Worüber wir am 12. Februar 2017 abstimmen: zum Beispiel die Unternehmenssteuerreform 3

Am 12. Februar 2017 steht unter anderem die Volksabstimmung zur dritten Reform der Unternehmenssteuer an. Unsere Einschätzung lautet, dass es sich um eine nicht vorbestimmte Entscheidungen handelt, bei der die befürwortende Seite leichte Vorteile hat, jedoch ein grosser Spielraum der Einflussnahme im Abstimmungskampf besteht. Die Auslegeordnung.

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Die Vorlage
Bei der Besteuerung von Unternehmen besteht seit einiger Zeit ein intensiver internationaler Steuerwettbewerb. Dieser hat zu Kritiken an der Schweizer Praxis geführt. Moniert wird namentlich die ermässigte Besteuerung von ausländischen Erträgen von Holding-, Domizil- und gemischten Gesellschaften durch die Kantone. Das Thema ist relevant: Die betroffenen Statusgesellschaften zahlen dem Bund rund 4,1 Milliarden Franken Gewinnsteuern. In den Kantonen kommen geschätzte 2,1 Milliarden Franken hinzu.
Mit der 3. Unternehmenssteuerreform soll die spezielle Besteuerung der Statusgesellschaften abgeschafft und mittels anderer Massnahmen kompensiert werden. Zahlreiche Kantone beabsichtigen deshalb ihre Gewinnsteuern zu senken. Der Bund will die finanziellen Folgen mit der Erhöhung des Kantonsanteil an der direkten Bundessteuer von heute 17 Prozent auf 21,2 Prozent mittragen. Bei ihm führt dies zu jährlichen Mindereinnahmen von 1,1 Milliarden Franken. Die Mindereinnahmen der Kantone sind unbekannt, denn sie hängen von den jeweiligen Gewinnsteuersenkungen ab.
Gegen die Reform wurde seitens der SP das Referendum ergriffen. Im Bündnis mit linken Parteien und Organisationen beklagt sie, die international geächteten Steuerprivilegien würden durch neue Steuerschlupflöcher für Konzerne und Grossaktionäre ersetzt. Die Ausfälle seien grösser als angenommen, würden mindestens 2,7, eher 3 Milliarden Franken betragen. Gemeinden und Städte seien die Leidtragenden. Negativ betroffen würden auch die Mitarbeitenden der öffentlichen Hand sein.

Die Referenz
2008 wurde letztmals über die Unternehmenssteuerreform entschieden. Die damalige Vorlage wurde in einer Referendumsabstimmung mit 50,5 Prozent knapp angenommen. Ihr Ziel war die Abschaffung der Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen. Zudem sollte sie die Unternehmensnachfolge bei KMU steuerlich erleichtern.
Voranalysen für die SRG gaben von Anfang an Vorteile für die Ja-Seite, aber keine gesicherte Mehrheit. In der Schlussphase legten beide Seiten zulasten der Unschlüssigen zu, die Nein-Seite jedoch deutlich stärker. Von Beginn weg polarisierte die Frage im Links/Rechts-Spektrum. Das bestätigte auch die VOX-Nachanalyse. Den Ausschlag gab die politische Mitte, denn sie sprach sich schliesslich zu 56% für die Vorlage aus. Ueberdurchschnittlich im Nein waren Gewerkschaftsmitglieder. Gesellschaftlich relevant war das Haushaltseinkommen. Je besser eine Person finanziell gestellt war, umso eher stimmte sie der Vorlage zu. Darüber hinaus zeigte sich das in Steuerfragen bekannte West/Ost-Gefälle, abgeleitet aus unterschiedlichen Staatsverständnisses in den Sprachregionen. Das weitaus meistgenannte Motiv der Befürwortung war die Absicht, mit der Steuerreform die Lage der KMU allgemein zu verbessern. Das wichtigste Motiv für die Ablehnung war, dass damit ein Teil der Steuerzahler zu Lasten der anderen bevorzugt werde.
Eine nachträgliche Beschwerde gegen die Volksabstimmung lehnte das Bundesgericht ab. Es kritisierte, im Abstimmungskampf habe der Hinweis gefehlt, dass in zentralen Bereichen die finanziellen Konsequenzen für den Bundeshaushalt nicht abschätzbar gewesen seinen. Damit hätten den Stimmberechtigten wichtige Informationen gefehlt, um sich beim Abwägen zwischen den Vorteilen von Steuererleichterungen und den Nachteilen von Steuereinbussen eine sachgerechte Meinung zu bilden. Die Abstimmung wurde aber nicht aufgehoben.

Die Prädispositionen

Im jüngst veröffentlichen Sorgenbarometer 2016 rangieren Steuerfragen nicht mehr im ersten Dutzend der Probleme, für welche die BürgerInnen prioritär von der Politik Lösungen erwarten. Es dominieren Arbeitslosigkeit, Ausländerfragen und Altersvorsorge. Das spricht gegen klar vorbestimmte Meinungen in der Frage der Unternehmenssteuerreform. Das geht auch aus einer Umfrageserie von gfs.bern zu den Prädispositionen zur neuerlichen Unternehmenssteuerreform hervor. Zwar zeigten sich zu Beginn des Jahres 2016 mit 39 zu 33 Prozent bei leicht steigender Tendenz etwas mehr Befragte mit der Reform einverstanden. 28 Prozent der Stimmberechtigten hatte aber keine vorgefasste Meinung. Das spricht für einen hohen potenziellen Einfluss des noch kommenden Abstimmungskampfes.

Die Parlamentsentscheidungen
Das Parlament entschied sich für eine bürgerlich geprägte Lösung der Unternehmenssteuerreform. In den Schlussabstimmungen passierte das Gesetz mit 74 (Ständerat) resp. 72 Prozent (Nationalrat) Ja-Anteil. Die Fronten verliefen dabei genau entlang der Fraktionsgrenzen. SVP-, FDP-, BDP-, CVP- und GLP-Mitglieder stimmten einhellig dafür, jene von SP und Grünen dagegen.
Rechnet man das Mass an Konflikt im Parlament in denkbare Unterstützungen unter den Stimmenden aus, kommt man auf eine Zustimmungsmehrheit in der Volksabstimmung, wenn auch recht knapp. Denn der Erwartungswert liegt zwischen 54 und 58% Ja. Unterstellt wird dabei, dass sich die Positionen der Parlamentsmitglieder so wie im Schnitt durchsetzen.

Der bisherige Abstimmungskampf
Der Abstimmungskampf wurde vom Finanzminister, Bundesrat Ueli Maurer, früh eröffnet. Unmittelbar nach der Volksabstimmung über den Atomausstieg setzten auch die Aktivitäten der Komitees ein. Die BefürworterInnen insistieren auf die Notwendigkeit von Anpassungen, befördert durch Innovationen. Für Forschung und Entwicklung soll ein Abzug gewährt werden, der höher ist als der tatsächliche Forschungs- und Entwicklungsaufwand. Deren Gegnerschaft beklagt, das gewählte Modell sei nicht zwingend, der Mittelstand werde bei Annahme die Rechnung begleichen. Die Boulevardpresse öffnete sich umgehend den Strassenaktionen der Nein-Seite, während die übrige Tagespresse insgesamt neutral berichtet.
Die Befürworter setzen bereits jetzt Plakate mit einer einfachen Botschaft und Inserate mit lokalen Absendern ein. Beide Seiten sind in den sozialen Medien aktiv. Dabei überwiegt in der Startphase ein skeptischer Unterton. Parolen haben die SP, GPS und EVP zugunsten des Referendums gefasst. Für die Vorlagen treten bis jetzt die SVP, die FDP, die CVP und die GLP ein.

Die Zwischenbilanz
Bilanziert man diese Einschätzung des Volksabstimmung vom 12. Februar 2017, wird man am ehesten von einer nicht prädisponierten Entscheidung zu einer Behördenvorlagen sprechen können. Keine der beiden Seiten weiss ein sichere Mehrheit hinter sich. Eine solche wird erst mit dem Abstimmungskampf entstehen. Die Behördenentscheidungen sprechen eher für eine recht knappe Ja-Mehrheit, wobei vorerst offen bleiben muss, ob sich der Abstimmungskampf wie gewohnt entwickelt und auswirkt. Ueberraschungen sind nicht auszuschliessen.

Claude Longchamp