Asylgesetz in den Medien, Milchkuh in der Werbung. Zwischenergebnisse zu den Medien- und Inseratetendenzen vor dem 5. Juni 2016

Sowohl das Forschungsinstitut “Oeffentlichkeit und Gesellschaft” (foeg) als auch Année politique suisse legen neu Zwischenresultate ihrer Analysen des Abstimmungskampfes offen. Das erlaubt es, Annahmen zur Medienberichterstattung und Werbestrategien rechtzeitig vor dem Abstimmungssonntag zu objektivieren.

Intensität der Berichterstattung resp. Inseratewerbung

Gemäss fög berichten die Schweizer Medien am intensivsten über das Asylgesetz. Am wenigsten interessierte sie bis am 15. Mai das Fortplanzungsmedizingesetz. Im Sandwich sind die drei Volksinitiativen: Es führt jene zum bedingungslosen Grundeinkommen, vor der fairen Verkehrsfinanzierung und der ServicePublic-Initiative. Allerdings, es gibt wichtige sprachregionale Gewichtungen. Denn in der Romandie interessiert das Grundeinkommen medial ganz generell am meisten, während über die Verkehrsfinanzierung unter den Volksinitiativen am wenigsten berichtet wird. Das ist in der deutschsprachigen Schweiz ganz anders, denn hier liegt die MilchkuhInitiative bei der medialen Aufmerksamkeit an zweiter Stelle.

foeg

Die heute veröffentlichte Zwischenauswertung zu den Inseraten, die bis zum 22. Mai reicht, sieht die Verkehrsfinanzierung klar an der Spitze. Auf Platz 2 folgt die Servicepublic-Initiative, gefolgt von der Fortplanzungsmedizin. Zum bedingungslosen Grundeinkommen und zum Asylgesetz fanden sich fast keine Annoncen. Aussagen hierzu erübrigen sich.

Tendenz der Berichterstattung resp. Inseratewerbung

Die Tendenz der Medienberichterstattung folgt dem bekannten Muster: Behördenvorlagen erhalten mehr positiv ausgerichtete Beiträge, während bei Volksinitiativen genau Umgekehrtes der Fall ist. Am meisten unterstützt das Mediensystem das Fortplanzungsmedizingesetz, am wenigsten die ServicePublic-Initiative.
Von einem Normalfall kann bei den Inseraten nicht die Rede sein. Deren Erscheinen hängt nicht von Gesetzen des Mediensystems, vielmehr von den spezifischen Strategien der Komitees ab. Bei der Milchkuh-Initiative setzen beide Seiten auf Anzeigen, die Initianten doppelt so viel wie ihre Widersacher. So dominiert dieses Thema in der Werbung (69% aller Anzeigen). Bei der ServicePublic-Initiative (16% aller Inserate) ist das überwiegend auf der Nein-Seite der Fall. Gleiches gilt auch beim Fortpflanzungsmedizin-Gesetz (12% aller Annoncen).
Speziell sind die Kampagnen bei den beiden anderen Vorlagen. Denn beide Seite verzichten weitgehend auf Anzeigen. Bei der Asylgesetzgebung war das eine speziell deklarierte Entscheidung der Referendumsführer. Kompensiert wird der Verzicht in den letzten Tagen durch ein aufwendiges direct-mailing, verbunden mit elektronischen Plakaten. Auch die Komitees hinter der Grundeinkommensinitiative suchen eine tief-Preis-Strategie, indem sie mit events arbeiten, die medienwirksam aufgezogen sind und so Oeffentlichkeit herstellen. Das gilt vor allem via Sozial Medien auf für die Befürworter des Asylgesetzes.

Einflüsse der Werbung auf Medien, der Medien auf Stimmabsichten?
Einen engen Zusammenhang zwischen der Medienberichterstattung einerseits, den Inseratekampagnen anderseits kann man nicht erkennen. Wenn ein solcher überhaupt bestehen sollte, dann am ehesten bei der ServicePublic-Initiative. Allerdings dürfte dieser nicht kausal sein, sondern eine gemeinsame Drittursache haben. Denn bis anfangs Mai zeigten alle Umfragen einen deutlichen Vorsprung für die Ja-Seite. Bei der Gegnerschaft führte dies zu einer neu aufgegleisten Kampagne mit der FDP n der Führung, die Medienarbeit und Werbekampagnen schlagartig intensivierte.
Die Medientendenzen sind übrigens ähnlich wie die Mehrheiten in den Umfragen. Auch hier sein von einer einfachen Ursachenkette gewarnt. Denn die Massenmedien orientieren sich an Parlamentsmehrheiten. Dies sind auch diesmal gleich gerichtet. Das zeigt sich auch in Umfragen relativ kurz vor Schluss. Ein direkter Effekt der befürwortenden Inserate bei der Verkehrsfinanzierung auf die Stimmabsichten hierzu findet sich nicht. Eher noch gilt, dass die Nein-Inserate zur ServicePublic-Initiative mit dem Trend in den Umfragen übereinstimmen.

Mehr soll bis zum Abstimmungstag erscheinen. Ich bin gespannt!

Claude Longchamp