Der Kandidat der Medien

Fulvio Pelli profiliert sich mehr und mehr als Bundesratskandidat der Massenmedien. Mit allen Vor- und Nachteilen.

Er wolle, wenn seine Fraktion wolle. Das ist die Botschaft des FDP-Präsidenten Fulvio Pelli, die er gestern im Zusammenhang mit der Nachfolge für Pascal Couchepin im Bundesrat aussandte. Damit sagt er nicht mehr Nein, wenn auch noch nicht ganz Ja. Und brachte er sich in eine mögliche win-win-Situation: Sollte es einer der bisherigen Bewerber schaffen, war er der gute Taktiker; sollte man ihn in der Not berufen, ist der Favorit, der es richten könnte.

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Chapatte, der welsche Karikaturist, bringt es im Le Temps von heute auf den Punkt: Seit Wochen tanzt Fulvio Pelli in verschiedenartigen Piruetten rund ums Bundeshaus, und die Medien folgen ihm, dem FDP-Präsidenten, dem Schwaller-Kritiker und dem Nicht-Kandidaten, auf Schritt und Tritt.

Das alleine überrascht, denn Pelli ist, seit er an der Spitze der FDP steht, nicht eben der Medienliebling gewesen. Seine zielstrebige Arbeit, aus der Verlierer-Partei FDP wieder eine Gewinnerin zu formen, wurde medial immer wieder mit den Stimmen seiner parteiinternen KritikerInnen von der Stahlhelmtruppe torpediert. Nach der Wahlniederlage 2007 klagte man, er habe die Partei nicht im Griff, und als er seinen Vize-Noser nach ungeschickten Aeusserungen zur Pauschalbesteurung in die Wüste schickte, warf man ihm vor, alles selber bestimmen zu wollen.

Wenn er nun im Zentrum des medialen Interesses steht, dann wohl aus einem Grund: Nur zu gerne würden Verlagshäuser, Chefredaktoren und Politjournalisten die Rolle der Nominatoren bei Bundesratswahlen übernehmen. Das Volk sollte durch sie und nicht durch die Parteien in der Regierung repräsentiert werden. Diese kennen ihr Ritual, wie sie BundesrätInnen küren: Die Kantonalparteien schlagen vor, die Fraktion selektioniert, und die Bundesverstammlung bestimmt.

Pelli hält sich nicht daran, und genau das macht ihn spannend, hebt ihn ab von den Parteigängern wie Didier Burkhalter oder Martine Brunschwig-Graf. Denn es bleibt die nicht beantwortbare Frage, ob es am Schluss auch gelinge, welche die Aufmeksamkeit sichert.

Genau das kann auch ins Auge gehen. Zuerst disqualifiziert Pelli mit seinem Verhalten die übrigen Bewerbungen. Das dürfte dem Parteipräsidenten eigentlich nicht gleich sein. Und sollte er den Sprung in den Bundesrat nicht schaffen, wäre aus der formidablen Anlage eine lose-lose-Situation geworden, wohl mit Konseqenzen bis 2011.

Zufällig begegne ich auf Berns Strassen dem FDP-Generalsekretär Stefan Brupbacher in aufgeräumter Stimmung. “Es läuft gut!”, sage ich ihm. “Ja, durchaus, erhalte ich zur Antwort”. “Wird es Pelli?”, frage ich nach und habe eine perplexen Parteisoldaten vor mir: “Gerade sie sollten es doch wissen, dass es einen Unterschied gibt zwischen veröffentlichter und öffentlicher Meinung!”

Claude Longchamp