Wahlfieber ist ein interessantes Prognose-Tool, das auch bei Schweizer Politentscheidungen zur Anwendung kommen. Denn es kann mit wenig Aufwand betrieben werden; es ist aber nicht unabhängig von Umfragen.
Mitmachen kann jede(r). Einbringen muss man vor allem die eigene politische Sensibilität – und ein spielerisches Flair. Gewettet wird zum Beispiel auf Abstimmungsausgänge.
Bei der Initiative “Schutz vor Waffengewalt” hat sich die Erwartungshaltung der Polit-Börsianer zwischenzeitlich eingependelt. Gerechnet wird mit einem knappen Volks-Ja und einem ähnlich engen Stände-Nein.
Die genauen Werte variieren von Tag zu Tag. Aktuell sind sie bei 51 Prozent dafür, und 14 Ständen dagegen. Insgesamt wäre das dann Nein.
Die Vor- und Nachteile von solchen Prognosemärkten sind bekannt: Es kann mit wenig Aufwand betrieben werden. Es vermisst Erwartungshaltungen. Und es bewertet diese nach dem Marktmechanismus: Wo keine Handel stattfindet, handelt es sich auch nicht um eine brauchbare Information.
Wahlfieber ist nicht frei von Problemen. Denn Prognosefähigkeit ist nicht einfach gegeben, sie hängt von der Menge der HändlerInnen und von der Intensität des Handels ab. Je grösser beides ist, umso besser funktioniert die Wettbörse. Und: Die Prognosen sind nicht stabil; sie folgen im wesentlichen den Trends in Medien, beschränkt auch in den Umfragen.
Die letzte Repräsentativ-Befragung ergab 47 Prozent bestimmte oder tendenzielle BefürworterInnen, und 45 Prozent bestimmte oder tendenzielle GegnerInnen. Direkte Aussagen zum Ständemehr sind angesichts der Stichprobengrösse nicht möglich, weshalb der Ausgang offen erscheint. Der zeitliche Trend ist allerdings negativ. Es legt das Nein zu, und es verringert sich das Ja. Entscheidend sind, ob sich der Trend fortsetzt, und wie die Schlussmobilisierungen funktionieren.
Ueberigens: Die repräsentativ vermessene Erwartungshaltung in der stimmberechtigten Bevölkerung verweist, wie Wahlfieber, ins Nein: 45 Prozent der Befragten rechnen mit einer Ablehnung am 13. Februar; 35 Prozent gehen von einer Zustimmung aus.
Abstimmungsumfragen dürfen in der Schweiz in den letzten 10 Tagen nicht mehr publiziert werden. Wettbörsen halten sich an diese Selbsteinschränkung der Befragungsbranche nicht. Deshalb wird bis am Vortag der Entscheidung spekuliert.
Claude Longchamp
Für mich gibt es einen ganz anderen Einwand gegen die Wahlbörsen. Ausser der Spekulation, wie es herauskommt, bringen sie nichts. Da ziehe ich Umfragen mit der politischen Analyse, wer warum dafür und dagegen ist vor.
Wer in der Politik ist, arbeitet mit Menschen, auf die er zugehen will. Ob man damit recht bekommt oder nicht, sieht man dann ja am Abstimmungstag.
Sie haben recht. Gemessen werden so Erwartungshaltungen. Aus der Sicht der Prognoseforschung ist das durchaus ok, denn es gilt die pragmatische Regel: Kein Prognoseverfahren ist sicher, weshalb die Kontrolle von Prognosen durch anderen Prognose das beste Verfahren ist. Das ist sogar die methodische Absicht von Wettbörsen selber.
Was sie nicht leisten: Sie sagen nicht, wer wie stimmen will, und über die Motive muss man mit diesem Instrument weiter spekulieren. Da helfen nur Umfragen. Die eignen sich zu Prognosen aber nur bedingt, denn es gibt immer Entscheidungen in letzter Minute, die mit Befragung nicht erfasst werden können. So sind Umfragen Bestandesaufnahmen der Meinungsbildung, letztlich aber keine Prognosen.
…. mir reicht es, wenn ich am Wahlsonntag erfahre, wer nun wirklich wieviel gestimmt hat.
Und tags darauf haben es sowieso alle vergessen. Das Thema ist ja wirklich uninteressant.
Wahlfieber ist eine nette Spielerei und hat vielleicht bei einer grossen Anzahl mit Teilnehmern auch eine gewisse Aussagekraft. Bei geringen Teilnehmerzahlen ist das Ganze aber auch leicht “manipulierbar”.
Nun ist die Stimmung bei Wahlfieber gekippt. Seit dem 7.2., also seit Montag, rechnet man mit einem Nein beim Stände- und Volksmehr:
http://www.wahlfieber.ch/de_sie/markt/CH-2011-VA-1–ch-volksabstimmung-am-13-02-2011/