Wie der Medientenor zur Autobahnvignette kippte

Der Medientenor zur Vignette änderte sich im abgelaufenen Abstimmungskampf erheblich: Es nahm die Resonanz des Themas zu, und gleichzeitig kippte die Bewertung der Vorlage vom Positiven ins Negative.

Die Forschungsstelle für Oeffentlichkeit und Kommunikation legte gestern ihren 2. Bericht zum Abstimmungsmonitoring vor. Dieser zeigte, wie die Massenmedien über die drei Vorlagen berichteten, über die am 24. November 2013 entschieden wird. Das Fazit: Die 1:12 Initiativen interessierte am meisten, die Vignette am wenigsten; der Tenor war bei den beiden Initiativen negativ, bei der Vignette insgesamt ausgeglichen. Doch halt!

Die Befunde im Trend
Eine Spezialauswertung, die ich selber vorgenommen habe, legt nun durch den Vergleich der Verhältnisse in der ersten resp. zweiten Phase des Abstimmungskampfes die Entwicklungen offen – was mehr als der Durchschnitt aussagt.

Tabelle: Resonanz der Vorlagen zu den Volksabstimmungen vom 24. Nov. 2013 in den Massenmedien
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Die Resonanz der Themen nahm insgesamt leicht zu; 173 der berücksichtigten Artikel widmeten sich in der ersten Phase den Vorlage, in der zweiten waren es 198. Der Trend bei den Vorlagen verlief allerdings ungleich. In der ersten Phase dominierte die Berichterstattung über die 1:12 Initiative, derweil sich die Verhältnisse in der zweiten annäherten. Hauptgrund: Besonders über die Familieninitiative wurde mit der Dauer des Abstimmungskampfes deutlich mehr berichtet als zu Beginn; eingeschränkt gilt dies auch für die Autobahnvignette, während sich die Intensität der Berichterstattung bei der JUSO Vorlage leicht zurückentwickelte.

Tabelle: Tendenz der massenmedialen Berichterstattung zu den Volksabstimmungen vom 24. Nov. 2013
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Legende: Die Verhältniszahlen zeigen die Anteile positiver und negativer Artikel, inklusive der neutralen; der Indexwert entsteht aus dem Anteil positiver minus negativer Artikel.
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Namentlich bei der Vignette kehrte auch die Tendenz in der Bewertung, von einer anfänglich positiven hin zu einer negativen Beurteilung. Je länger es dauerte, umso mehr kam die Gegnerschaft mit ihren Sichtweisen zum Zug. Von eigentlichen Trends kann man bei den Volksinitiativen nicht sprechen; die Mediensichtweisen war insgesamt von Beginn weg kritisch, und dies änderte sich im Verlauf der Kampagnen nicht wirklich.

Die Würdigung
Was heisst das? Die massenmediale Politisierung der Vignette fand erst im Abstimmungskampf statt. Die Aufmerksamkeit stieg, und mit ihr entwickelte sich die Tendenz ins Negative. Für eine Behördenvorlage ist das nicht ganz, aber teilweise überraschend, denn die Behördenseite dominiert in der Regel den Auftakt eines entsprechenden Abstimmungskampfes. Meist gelingt es aber, diesen Schwung bis zum Ende mitzunehmen. Dies war bei der Vignette nicht der Fall, indem in der zweiten Phase die Nein-Seite deutlich mehr Gas gab. Man bekommt den Eindruck nicht los, dass mit der Krktik an den Aussagen von Doris Leuthard zu neuen Einnahmequellen bei einem Nein die Trendwende begann, gegen die die BefürworterInnen medial kein Gegenrezept fanden.

Bei den beiden Volksinitiativen erkennen wir zwei andere Verläufe: Die 1:12 Initiative kannte eine frühe Politisierung; die so schon vor dem Abstimmungskampf ausgelöste Resonanz blieb hoch, verringerte sich nur wenig, je näher der Abstimmungstag kam. Die massenmediale Beurteilung war dabei durchgängig tief. Letzteres gilt auch für die Familieninitiativen, derweil sich die Aufmerksamkeit erst mit dem Abstimmungskampf selber ergab.

Der Vergleich mit den Trendumfragen
Die Beobachtungen passen recht gut zu den Trends in den SRG-Umfragewerten. Denn die 1:12 Initiative startete mit einer minderheitlichen Unterstützung, die sich in der Folge noch zugunsten der Gegnerschaft verschob. Ein Nein zeichnete sich hier schon im Abstimmungskampf ab. Bei der Familieninitiative kam es auch zu einem Nein-Trend ein, doch begann die Vorlage mit einer mehrheitlichen Zustimmung. Es blieb zwar eine relative Zustimmungsmehrheit in der letzten Befragung, allerdings bei negativem Trend in der Meinungsbildung. Bei der Vignette schliesslich stimmten Medientenor und Bevölkerungsmeinung zu Beginn überein. Beides war leicht zugunsten der Preiserhöhung. Doch Medienmeinung kippte im Abstimmungskampf, und auch die Zustimmung in der Trend-Umfrage verringerte sich, ohne 2 Wochen vor der Abstimmung einen klaren Ausgang erkennen zu können.

Mehr dazu morgen!

Claude Longchamp