauen auf.

Parolen
Die Parolenfassung blieb angesichts der langen Unsicherheit, ob es überhaupt zu einer Abstimmung kommt, hinter der der beiden anderen Vorlagen zurück. Nur die GLP hat schon vorgängig die Ja-Parole gefasst. Da sie die Partei mit der höchsten Parolenkongruenz zu den Stimmenden in der laufenden Legislaturperiode ist, verstärkt das den Eindruck der Mehrheitsfähigkeit der Vorlage.
Eine präventive Parole haben die Jungfreisinnigen und die Junge Mitte beschlossen. Die Delegiertenversammlung der JF entschied sich angesichts der knappen Verhältnisse für die Stimmfreigabe. Die Junge Mitte kritisierte dies postwendend; sie hatte kurz davor ein Ja herausgegeben.
Bei den Mutterparteien rechnet man damit, dass die SVP sich dem Nein-Lager anschliesst; SP, FDP, Mitte, Grüne und dürften den Gegenpol bilden. Interessant wird sein, ob es insbesondere bei der FDP abweichende Parolen auf Kantonsebene gibt oder nicht.
Bleiben von den Parlamentsparteien die SVP und die EDU allein im Nein, umfasst die zustimmende Allianz auf minimal 69%. Auch das verweist auf eine Annahme
Auch dieser Wert dürfte mit Blick auf die Volksentscheidung zu hoch sein. Denn die existierende ausserparlamentarische Opposition wird so nicht erfasst. Für einen Mehrheitswandel dürfte aber auch das nicht reichen.

Abstimmungskampf
Namentlich die Bankenkrise, ausgelöst durch die Fusion der CS mit der UBS samt staatlicher Unterstützung, prägt die politische Grosswetterlage aktuell stärker als das Abstimmungsgeschehen.
Mehrere Umfragen zu den Prioritäten der Stimmberechtigten im Wahljahr legen nahe, dass ihre Aufmerksamkeit 2022 sprunghaft nachgelassen hat. Neu sind anderen Themen wie die Rentenfrage, Gesundheitskosten, aber auch die Inflation und Lebenshaltungskosten wichtiger geworden.
Der spezifische mediale Abstimmungskampf hat erst begonnen. Die Einreichung der Referendumsunterschriften lösten einen ersten Peak namentlich bei der Gegnerschaft aus. In den sozialen Medien erzeugten AktivistInnen eine beachtliche Welle aus.
Erwartet wird ein Abstimmungskampf unter bekannten Voraussetzungen. Er dürfte weniger intensiv ausfallen als bei den beiden früheren Entscheidungen in der gleichen Sache. Das spricht gegen einen starken Mobilisierungsfall durch die Covid-Vorlage, wie wir es insbesondere im November 2021 erlebt hatten.

Referenzabstimmungen
Naheliegend ist es, die beiden ersten Abstimmungen über das Covid19-Gesetz als Referenzen heranzuziehen. Die Medienanalyse des fög zeigte, dass die Medienaufmerksamkeit Ende 2021 – auf dem Höhepunkt der Kontroverse – sehr hoch war, der Tenor aber immer positiv blieb (59:41). Bei der Abstimmung vom 26. Nov. 2021 war es medial die Leadvorlage. Deutlich geringer war die Themensichtbarkeit am 14. Juni 2021, als das erste Mal über abgestimmt wurde. Auch das war der Tenor mehrheitlich positiv (56:44).
Zu erwarten ist, dass die Verhandlungen in den Massenmedien diesmal ähnlich wie bei der ersten Abstimmung sein werden.
Die Voranalysen auf Befragungsbasis beiden Volksabstimmungen zeigten übereinstimmend, dass die Ja-Seite stets im Vorsprung war. Der Abstimmungskampf der Gegnerschaft mobilisierte am ehesten Unschlüssige. Doch handelte sich um weitgehend positiv vorbestimmte Entscheidungen.
Die Zustimmungsraten variierten zunächst nach politischen Gesichtspunkten (mehrheitlich Nein nur an der SVP Basis, nicht einmal bei Parteiungebundenen, aber Minderheiten in allen Lagern) sowie entlang dem Alter. Je höher dieses ist, desto klarer werden die Massnahme unterstützt.
Heute ist die Situation etwas anders, da sich auch die mainstream-Presse offener für Massnahmenkritik gibt. Beispielsweise kommt Friedenforschers Daniele Ganser mehr zu Worte. Das bestätigt, dass die Entscheidung zur Zustimmungshöhe vom rechtslibertären resp. –bürgerlichen Verhalten im Abstimmungskampf abhängen wird.

Bilanz
Ich rechne mit einer eindeutigen Annahme der Vorlage, vergleichbar mit den bisherigen Mehrheiten. Die beiden vorliegenden resp. abschätzbaren Indikatoren zum politischen Konflikt sprechen dafür.
Neu ist, dass die Bedrohungslage kleiner ist als 2021. Dafür dürfte auch die dritte Entscheidung in kürzester Zeit zu einer pauschalen Beurteilung wie bisher sorgen.