Parteien ein Jahr vor den Wahlen: heute die Mitte – der Nukleus des neuen Zentrums

Die Mitte tritt 2023 erstmals bei einer nationalen Wahl an. Die neue Partei dürfte alles Voraussicht nach stärker sein, als die CVP 2019. Doch ist es noch unsicher, ob man die bisherigen Anteile von CVP und BDP einfach zusammenzählen kann. Denn jede Fusion eröffnet Chancen, birgt aber Risiken.

Kurzfassung von @nau_live hier

Kein Durchbruch, aber kampfbereit
Bis jetzt folgte der Fusion kein Durchbruch. Die erhofften 15 Prozent sind unwahrscheinlich. Gut 13 Prozent liegen aber drin. Denn die Partei kann kämpfen. Sie tritt mit zwei Initiativen ab. Und sie kann auf Bundesrätin Amherds positive Ausstrahlung zählen, verfügt über einen eloquenten und präsenten Präsidenten, und im Hintergrund wirkt ein erfahrenes Parteisekretariat.
Verbessert haben sich in der laufenden Legislaturperiode namentlich die Jungen und die Frauen. Sie konnten aus dem Schatten der Vaterpartei heraustreten. Beides ist eine Vorstufe, um neue Wählenden in nachstossenden Generationen, aber auch bei Frauen zu gewinnen. Jetzt braucht es noch die Arbeit der Vollendung, damit es zu einer Verjüngung der Gewählten kommt, aber auch zu mehr Frauen beispielsweise im Nationalrat.
Ein erster wichtiger Schritt dazu wurde mit der Nachwuchsförderung getan, die mit der Fusion lanciert worden ist. Bereits drei Talente von damals sind heute in kantonale Exekutiven. Die Dittli-Schwestern sorgten in den Kantonen Waadt und Zug mit dem direkten Einzug in die Regierungen für Furore – und sie stehen für den Wandel der Partei.

In Volksabstimmung gut positioniert
In der laufenden Legislaturperiode war die Mitte auch die erfolgreichste Partei. Sie hat mit der GLP am meisten Abstimmungssiege errungen.
Im Zentrum ist das recht einfach. Aber man kann sich auch vertun. Die FDP war es in der letzten Amtszeit des Parlaments, in dieser ist sich mit ihrer Neupositionierung nach rechts gerade da zurück gefallen.
Stark exponiert hat sich die Mitte bei der Rentenreform. Nirgends wurde so deutlich, dass es trotz Polarisierung eine Zentrumsposition gibt wie da. Klar war die Abgrenzung gegenüber der Blockade von links, aber auch gegenüber weiteren Reformschritten, wie sich von rechts verlangt werden.
Schliesslich war die Zwischenposition im Parlament und unter den Stimmenden mehrheitsfähig. Auch wenn die Gesellschaft zwischen Frauen und Männer mehr polarisiert wurde als anfänglich angenommen.

Alleine nicht zu mehr Macht, im Verbund aber möglich
Die Mitte hat durchaus Aussichten, sich stimmenmässig vor den Grünen zu behaupten. Sollte es knapp werden, wird die Partei auf ihre Schar an StänderätInnen verweisen, um den Vorteil zu bewahren.
Fraktionsmässig ist der dritte Platz wohl gesichert. Doch wird sie damit die FDP bei den Bundesratswahlen nicht bedrängen können.
Dafür bräuchte es wohl eine weitere Reorganisation der Mitte. Eine weitere Fusion dürfte vorerst ausbleiben. Eine Fraktionsgemeinschaft etwa mit der GLP könnte Vorteile bringen. So läge man sitz- und stimmenmässig klar vor der FDP. Das könnte für einen zweiten Sitz reichen, der als Angebot im Turnus an die GLP gehen könnte.
Das würde die Machtverhältnisse im Bundesrat ändern, ohne dass es zu einem Linksrutsch käme Gestärkt würde das Zentrum, heute mit der Mitte als Nukleus.

Claude Longchamp