Schutz vor Passivrauchen: Mehrheit der Männer klar dagegen, Mehrheit der Frauen knapp dafür

Warum ich das alles weiss? – Weil die Plattform politnetz seit anfangs dieser Legislatur einen ausgezeichneten Service zum Abstimmungsverhalten im Nationalrat liefert.

Man nehme: die Volksinitiative “Schutz vor Passivrauchen”. Im Parlament scheiterte sie recht klar. Im Nationalrat waren 52 VolksvertreterInnen dafür, 138 dagegen. Im Ständerat lautete das Abstimmungsergebnis 7 zu 28. Die Kantone hätten genügend legiferiert, und die Initiative sei nur schwer umsetzbar, hiess es. Der konsequente Schutz vor Rauchen am Arbeitsplatz, im Extremfall auch an einem Einzelarbeitsplatz gab den Ausschlag Richtung Nein. Zu viel des Guten! Die Polarisierung im Nationalrat erfolgte weitgehend entlang der Parteigrenzen: SVP, FDP, CVP mit samt der BDP und GLP dagegen; SP, GPS und EVP dafür.


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Diese Bilanz überdeckt allerdings eine Besonderheit der Entscheidung im Nationalrat. Es war eine klare Mehrheit der Männer, welche die Vorlage verwarf, derweil eine knappe Mehrheit der Frauen sie annahm. Das belegt die Auswertung der Stimmabgabe nach Geschlecht, welche die Online-Plattform “politnetz” auch in dieser Sache laufend vornimmt.

Der unterschiedliche Entscheid hat mehrere Ursachen: Zunächst sei an den Frauenanteil unter den befürwortenden Parteien erinnert; Mitte-Links hat mehr Frauen im Parlament als Mitte-Rechts. Und diese stimmten weitgehend einheitlich für die Initiative; einzig die Zürcher SP-Vertreterin Chantal Galladé votierte dagegen. Verstärkt wurden die SupporterInnen aus SP, GPS und EVP durch einige CVP-Frauen. Elisabeth Schneider und Christine Bulliard-Marbach drückten ihren Knopf zugunsten des Raucherschutzes, und Lukrezia Meier-Schatz und Barbara Schmid-Federer enthielten sich ihrer Stimme. So waren am Ende nur 4 der 8 CVP-Frauen gegen die Initiative. Bei den 21 CVP-Männern im Nationalrat war alles ganz anders. 19 waren dagegen; Jacques Neirynck und Fabio Regazzi heissen die beiden Befürworter.

In umgekehrter Richtung wirkte eine weitere Konfliktlinie. Die Rechtslage im Herkunftskanton bestimmte das Stimmverhalten der VolksvertreterInnen überwiegend, wenn auch nicht vollständig. So waren in Fribourg, Baselland und der Waadt zwischen 56 und 60 Prozent der stimmenden Nationalräte für die Initiative. Anders als sie verhielten sich jene aus St. Gallen, Wallis, Baselstadt, Neuenburg und Genf, die mehrheitlich ein Nein zur weiterführenden Volksinitiative empfahlen, obwohl auch in ihren Wahlkreisen ein entwickelter Nicht-Raucherschutz gilt.

Ich will damit gar nicht gross Stellung zur Initiative selber nehmen. Es geht mir mehr um eine Verständnis dafür, wie Meinungsbildung im Parlament geschieht, von Fraktion zu Fraktion und von Kanton zu Kanton. Weltanschauliche Positionen stehen im Vordergrund. Namentlich bei Männern, weniger bei Frauen. Kantonale Entwicklungen korrigieren diese Polarisierung nur beschränkt.

Uebrigens: Die tolle Innovation für die Analyse der Entscheidungen im Nationalrat könnte bald schon auch im Ständerat angewandt werden. Der hat nämlich entschieden, weg vom Dunkelkammer-Image kommen zu wollen, und sich selber zu durchleuchten. Die Plattform Politnetz wird bald für noch mehr Transparenz sorgen können!

Claude Longchamp