Der Parolenspiegel als Prognose-Instrument bei Volksabstimmungen

Abstimmungsparolen sind ein guter Indikator für den politischen Konflikt vor einer Abstimmung. Ohne Elite/Basis-Konflikte sind sie auch ein einfacher, aber nützlicher Indikator der Abstimmungsprognose.

In der laufenden Legislatur stimmte die Parole von FDP und BDP in neun von neun Fällen mit dem Abstimmungsergebnis überein (siehe Tabelle 1). Es folgen CVP und GLP mit jeweils acht Treffern.

Tabelle 1:
Kurz- und langfristige Uebereinstimmungen von Volksmehrheiten und Abstimmungsparolen der Parteien

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Es bestätigt sich: Die liberalen, zentrierten Bürgerlichen geben seit den Wahlen 2015 klar den Ton an. Weniger geeignet, um vorherzusehen, was am Abstimmungstag geschieht, sind die Parolen von GPS, SP sowie EVP auf der einen und der SVP auf der anderen Seite. Sie nahmen aus Bevölkerungssicht in mehreren Fällen zu pointiert links oder rechts Stellung.
Natürlich ist die Fallzahl an Abstimmungen seit den letzten Wahlen etwas gering. Geschildertes könnte auch Zufall sein. Stellt man statt auf die kurzfristige Wahrscheinlichkeit der Uebereinstimmung von Parteiparolen und Resultaten in Volksabstimmungen ab, rangieren BDP, CVP und GLP vor der FDP. Es nimmt vor allem die Bedeutung der SVP-Empfehlung zu, die anfangs 2016 mit ihren Positionierungen ein unübliches Tief kannte.
Stellt man im Wissen um die genannten Zusammenhänge auf die aktuellen Parteiparolen ab, erscheinen zwei Nein bei den Volksinitiativen und ein Ja bei der Behördenvorlage als plausibelste Szenarien fürs Abstimmungswochenende. Ausnahmen sind möglich, aber mit einer Wahrscheinlichkeit von unter 20 Prozent.
Die Parolen FDP, CVP und BDP stützen dies vollumfänglich. Hinzu kommt der langfristige Werte der SVP-Parole. Etwas Unsicherheit bringen alleine die GLP-Parolen ins Spiel: Bei der AHV stramm bürgerlich, beim Nachrichtendienstgesetz zwischendrin, steht die Partei bei der Grünen Wirtschaft auf der rotgrünen Seite. Ganz abweichend sind in den aktuellen Konflikten die SP und die GPS; teils anders erscheint auch die EVP. Doch sind die Scores ihres Parolenspiegels kurz- und langfristig nicht ausschlaggebend.

Nimmt man zudem die SRG-Umfragen zu Hilfe, verstärkt sich der erste Eindruck (siehe Tabelle 2). Entscheidend sind nicht einmal die aktuellen Messwerte und Trends; vielmehr stellen wir hier auf das parteipolitische Konfliktmuster insgesamt ab.

Tabelle 2:
Parolenübereinstimmung nach Parteien und Vorlage gemäss SRG-Befragung, 2. Welle

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Nur bei der CVP erscheint in Sachen Grüne Wirtschaft umfrageseitig ein Elite/Basis-Konflikt möglich. Letztlich ist das für die Nein-Seite zu dieser Vorlage symptomatisch, denn ihre Geschlossenheit lag in der dritten Woche vor der Abstimmung bei 49 Prozent und war damit deutlicher geringer als jene der Ja-Seite. Der Trend spricht aber für einen Meinungsaufbau hin zum Nein, ganz gemäss Parolenspiegel. Bei der AHVplus-Initiative ist die mittlere Parolenunterstützung links wie rechts gleich, beim Nachrichtendienstgesetz im zustimmenden Lager höher als im ablehnenden. Das spricht gegen Überraschungen.
Oder anders gesagt: Minimale Zweifel, dass es zu relevanten Abweichungen vom Parolenspiegel kommt, gibt es bei der Initiative Grüne Wirtschaft. Signale sind vorhanden, auch wenn sie mit dem Trend schwächer werden. Bei den beiden anderen Vorlagen realisieren sich die Parolen mehrheitlich, was für ihre Prognosekraft spricht.

Fazit: Parolenspiegel und Parolenkonformität der Stimmabsichten nach Parteiwählerschaften legen für das kommende Abstimmungswochenende einen Normalfall mit zwei Nein zu Volksinitiativen und einem Ja zur Behördenvorlage nahe.

Claude Longchamp