33 Prozent dafür, 44 dagegen. Das ist das vordergründige Hauptergebnisse zur Managed Care Vorlage aus der ersten Repräsentativ-Befragung von gfs.bern für die SRG SSR Medien. Hintergründig zeigt unsere Studie auf, wo das Problem liegt.
Komfortabel ist die Ausgangslage für das Ja-Lager zur Krankenversicherungsrevision nicht. Am letzten Samstag beschlossen die Delegierten der SVP und der BDP, anders als die Mehrheit ihrer ParlamentarierInnen, die für die Reform gestimmt hatten, ihren Mitgliedern und Wählern ein Nein zu empfehlen.
Die davor abgeschlossenen Repräsentativ-Befragung der Stimmberechtigten für die SRG Medien zeigt warum: Die Skepsis gegenüber der Vorlage ist weit verbreitet. Gerade im rechten Lager. Nirgends hat die Managed Care Vorlage so viele Gegner wie bei der SVP. Noch am ehesten dafür ist das bürgerliche Zentrum, namentlich die CVP, aber auch die FDP. Doch selbst hier reicht es nur für eine relative Mehrheit. Rotgrün ist noch etwas ratlos: Viele Unschlüssige bei der GPS, eher mehr Gegner bei der SP.
Dasselbe bei den Argumenten: Mehr Qualität, mehr Effizienz sind die Schlagworte aus dem Ja-Lager. Zweiklassenmedizin und Einschränkung der freien Arzt- und Spitalwahl jene der Nein-Seite. Durchgedrungen sind sie damit erst bei den Vorentschiedenen, während die Meinungsbildung in der breiten Masse der StimmbürgerInnen davon noch weitgehend unberührt blieb.
Die gute Botschaft für die Behörden, welche die Vorlage ausgearbeitet haben, ist: Es gibt noch viel Spielraum. Die schlechte lautet: Das ist erfahrungsgemäss eher ein Steilpass für die Nein-Sager!
Die Erfahrung mit Meinungsbildungsprozessen zu umstrittenen Behördenvorlagen lehrt uns, dass es mit dem Abstimmungskampf zu einer Polarisierung der Unentschiedenen in beide Richtung kommt. Dabei hat es die Nein-Seite kurzfristig eher einfacher als ihre Widersacher.
Die Aufgabe der BefürworterInnen ist diesmal nicht einfacher: Denn die parlamentarische Allianz, welche der Neuerung zum Durchbruch verholfen hat, bröckelt. An die Abdresse des Souveräns ist das nie eine gute Botschaft. Und für die Aktivisten ist es ein Dämpfer.
Ich bleibe bei meiner Einschätzung, die ich vor knapp zwei Jahren zur Krankenkassenrevision kund getan habe: Behördenvorlagen, die mit der parlamentarischen Beratung bei der Bevölkerung nicht einen positive Grundwelle ausgelöst haben, haben es im Abstimmungskampf schwer. Der hätte, angesichts des komplexen Themas mit Fallstricken, seitens des Ja-Lagers nicht eben erst starten sollen, sondern mit der parlamentarischen Beratung, die immerhin seit 2004 dauert.
Das ist ein klares Stimmungsbild mit einem Trend zur Ablehnung der Managed Care-Vorlage noch bevor die effektiven Kampagnen der Befürworter und Gegner überhaupt gestartet sind.
Die Unentschlossenen werden eher Richtung Nein kippen, wenn sie merken, dass die Basis in den Parteien anders denkt und entscheidet als die Parteileitungen. Nicht mehrheitsfähig sind auch die Sparbotschaften der Befürworter und die vermeintlich bessere Qualität. Die Vorlage war einmal eine Behörden-Vorlage, abgestimmt wird aber über einen faulen Kompromiss des Parlaments und über eine Mogelpackung.
Abweichende Parolenfassungen verunsichern die Stimmenden und treiben die Unentschiedenen tendenziell ins Nein-Lager. Ohne die positive “Grundwelle”, die nirgends zu spüren ist, wäre etwas anderes als ein Nein am 17. Juni eine Überraschung.
Managed Care wird von den politisch Interessierten, die an die Urne gehen, als Managed Cost wahrgenommen – und sie glauben erst noch nicht daran, dass da wirklich Kosten gespart würden. Einschränkungen bei der freien Arzt- und Spitalwahl ohne bessere Qualität und dann noch mit höherem Selbstbehalt, dass wird kaum für eine Mehrheit reichen.
Die Ablehnung liegt keineswegs in einer mangelnden Bewerbung für Managed Care. Schliesslich werden wir seit Jahren mit teuren und glücksverheissenden Werbebotschaften zu Managed Care eingedeckt. In Tagesanzeiger, NZZ, in der FMH, VSAO überall hiess es ” Ja zu Managed Care, Ja zu Qualität, Ja zu Effizienz”. Penetrant wie Staubsaugerverkäufer wurde der Uralt-Ladenhüter MC als zukunftsträchtig angepriesen. Aber dank Internet haben die Leute mitgekommen, dass flächendeckendes Managed Care überall schlichtweg gescheitert ist, zu höheren Kosten führt, schlechter Qualität, weniger Freiheit der Patienten und Profit für die Managed-Care-Profiteure. In einer globalisierten Welt lassen sich die Stimmbürger nicht mehr so für dumm verkaufen, wie auch schon mal. Da hilft es auch nicht das Label zu wechseln zu “Integrierte Versorgung”, “Hausarztmedizin” und was für Fantasienamen man sich noch erdenken mag. Dieser Trick den die Schweizer Managed Care Lobby ihren amerikanischen Ziehvätern abgekupfert hat (false labeling of Managed Care) zieht nicht mehr. Es ist offenkundig geworden, dass Managed Care / Integrierte Versorgung mit groben Unwahrheiten hausieren geht und die dahinter stehenden finanziellen Interessen am grössten Feldversuch im Schweizer Gesundheitsmarkt vergessen machen möchte. Ein Nein am 17. Juni ist auch ein Nein an eine classe politique, die dem Stimmbürger eine kaputte Zweiklassenmedizin schmackhaft machen will, während die Damen und Herren in Bern selbst halbprivat und privat versichert bleiben.