Wird Trump wiedergewählt? Nein, sagt der beste Prognostiker

Wenn ein Algorithus den Gewinner der US-Präsidentschaftswahlen sucht, muss man unweigerlich an den Historiker Allan Lichtman denken. Denn er hat ihn bereits in den 1980er Jahren konzipiert und damit seither erfolgreich Prognosen gemacht, die er auch inhaltlich begründen kann.

Wir sind es uns gewohnt, eine Wahl in der Campaigning-Logik zu analysieren. Wir lassen die wichtigsten Kampagnen-Momente nochmals Revue passieren, erinnern uns an die medialen Bewertungen, und es spielt eine Rolle, wie das Ganze bei uns ankam.
Allan Lichtman, Historiker an der Washington Universität, hat ein ganz anderes Vorgehen entwickelt, und damit eine ausserordentliche Treffsicherheit erreicht.
Er folgt der Governing-Logik, die auf die Ergebnisse des Regierungshandelns abzielt. Hierfür hat aus der amerikanischen Geschichte dreizehn Schlüsselfragen eruiert, die ihm helfen, das Ergebnis der Wahl vorherzusehen.
Und, welch Wunder: Er hat bei den US-Präsidentschaftswahlen seit 1984 so stets die richtige Prognose abgegeben!

Uebersicht zu den Bewertungen der US-Präsidentschaftskandidaten seit 1984 von Allan Lichtman

Quelle: Wikipedia

Lichtmans These ist, dass die Wahlen in den USA eine Art Referendum für die Partei des Amtsinhabers sind.
Ueberwiegt das Positive, bleibt die Partei an der Macht, im umgekehrten Fall kommt es zum parteipolitischen Machtwechsel.
Damit hatte er namentlich 2016 grossen Erfolg, denn er gehörte zu den ganz wenigen Prognostikern, der die Abwahl der Demokraten und damit die Niederlage Hillary Clintons voraus sah.
Die beigefügte Tabelle zeigt, wie die neuerliche Beurteilung Trumps ausfällt. Um sie richtig zu lesen, muss man den Rollenwechsel verstehen, dem er vom Herausforderer zum Herausgeforderten unterliegt.
Einfach gesagt: Nicht er führt das Referendum wie 2016. Vielmehr führen die Demokraten nun das Referendum gegen Trumps Republikaner.

Lichtman sieht sechs relevante Stärken des Präsidenten:
Trump ist der Amtsinhaber (incumbency), hatte keine nennenswerten Herausforderer bei den Vorwahlen (contest), und es gibt aktuell keine nennenswerte Drittpartei, die um die Macht kämpfen würde (thrid party). Der Historiker attestiert dem Präsidenten, einen politischen Wandel im Sinne seines Wahlprogramms und seiner Wählenden erreicht (policy change) und militärisch keine grosse Niederlage erlitten zu haben (military failure). Schliesslich spricht für ihn, dass sein Herausforderer Biden kein Charisma hat, das per se die Wählenden für sich gewinnt.
Doch gibt es für Lichtman auch sieben Schwächen, die er in zwei Katergorien einteilt:
Bereits vor Jahresfrist zählte er die Niederlage der Republikaner bei den Midterms dazu (party mandate), den fehlenden aussenpolitischen Erfolg (foreign success) und die zahllosen Skandale um seine Amtsführung dazu (scandal). Hinzu kam seine eigene Schwäche, denn er spaltete die Nation zusehends, statt der Präsident aller zu werden.
Das alleine hätte nach Lichtman jedoch nicht für eine Abwahl der Republikaner genügt, denn es wären erst vier Schwächen gewesen. Massgeblich war für ihn die beschleunigte Entwicklung im Corona-Jahr selber. Klar wurde die Verschlechterung der kurzfristigen wirtschaftlichen Lage, die schliesslich die Bilanz der ganzen Amtszeit entscheidend verdüsterte. Zudem brachen mit der BLM-Bewegung auch ernsthafte soziale Unruhen aus.
Zusammen sind das für den gewieften Diagnostiker und Prognostiker zwei Schwächen zu viel.

Lichtman hat einen äußerst beachtlichen Leistungsausweis als Prognostiker. Immerhin, sein Vorgehen hat auch gewisse Schwächen. Denn es wurde letztlich für den normalen Wahlausgang entwickelt. An Grenzen kommt es, wenn der popular vote und das electoral college verschiedene Mehrheiten kennen.
Fox News, dem Trump-nahen TV-Sender, erklärte Lichtman gestern Abend in aller Ruhe, der Republikaner werde abgewählt. Erstmals seit 1992 scheitere ein Amtsinhaber wieder.