Der unverrückbare Kern der Konkordanz

Die Schweiz hatte mal eine Zauberformel zur Besetzung des Bundesrates. Zuerst verflog der Zauber, jetzt schwindet auch die Strahlkraft der Formel. Das ist der Zeitpunkt, Konkordanz neu zu verstehen.

Nach 2003 richteten sich die Parteien mehrheitlich an der arithmetischen Konkordanz aus. Die Parteistärke allein solle den Ausschlag geben, wie sich der Bundesrat zusammensetzt. Wie er dabei funktioniert, sei nicht so wichtig. Die aktuelle Fortsetzung dieser Diskussion steckt im Patt: Die FDP macht die Wählerstärke zum Massstab, und die CVP stützt sich auf die Fraktionsstärke.

Vordergründig klärt das Wahlbarometer der SRG SSR idee suisse, das heute erscheint, diesen Parteienzwist nicht. Denn sowohl WählerInnen-Anteile wie Fraktionsstärken interessieren nur Minderheiten. Selbstredend sind Prozentwerte bei der FDP-Wählerschaft wichtiger, Sitze im CVP-Elektorat. Und es sind auch nur Minderheiten, die sich für eine ganz bestimmte Partei ausprechen. Unter ihnen liegt die FDP vorne.

Hintergründig erhellt die Umfrage unter den Wahlberechtigten aber, in welche Richtung sich das Konkordanzverständnis des Elektorates entwickelt. Das Numerische an der Konkordanz ist keine Richtschnur mehr, eher noch eine negative Schablone: Die vier grösseren Parteien sollen, so die Mehrheit der Befragten, auf jeden Fall im Bundesrat vertreten sein. Ihre Sitzzahl genauso wie die fallweise Berücksichtigung anderer Parteien hängt jedoch von der Person der BewerberInnen ab.

Damit sind wir bei der einen Lehre aus dem aktuellen Wahlbarometer: Gefragt sind heute Persönlichkeiten. Man sehnt sich nach Politiker und Politikerinnen, die aufgrund ihrer Ausstrahlung, ihres Auftritts und ihrer Auffassungen zu überzeugen vermögen. Sie sollen das Land regieren. Die zweite Lektion lautet: Gefordert wird, dass die Parteien, die im Bundesrat vertreten sein wollen, zur Zusammenarbeit gewillt sind und dass sie – gerade unter dem Eindruck weltwirtschaftlichem und aussenpolitischem Druck – bereit sind, gemeinsam ein Programm zu realisieren, das der Schweiz dient. Bundesratsbeteiligungen sind nicht mehr eine Frage des Rechenschiebers, vielmehr eine der vertretenen Inhalte.

Das ist der unverrückbare Kern der Konkordanz, wenn es inskünftig um Bundesratswahlen geht.

Claude Longchamp

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