#Frisch gebloggt: Wie stark sind die Schweizer Parteien heute?

Das zweite von vier Wahlbarometern im Wahljahr weist die aktuell bekundeten Parteistärken aus. Demnach liegt die SVP unangefochten an der Spitze, gefolgt von SP, FDP, Mitte, Grüne und Grünliberale. Neu ist der Abstand zwischen FDP und Mitte am kleinstem. Dafür ist der Vorsprung der Mitte auf die Grünen angewachsen.


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Korrekturwahl oder Jojo-Effekte
Gegenüber 2019 postuliert das Wahlbarometer eine «Korrekturwahl». Denn SVP, SP und Mitte könnten nach Verlusten bei der letzten Wahl wieder erstarken. Die GLP könnte nochmals zulegen und die FDP erneut verlieren.
Ich setze “Korrekturwahl” schon länger mit “Jojo-Effekten” gleich. Demnach verliert eine Partei eine Wahl, wenn man die vorherige klar gewonnen hat – und umgekehrt.

Etwas zittrige Messwerte
Bei den konkreten Zahlen habe ich etwas mehr Differenz. Denn die Messwerte in allen Umfragen sind etwas zittrig.
Zweimal die gleiche Tendenz in zwei aufeinanderfolgenden Umfragen des gleichen Instituts gab es jüngst nur bei der SVP in positiver und der FDP resp. den Grünen in negativer Hinsicht. Da kann man von Trends ausgehen. Bei SP, Mitte und GLP wechseln sich Veränderungen und Stabilität aber schneller ab.

Combining als Alternative
Seit 8 Jahren betreibe ich eine Alternative zur mittelfristigen Bestimmung der Parteistärken. Gelernt habe ich sie beim Projekt «Pollyvote», das namentlich amerikanische Präsidentschaftswahlen so analysiert hat, um allfällige Verzerrungen in Umfragen erkennen eingrenzen zu können. In der Fachsprache spricht man von «Combining».
Das Verfahren ist einfach: Es braucht mehrere Indikatoren zu Parteistärken, die voneinander unabhängig sind. Bei identischen Indikatoren wird zudem ein Mittelwert bestimmt.

Parteistärken im Parlament und in Umfragen
Noch bleibt viel Aufbauarbeit, um bei Schweizer Wahlen mittels Combining zuverlässige Aussagen zu machen. Immerhin gibt es eine Zwischenbilanz. Eine vereinfachte Form findet sich obenstehend.
Aufgrund der Fraktionsstärken (samt Nachwahlen seit 2019) ist wiederum die SVP ist die Nummer 1, SP und Mitte teilen sich den zweiten Platz, die FDP folgte als vierte, noch vor den Grünen und der GLP.
Nimmt man das Mittel der der Erhebungen für die SRG und die Tamedia Gruppe, führt die SVP, gefolgt von der SP, der FDP, der Mitte, den Grünen und der GLP.
Vergleicht man die beiden Teilergebnisse gibt es Uebereinstimmungen und Unterschiede. Bei den Fraktionen ist die Mitte vor der FDP, in den Umfragen liegt sie dahinter. Allerdings wird der demoskopische Unterschied geringer.
Wer im Herbst 2023 von FDP und Mitte die Nase vorne hat, kann momentan noch nicht entschieden werden.

Was sich mittelfristig geändert hat
Gegenüber 2019 hat sich vor allem die Position der Grünen verändert. Damals waren sie die vierte Partei, mindestens bei den Parteistärken. Vordergründig ist die Veränderung eine Folge des Rückgangs in der Wählendenstärke in Umfragen. Hintergründig wichtiger ist, dass CVP und BDP eine Fusion zur Mitte-Partei eingegangen sind und bezogen auf ihre Anteile von 2019 die Grünen überholt haben.

Was daraus folgt
Erstens ist die Reihenfolge der Partei (seit der Fusion zur Mitte) konstant. So schnell ändert das in der Schweiz nicht.
Zweitens, Parteistärken in Umfragen sind Momentaufnahmen, entweder durch die Messung oder durch das Politklima während der Messung bestimmt.
Drittens, der nationale Haupttrend besteht in der Polarisierung, von der SVP und SP profitieren.
Viertens, minimal gibt es neue auch eine Stärkung des Zentrums.
Fünftens, die Hausse der grünen Parteien ist ans Ende gekommen. Sie sind zusammen schwächer als 2019, vor allem wegen dem Einbruch der Grünen. Beide Parteien bleiben aber stärker als 2015, zusammen und einzeln.

Claude Longchamp