Mit Combining zu besseren Prognosen

PollyVote in den USA! Pollyvote in Deutschland! Bald auch PollyVote in der Schweiz?

Das Beispiel war einleuchtend: Muss man sich in einer schwierigen Sache entscheiden, listet man Pro und Kontra auf, und fragt man sich, ob mehr dafür oder dagegen spricht. Schwieriger als das ist die Antwort auf die Frage, ob ein Argument alle anderen übertrumpfe.

Vor diesem Hintergrund kritisiert Andreas Graefe am Freitag in einem Gastvortrag im Rahmen meines Forschungsseminars an der Uni Bern das gängige Verfahren in der Prognosetechnik, wonach man relevante Determinanten aufgrund der bisherigen Erfahrung gewichtet, um eine gute Vorhersage machen zu können. Vielmehr empfahl der Referent, mehrere begründbare Prognosen konstant nebeneinander laufen zu lassen, und aus ihnen systematisch ungewichtete Mittelwerte zu bilden.

“Ist das Wissenschaft?”, habe ihn Prognose-Guru Michael Lewis-Beck nach seinen ersten Vortrag vor Spezialisten gefragt, und er habe die Antwort gleich vorweg genommen: zu simpel, um wahr zu sein! Doch der Nachwuchsforscher liess sich nicht ins Boxhorn jagen und rechnete nach: Neun Modelle kennt insbesondere die amerikanische Forschung zu Präsidentschaftswahlen. Wirtschaftsleistung und Popularität des Amtsinhabers kommen in allen vor; danach unterscheiden sich die Indikatoren aber, sodass man immer weider von neuem versuche, mittels raffinierter Gewichtung optimale Modellierung zu erhalten. Mitnichten, meinte der Münchner Gast, denn: Addiere man die 27 Indikatoren aller Modell ungewichtet auf einmal, erhalte man die beste Prognose.

Graefe zählt Umfragen, Wahlbörsen, Modellrechnungen, Indices zu Themen- und Personeneigenschaften sowie ExpertInnen-Einschätzungen zu den an sich validen Prognoseinstrumenten. Kein Tool sei perfekt, sodass man sich auf nur eines verlassen könne. Berücksichtige man aber alle gleichermassen, reduzieren man die Wahrscheinlichkeit, durch einen unvorhersehbaren Ausreisser ungewollte beeinflusst zu werden.

pollyvote
Grafik anclicken, um sie zu vergrössern

PollyVote nennt Graefe das Verfahren. Sein Papagei verstehe nichts von Politik, plappere aber alles nach, was die anderen sagen, und kenne die Mittelwert-Berechnung. Das reiche!

2013 arbeitete der Oekonom, der an der Uni München forscht, so, um den Ausgang der Bundestagswahlen vorauszusagen. Dabei zeigten sich Stärken und Schwächen der Methode. Dass es die AfD nicht schaffe, war für Graefe klar. Wie alle anderen Instrumente auch, prognostizierte auch seines aber, die FDP schaffe die 5-Prozent-Hürde.

Der Grund ist einfach: Die Wahlbörsen waren teilweise durch die SympathisantInnen der AfD manipuliert; genau das fiel im Vergleich der Instrumente untereinander schnell auf. Anders bei FDP: Weil sich alle in die gleiche Richtung täuschten, entdeckte das Graefe-Verfahren die gemeinsame Schwäche nicht.

Dennoch zeigte sich der Referent aufgrund US-amerikanischen Erfahrungen überzeugt: Auf die Dauer werden Prognosen genauer, wenn man verschiedene bewähre Verfahren unvoreingenommen verbindet, und die Kombi-Methode ist die Beste, nicht weil sie fehlerfrei ist, sondern die Fehlerwahrscheinlichkeit systematisch minimiert.

Ich werde mir das zu Herzen nehmen, und es in der Schweiz ebenso versuchen!

Claude Longchamp