Parteien ein Jahr vor den eidg. Wahlen: heute SP- die bedrängte Regierungspartei

Die bisherige Legislaturbilanz der SP ist durchzogen. Pluspunkten bei Volksabstimmungen stehen Minuspunkte bei Wahlen gegenüber. Das nagt an der Berechtigung, auf Dauer zwei Bundesratssitze zu beanspruchen.

Schrumpfende Abordnung im Ständerat droht
Bei den vorgezogenen Bundesratswahlen sieht es für die SP nicht schlecht aus. Auf die Bisherige Simonetta Sommaruga dürfte eine der drei Frauen folgen, die sich aktuell bewerben. Sie alle bringen mit nationaler Parlaments- und kantonaler Regierungserfahrungen die wichtigsten Voraussetzungen mit. So dürfte die SP mit einem amtserfahrenen Mann und einer neuen Bundesrätin ins massgebliche Wahljahr steigen können.
Da muss sie sich verbessern. Besonders wackelt es im Ständerat. 2015 war man mit 12 Sitzen auf dem Höhepunkt. 2019 waren es noch neun, aktuell sind es durch eine verlorene Ersatzwahl noch 8. Und es ist nicht sicher, ob die Partei die Sitze in den Kantonen St. Gallen und Tessin halten kann, die durch Rücktritte neu besetzt werden müssen. 2023 könnte ein Sitzgewinn in der Waadt durch einen Sitzverlust im Kanton Solothurn aufgewogen werden.
Auch die Ausgangslage für die Nationalratswahlen ist etwas unsicher. Die beiden jüngsten Umfragen deuten ein knappen Halten bei rund 16 Prozent Wählenden-Anteil an. Doch die kantonalen Wahlen verheissen weniger Gutes. Die Zwischenbilanz ist negativ. Wieder etwas besser sieht es bei den Regierungsratswahlen auf. Da kann sich die SP halten.
Im besten Fall bleibt die SP 2023 knapp vor der FDP. Im schlechtesten fällt sie hinter sie zurück – mit Folgen für die Bundesratszusammensetzung. Denn ohne diesen Vorteil dürfte der Bundesratssitz von Alain Berset unsicher werden. Und: Bei den Gesamterneuerungswahlen 2023 dürften mindestens die Grünen mit einer eigenen Kandidatur (gegen verschiedene BundesrätInnen) antreten.

Vetoplayer in Steuer- nicht aber in sozialen Fragen
Vorteilhafter ist die Zwischenbilanz der SP bei den eidg. Volksabstimmungen. Die Partei hat sie in Steuerfragen als erfolgreicher Vetoplayer etabliert. In der laufenden Legislaturperiode gewann sie praktisch im Alleingang die Referendumsabstimmungen zur Stempel- und zur Verrechnungssteuer. In beiden Mal obsiegte sie dank den Stimmen aus der stimmenden Bevölkerung gegen die bürgerliche Parlamentsmehrheit.
Zu gerne hätte die SP das Gleiche bei der AHV Reform erreicht. Doch scheiterte sie da – wenn auch knapp. Besonders schmerzhaft war dies, weil die breite Frauen-Allianz aus dem Frauenwahljahr 2019 zerfallen ist. Bei den Akteuren im Parlament geht die neue Konfliktlinie zwischen rotgrün und Frauen aus dem Zentrum durch. Zu Gute halten kann sich die SP allerdings, dass die Frauen selber insgesamt und besonders die jungen Frauen (gross)mehrheitlich klar gegen die Rentenalterserhöhung gestimmt haben.
Erfolgreich war die SP im Verbund von Grün bis Mitte bei der Einführung des Vaterschaftsurlaubs. Punkten konnte man zudem mit dem Engagement bei der Pflege- und der Tabakwerbevorbotsinitiative.

Parteireform ohne Durchschlag
Die Parteireform unter dem neuen Präsidium zeigt die erhofften Wirkungen noch nicht. Gut hörbar sind die Klagen, man habe während der Pandemie zu regierungstreu politisiert. Jetzt hat der Wind gedreht, den der Vorwurf lautet, pointiert linke Blockade-Politik zu betreiben. Auch der neue Parteirat sucht noch seine Rolle. Die Lücke der selten gewordenen Delegiertenversammlungen füllt er noch nicht. Verbessert hat die Partei ihre online-Kommunikation. So kann sie unabhängiger von den Massenmedien ihre Geschichten erzählen. Sichtbarer geworden ist die Frauenpartei. Aktiv ist zudem die Juso, wenn auch nicht selten mit einer parteiunabhängigen Politik.
Was bleibt, ist der Vorwurf auch aus der Partei, keine Regierungspartei mehr zu sein, sondern eine Bewegungspartei.
Im Wahlkampf will die SP demonstrativ Partei ergreifen und mit Initiativen punkten. Gemeinsam mit den Grünen hat man das Projekt für einen Klimafonds lanciert. Sie soll die Energiewende finanziell sichern. Selber setzt man sich für mehr bezahlbare Kitas ein. Und mit den Gewerkschaften unterstützt die SP die Forderung nach einer 13. AHV-Rente. Gestärkt werden soll damit das Profil in zeitgemässen sozialen Fragen.

Partei der neuen Mittelschichten
Elektoral ist die SP mehrheitlich eine Frauenpartei geworden. Gegen einen Fünftel stimmen da für sie SP. Bei den Männern liegt der Wählenden-Anteil indessen bei gut 12 Prozent. Zudem schlägt das Alter durch. Namentlich bei den jüngeren Generationen sind allen voran die Grünen und die Grünliberalen eine Alternative. Soziologisch gesehen ist die SP die Partei der neuen Mittelschichten. Insbesondere in sozio-kulturellen Berufen ist sie gut vertreten, nicht aber in anderen. Den Anspruch, eine Partei für alle zu sein, kann sie nicht einlösen.
Eine Politik für alle statt für wenige ist das vor allem wegen der dem ersten Anspruch nicht. Und vom Linksrutsch von 2019 ist nicht mehr viel sichtbar.