Angebliche Studentin schreibt Seminararbeit, horcht aber politische Gegner aus: Was tun?

Es ist eine unappetitliche Geschichte, welche die aktuelle Wochenzeitung unter dem Titel “Studentin in fremden Diensten” präsentiert. Den Universitäten kann es nicht egal sein, wenn studentischen Qualifikationsarbeiten für andere als vorgesehene Zwecke missbraucht werden.

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Laut WOZ hat eine Freelancerin der Zürcher PR-Firma Farner AG, seit Jahren gegen armeekritische Volksinitiativen aktiv, an einem Strategieseminar der pazifistischen “Gruppe für eine Schweiz ohne Armee” teilgenommen, bei dem es um die Kampagnenplanung zur anstehenden Volksabstimmung über die Kriegsaterialausfuhr ging.

Seitens der PR-Firma beteuert man, mit der privaten Aktion nichts zu tun zu haben. Die Agentur werte nur aus, was allgemein greifbar ist. Das Initiativkomitee seinerseits wehrt sich gegen den Vorwurf, mit der Ausschreibung der Veranstaltung auf Internet zur Bespitzelung geradezu eingeladen zu haben; Es sei auf die Mitarbeit von vielen Gleichgesinnten angewiesen.

Aus Sicht der Politikwissenschaft als Fach darf die Diskussion nicht dabei stehen bleiben. Vielmehr muss interessieren, dass das unübliche Vorgehen seitens der Freelancerin mit der tatsachenwidrigen Aussage begründet wurde, sie studiere in Bern Politologie und bereite eine Seminararbeit über Abstimmungskämpfe vor.

Es ist fast schon symptomatisch, wie wissenschaftliche Ausbildungsvorschriften zu politischen Zwecken missbraucht werden können. Denn universitären Qualifikationsarbeiten geht der Ruf voraus, ohne Hintergedanken gemacht zu werden. Das verschafft notwendige Freiräume, die es auch für die Zukunft zu schützen gilt.

Angesichts der Vielzahl Seminar- und ähnlicher Arbeiten, die in den Sozialwissenschaften auch zu aktualitätsbezogenen Fragen verfasst werden müssen, entsteht ein kollektives Forschungssystem, das individuell leicht missbraucht werden kann. Letztlich können sich wissenschaftliche Institute nur so schützen, indem sie als Institutionen die bewilligten Arbeiten und deren VerfasserInnen auf Internet publizieren. Damit kann jeder und jede, der oder die Verdacht schöpft, einen einfachen Kontrollckeck machen. Und die Tarnung der Politik als Wissenschaft entfällt.

Claude Longchamp