Eine Woche Abstimmungsberichterstattung

Die eidg. Volksabstimmungen vom 23. September 2012 stehen an. Entschieden wird über den Verfassungszusatz zur Jugendmusikförderung, über die Volksinitiative «Sicheres Wohnen im Alter» und die zum «Schutz vor Passivrauchen». Diese Woche bereitet unser Institut die Auswertung der ersten Repräsentativ-Befragung vor, realisiert für die SRG-Medien. Eine Uebersicht über mein Programm.


Wie gross ist das Ja oder Nein und was an Ueberzeugungen steckt dahinter? – Das ist die Frage der Voranalysen zu Volksabstimmungen.

Montag
Die Daten der Befragung während der vergangenen Woche treffen ein. Wenn, wie normal, alles plausibel ist, beginnt sofort die Verarbeitung: die statistische Datenanalyse einerseits, die Visualisierung der Hauptergebnisse anderseits. Martina Imfeld, Stephan Tschöpe und Sarah Deller leisten diese Vorarbeit gemeinsam. Meinerseits kümmere ich mich um eine erste schriftliche Kurzfassung der Ergebnisse, und ich überprüfe meine Arbeitshypothesen zum anfänglichen Stand der Meinungsbildung und zum erwarteten Abstimmungsausgang. Daraus entsteht die Einleitung zum Bericht, verbunden mit einem Anhang zur Theorie und zu den Daten, die der Studie zu Grunde liegen. Im Wesentlichen ist das noch Routine.

Dienstag
Das ist der eigentliche Tag der Berichterstattung. Martina schreibt diesmal die Kapitel zur Beteiligung(sabsicht) und zum Stand der Meinungsbildung beim Schutz vor Passivrauchen. Ich kümmere mich um die beiden anderen Vorlagen. Wir fragen uns jeweils: Wer ist (vorerst) dafür, wer (vorerst) dagegen? Wie gut kommen die Argumente der Kampagnen an? Wenn immer möglich, schauen wir uns auch Vergleichsabstimmungen in der Vergangenheit an, und was da die Analyse ergaben. Beim Eigenmietwert ist das am ehesten möglich; bei Passivrauchen kaum, den gesamtschweizerisch haben wir noch nie darüber entscheiden können. Wenn es reicht, bereiten wir am Abend noch die Präsentationfassung in Grafikform vor. Gestört werden will ich an diesem spannendsten Tag von niemandem!

Mittwoch
Der Morgen beginnt mit Lektüre. Martina und ich lesen die Kapitelentwürfe übers Kreuz; eine kurze kollegiale Rückmeldung wird erwartet. Danach schreibe ich die Synthese; alles Wichtige soll in verdichteter Form nochmals aufgelistet werden. Aufgezeigt werden soll, was noch unsicher ist, und es wird bewertet, was gesichert erscheint. Denn zum Schluss der Analyse geht es darum aufzuzeigen, was man von der kommenden Meinungsbildung im Abstimmungskampf erwarten kann. Martina kümmert sich parallel dazu um das Lektorat und Layout des Medienberichts. Dieser geht am Nachmittag an die SRG-Zentrale, welche allfällige Nachfragen aus journalistischer Sicht stellt. Am Mittwoch Abend löst sich bei uns meist einiges der Arbeitsanspannung in solchen Wochen.

Donnerstag
Das ist der Tag der internen Praesentation. Erwartet werden die JournalistInnen der beteiligten SRG-Unternehmenseinheiten. Am Morgen bin ich meist kurz beim Coiffeur, dann im Büro, um mich einzustimmen. Die Präsentation von MedienvertreterInnen mache ich gemeinsam mit Martina. Diesmal wird sie über den Schutz des Passivrauchens berichten – die Vorlage, welche die Oeffentlichkeit wohl am meisten interessiert. Ich nehme mich der beiden anderen Themen an. Danach gibt es Interviews und Statements, in Deutsch, Französisch und Englisch. Bis am Mittag sollten alle alles im Kasten haben, um an der journalistischen Umsetzung der Studienergebnisse zu arbeiten. Bei uns im Büro werden Medienmitteilung gegengelesen, Blogs aufgesetzt und die Information via Internet vorbereitet. Meist ist am frühen Nachmittag Schluss – Zeit sich all dem zu widmen, was die ganze Woche liegen geblieben ist.

Freitag
Nach Aussen ist der Freitag der entscheidende Tag; nach Innen hoffen wir auf Ruhe. Meist bereiten wir das, was kommt, am Morgen ein wenig via Twitter vor. Mehr ist da nicht! Das wird auch diesmal so sein, denn ich bin den ganzen Tag ausser Haus. Die Spannung steigt nachmittags um 4 Uhr, denn dann verbreitet die sda die Ergebnisse bei ihren Abonnenten. Um 17 Uhr läuft die Sperrfrist aus, und es beginnt die Publikation via Online-Plattformen. Um 18 Uhr sind die ersten Radiosendungen, und um 1930 berichten die Tagesschauen der SRG-Medien. Der Rest hängt von der Brisanz der Ergebnisse ab. Das gilt im Wesentlichen auch für den Samstag, dem Tag, an dem die wichtigsten Ergebnisse auch in den Tageszeitungen nachzulesen sind.

Meine Arbeitshypothesen lauten übrigens: Die Meinungsbildung zur Jugendmusikförderung ist noch kaum erfolgt; dafür fehlt es auch an einer frühen Aufmerksamkeit; mit einer Problematisierung von rechts ist aber noch zu rechnen. Konkreter wird das Ganze voraussichtlich bei den beiden Volksinitiativen sein: Zwar laufen die Kampagnen auch hier erst an; doch ist namentlich das “Raucher”-Thema bei vielen Menschen im Alltag ein Diskussionsgegenstand, was zur frühen (wenn auch nicht abschliessenden) Meinungsbildung beitägt. Eingeschränkt auf Hausbesitzer im mittleren und höeren Alter gilt dies auch für die Vorlage zum Eigenmietwert. In welche Richtung sich das auswirkt, werden wir ja noch sehen!

Claude Longchamp