Harmonisierung statt Polarisierung

Die letzte Woche vor den Parlamentswahlen ist angebrochen – das ist auch die Woche des Blicks von aussen auf die Schweiz. Eine kleine Bilanz zum Gespräch mit der ORF.

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Raphaela Stefandl, bekannte Moderatorin von “Vorarlberg-heute”, ist seit kurzem neue ORF-Korrespondentin für die Schweiz. Das Geschehen beobachtet sie vom grenznahen Dornbirn aus. Heute war sie bei mir in Bern.

Natürlich ging das Gespräch um die Wahlen – und um den Wahlkampf. Ihre These war, der starke Schweizer Franken laste über dem Land. Was bisher ein Vorteil war, kehre sich nun in einen Nachteil. Das hätten die SchweizerInnen kurz vor der Wahl begriffen, weshalb sie im Kampf um die Parlamentssitze nicht aufs Aeusserste setzten, sondern das gemeinsame Interesse betonten.

Da konnte ich nur nicken. Philipp Hildebrand, unser Nationalbank-Präsident, sei zum einflussreichsten Wahlkämpfer geworden, fügte ich bei. Zur vorherrschenden Polarisierung der Politik zwischen rechts und links EWR-Beitritt, habe er, erstmals in einem Wahlkampf, eine Art Harmonisierung geschaffen. Zwar sei die Politik der Nationalbank anfangs des Jahres erheblich ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Christoph Blocher, sekundiert von der Weltwoche, haben sie attakiert, weil man in den rechtskonservativen Kreisen die Intervention beim Wechselkurs für unnötig hielt. Doch dann schwoll der abgehobene Diskurs zum breiten Politikum an. Von der SP eingebracht, drehte sich die Diskussion um die Anbindung des Schweizer Frankens an den Euro. Sekundiert wurde die Linke nicht nur durch Gewerkschaften und Konsumentenschutz; auch die Exportindustrie und der Tourismus machten sich Sorge zur drohenden Arbeitsplatzverlagerung ins Ausland oder den Rückgang der Umsätze. Schliesslich kam es zum Kurswechsel beim Wechselkurs: Nationalbank und Bundesrat entschieden sich, einen Wechselkurs von 1.20 zwischen Franken und Euro mit allen Mitteln zu verteidigen – und beruhigten damit die Lage. Parteipolitische Potenziale für den Wahlkampf bot diese Frage kaum mehr.

2007 war das alles noch anders. Wirtschaftsfragen spielten im Schweizer Wahlkampf keine nennenswerte Rolle. Es dominierten Sicherheitsfragen, rund um die AusländerInnen, die seitens der SVP für die Kriminalität in der Schweiz verantwortlich gemacht wurden. Die Initiative der Nationalkonservativen traf den Zeitgeist und verstärkte ihn, weil sich alle damit und ihrer Symbolisierung mit dem Schäfchenplakat beschäftige. Schliesslich resultierte ein toller Wahlerfolg für die SVP. 2011 war die Einwanderung zwar erneut die Vorgabe der SVP, doch mobilisiert das Thema vor allem nach innen. Das Klima des Wahlkampfes prägten andere Momente: der Atomunfall in Fukushima zuerst, der starken danach und schliesslich der erneute Milliardenverlust der UBS. Keines dieser Ereignisse war geplant, jedes hatte seinen Ursprung im Ausland, wirkte sich aber auf die Befindlichkeit in der Schweiz aus.

Immerhin, ergänzte ich, wenn der Wahlkampf diesmal weniger kontrovers gewesen sei als noch vor 4 und 8 Jahren, habe das auch innenpolitische Ursachen. Die Linke habe nicht mehr auf jede Provokation der Rechten reagiert, denn das habe regelmässig Medienaufmerksamkeit für die SVP-Themen erzeugt. Bei den Zürcher Kantonalwahlen habe man dieses Verhalten erstmals angewendet – mit Erfolg, denn SP und GPS hielten sich, während die SVP erstmals in ihren neuen Hochburgen eine Wahl verlor. Unterstützt worden sei dies durch das Auftreten zweier neuer Parteien, der GLP und der BDP, die, bei übertriebenem Drehen an der Spirale des extremen Positionswahlkampfes für moderate WählerInnen rechts und links ein denkbares Auffangbecken darstellten. Einzig die Kämpen der Jungparteien, fällt mir beim Schreiben dieses Beitrags auf, duellierten sich nach vergangener Art, unterstützt von der Boulevardpresse und gewissen Internetforen, die Gegenwelten schufen, welche auch Vandalismus, besonders gegen Wahlplakate, beförderten.

Mein Gast schrieb eifrig mit, führte das Interview darauf aufbauend, sodass ich gespannt bin, was, voraussichtlich am kommenden Donnerstag, in der österreichischen ZiB2 gesendet werden wird.

Claude Longchamp