Das www der Wahlforschung

“Wer wählt wen?”, interessiert in der Wahlforschung sowohl die Theorie wie auch die Praxis.

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Lichthof im Hauptgebäude der Universität Zürich, auf den ich bei meiner inneren Vor- und Nachbereitung zur Vorlesung sehe

Klassische Vorlesungen zu diesem Thema beginnen mit dem Satz, die Wahlforschung sei die Königsdisziplin der Politikwissenschaft und die Umfrageforschung der Königsweg der Datenbeschaffung. Theorien des Wählens und Bevölkerungsstudien hierzu bilden die Basis, auf der Studierende lernen, wissenschaftliche Fragen zu stellen, entsprechende Hypothesen anhand zu testen und statistische Verfahren und Kennzifferenz anzuwenden, um zu gesicherten Aussagen zu kommen.

Für diese Vorlesung habe ich, wie Untertitel antönt, ein breiteres Vorgehen im Sinn. Mir geht es um Wahlforschung in Theorie, Empirie und Praxis. Ich werde also nicht nur den wissenschaftstheoretischen Teil der Wahlforschung ausloten, sondern auch den wissenschaftspraktischen.

Das unbestrittene Bindeglied zwischen allen drei Aspekten der Wahlforschung ist die Empirie. Die heutigen Theorien, egal ob sie aus der Politökonomie, der Sozialpsychologie, der Gesellschaft- oder Medienwissenschaft stammen, sind samt und sonders empirisch geprüft, korrigiert und weiterentwickelt worden.

Aber auch die Praktiker der Wahlforschung kommen ohne ihre Daten nicht aus. Diese gewinnen sie aus Umfragen, Inhaltsanalysen, real-time-Beobachtungen, um zu sagen, was gilt, was nicht ist, allenfalls um zu spekulieren, was wird.

Zwar gibt es immer noch Vorurteile auf allen Seiten: Demnach sind Empiriker reine Fliegenbeinchenzähler, Praktiker verhinderte Politiker und Theoretiker nutzlose Denker. Doch hat mich die Beobachtung der Wahlforschung selber in den letzten 15 Jahren gelehrt, dass die drei Felder näher gerückt sind. Die Denker, die Rechner und die Vermittler sind mit Ausnahmen dabei, sich näher zu kommen. Denn zwischenzeitlich ist man sich der Grenzen wissenschaftlicher Theorie bewusster, und umgekehrt weiss man auch, dass Zahlen für sich nicht sprechen.

Meine Absicht in diesem Kurs ist es zu zeigen, dass sowohl die Praxis von der Theorie wie auch die Theorie von der Praxis lernen kann. Denn alle WahlforscherInnen interessieren sich letztlich fürs Gleiche: “Wer wen wählt?”, ist die minimale Formel, “warum wer wen mit welche Wirkungen wählt” die maximale – sei dies in Praxis oder Theorie.

Claude Longchamp