Regierungsbildung im Kanton Luzern. Wenn nach der Wahl erst recht vor der Wahl ist.

Die Wahlen im Kanton Luzern sind vorbei. Das Parlament ist neu bestellt. Bei der Regierung ist allerdings ein zweiter Wahlgang nötig. Die Wahl beginnt hier erst.

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Die drei bürgerlichen Bisherigen, Reto Wyss, Robert Graf und Guido Küng, wurden im Kanton Luzern problemlos wiedergewählt, jetzt geht es um die beiden verbleibenden Sitze.

Ausgangslage
Mit dem heutigen Tag steht die gegenwärtige Luzerner Regierungszusammensetzung zur Disposition. Im ersten Wahlgang zu den Regierungsratswahlen wurden erwartungsgemäss die bisherigen bürgerlichen Regierungsmitglieder gewählt. Zwei CVP-Vertreter und einer der FDP sind klar im Amt bestätigt worden. Das absolute Mehr nicht geschafft hat der parteilose Bisherige. An dieser Hürde ebenfalls gescheitert ist die neue Kandidatin der SP, welche die zurücktretende linke Regierungsrätin beerben wollte. Keine Chancen hatten die beiden grünen Bewerbungen.

Lösungsansätze
Damit stehen drei Ansprüche für zwei Sitze im Raum. Dilemmata sind vorprogrammiert. Denkbar sind drei Lösungen:
. Erstens, eine Regierung ohne SVP: Für diese Variante spricht die bisherige Zusammensetzung. Bisherige, die sich wieder bewerben, soll man nicht abwählen, und den Ersatz für Bisherige sucht man ihren eigenen Reihen. Gegen die Tradition eingewendet werden kann, dass die Parteienlandschaft in Luzern Bewegung ist, und die SVP bei den jüngsten Wahlen wählerInnen- und sitzmässig zugelegt hat. Die Nummer 2 in der Parteienlandschaft von der Regierung fern zu halten, lässt sich vor allem auf dem Land und in Kleinstädten immer weniger begründen.
. Zweitens, eine Regierung ohne SP: Für diese Variante spricht der Trend bei der jüngsten Wahl. Zudem ist die SVP stärker als die SP; das gilt selbst dann, wenn es der SP gelänge, alle Stimmen der Grünen in der Regierung zu vertreten. Die Integration der SVP in der Luzerner Regierung hat damit Vorrang vor der Repräsentation der SP resp. der Linken. Gegen diese Aenderung spricht vor allem das Geschlecht der anderen Regierungsmitglieder und –anwärter. Denn es handelt sich ausnahmslos um Männer. Diese dominieren zwar auch das Parlament, im Verhältnis von 7 zu 3, aber nicht 10 zu 0. Identifikationsprobleme mit der Luzerner Stadtbevölkerung würden wohl zunehmen.
. Drittens, eine Regierung ohne Parteilose: Für eine solche Variante spricht, dass die Parteien, zentrale Träger (auch) des Luzerner Staates, in der Regierung vertreten sein sollten. SVP und SP sind zwei gefestigte Parteien, die im Parlament solid vertreten sind und damit eine ersichtliche Basis für die Regierungsbeteiligung haben. Hier kann man dagegen halten, dass der Bisherige im ersten Wahlgang besser abschnitt als die beiden, die ihn herausfordern, und das ungebundene Element immer auch eine Chance des Ausgleichs ist.

Arithmetik-Politik-Geschichte
Zum Argument könnten nebst Zahlen auch politische Absichten und die Geschichte werden. Die Vorgabe für Ersteres haben wichtige Wirtschaftsverbände des Kantons gemacht; ihr Ziel ist eine restriktive Finanzpolitik – mit der SP in der Opposition. Zweiteres erschliesst sich aus der Entstehung der jetzigen Regierungszusammensetzung. Denn die SP wurde im Luzernischen 1959 Regierungspartei – als Teil der landesweiten Konkordanz. Als die CVP 2005 auf ihre absolute Mehrheit im Regierungsrat verzichtete, machte sie das, um den Weg der SVP-Regierungsbeteiligung zu ebnen – ebenso im Sinne der Konkordanz.

CVP und FDP
Eine Vorentscheidung fällt schon diese Woche, wenn die Parteispitzen von CVP und FDP ihrer Empfehlungen abgeben. Meine Wette: Beide sind für die SVP, tun sich aber schwer mit der zweiten Parole. der FDP dürfte die Rechtstrend näher stehen, der CVP der Ausgleich zwischen den Polen.
Von oben herab wird man ohnehin nicht entscheiden können. Denn beide Parteien haben bei den Regierungsratswahlen erreicht, was sie für sich wollten. Ihr Vorteil ist, dass sie nichts mehr zu verlieren haben. Ihr Nachteil: Ihre Wählerschaften werden nicht einfach nochmals zu mobilisieren sein. Wäre dies der Fall, könnte eine gemeinsame Parole alles entscheiden.
Entscheiden die Luzerner Wahlberechtigten anfangs Mai wie die katholisch-konservativen Nachbarn in der Zentralschweiz, hätte die SP das Nachsehen. Machen sie es so wie die pluralistisch eingestellten Berner- oder AargauerInnen in angrenzenden Mittelland, würde das das Aus für den Parteilosen in der Regierung bedeuten. Sollten sich die LuzernerInnen schliesslich am entfernten Kanton Solothurn orientieren, bliebe alles beim Alten.

Folgen

Alle drei Varianten hätten eine Botschaft an die nationale Politik: Die erste würden lauten, Regieren soll einheitlicher, sprich bürgerlicher werden. Die zweite hiesse, Wählerstärke zählt und die BDP ist auch national keine Regierungspartei mehr. Die dritte schliesslich würde bedeuteten, dass sich die SVP eindeutig zwischen Opposition und Regierung entscheiden und Wie die gespaltene Linke Verantwortung mittragen muss.

Claude Longchamp