Mit welchen Positionen die Parteien bei ihren WählerInnen Erfolg haben, mit welchen nicht

An der 1. Tagung des international zusammengesetzten VOX-Beirates habe ich einen Radar für den Vergleich von Volksabstimmungen vorgestellt. Mir ging es dabei um die Frage, unter welchen Bedingungen Elite/Basis-Konflikte nachweislich auftauchen.

Die Idee ist einfach: Volksabstimmungen sollen aufgrund des Profils von Zustimmung und Ablehnung auf kommunaler Ebene verglichen werden. Sie sollen sodann in einem Koordinatensystem eingetragen werden. Dieses besteht aus den Dimensionen Links/Rechts und Modern/Traditionell.

Das Koordinatensystem entspricht dem, was Michael Herrmann mit seinem “Atlas der politischen Landschaften” für die Schweiz entwickelt hat. Doch wendet der Geograf das für die Positionierung von Ortschaften aufgrund der Verwandtschaft von im Abstimmungsverhalten an. Ich mache es umgekehrt. Ich positioniere Abstimmungen aufgrund der Verwandtschaft des örtlichen Abstimmungsverhaltens.

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Dieser Radar kann für Vieles verwendet werden. Mich interessierte in meinen gestrigen Ausführung, wie die Parteien mit ihren Parolen verortet werden können und wo es, gemäss VOX-Analysen, Abweichungen der Mehrheit der Parteiwählerschaften von der Parolen gab.

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Zuerst das Positive: Die SVP ist die Partei die rechtskonservative und rechte Vorlagen unterstützt. Die FDP ist die Partei rechter und modernistischer Vorlagen. Das gilt weitgehend auch für die CVP. Die SP schliesslich ist die Partei der linksmodernistischen und linke Vorlagen.

Dann das Negative: In der laufenden Legislatur hatten alle vier Parteien einige Male Mühe, ihre Parteianhängerschaft von ihrer Positionierung zu überzeugen.

Generell gilt: Bei Initiativen sammeln die SVP und die SP ihre jeweiligen Wählerschaften mit kleinen Ausnahmen immer gut hinter sich. Bei den Modernisierungsvorlagen, die aus dem Parlament kommen, neigen aber die Eliten beider Parteien zu Opposition, die ihre Wählerschaften nicht teilen können. So lehnte die SVP die Vorlagen zur “Forschung am Menschen”, zum “Betäubungsmittelgesetz” und zur “Komplementär-Medizin” ab; ihre Basis reagierte moderat darauf, und befürwortete die Projekte allesamt. Nein-Parolen setzte es beim Betäubungsmittelgesetz, dem Luftfahrtgesetz und dem Gegenvorschlag Ausschaffungs-Initiative ab. Auch hier liess sich die Basis nicht einfach überrumpeln. Sie votiert mit (zum Teil knappen) Mehrheiten für die drei Anliegen von National- und Ständerat.

Mit der Positionierung zu Parlamentsvorlagen hat die FDP in der Regel keine Probleme. Es gelingt ihr auch, ihre Entscheidung einer Mehrheit ihrer Wählerschaften zu vermitteln. Dafür ist die Partei weniger treffsicher, wie sie mit Volksinitiativen umgehen so. Gleich dreimal täuschte man sich, als es um rechtskonservative Anliegen ging: zuerst bei der Unverjährungsinitiative, dann bei der Minarettsinitiative und schliesslich bei der Ausschaffungsinitiative krimineller AusländerInnen. Dreimal sagten die Parteieliten nein, drei votierte das freisinnige Fussvolk mehrheitlich gleich wie die Bürgerschaft insgesamt, die alle drei Volksinitiativen befürwortete. In zwei der Fälle, bei der Unverjährbarkeit und beim Minarettvorbot, resultierte der gleiche Effekte auch bei der CVP.

Bei der christdemokratische Volkspartei kam in den letzten vier Jahren ein weiteres Problem hinzu. Lässt sie sich zu stark auf klar rechte Projekte ein, wie die BVG-Revision, verliert sie ihren Rückhalt bei der Wählerschaft. SVP und FDP können es sich leisten, solche Vorlagen zu unterstützen, wenn sie auf ihr Wahlvolk schauen. Bei der CVP orientiert sich dieses dann aber an der Opposition der rotgrünen Parteien, und verwirft, die die Stimmenden insgesamt solche Projekte.

Was heisst das alles? Ich will die Frage, was Parteien sollen, nicht beantworten. Sie müssen selber wissen, wann und warum sie für oder gegen eine Vorlage sind. Mit meinem neuen Analysetool kann man aber zeigen, dass Elite/Basis-Konflikte nicht zufällig auftreten, sondern eine Systematik haben. Die Polparteien gehen zu Modernisierungsvorlagen zu schnell auf Oppositionkurs, werden von den Stimmenden insgesamt – und von ihren WählerInnen dabei gelegentlich nicht verstanden. Die bürgerlichen Zentrumsparteien haben ein Problem mit den neu aufbrechenden Bevölkerungsthemen, die zu Initiativen führen, welche die nationalkonservative Konfliktlinie in der Schweiz belebt haben. Die Versuche, damit auf ihre Art umzugehen, sind in dieser Legislatur gescheitert. Es hilft weder ignorieren, noch Gegenvorschläge zu unterbreiten, um sich der Sache zu entledigen. Denn drei Mal hatte die Opposition Erfolg mit ihrem Anliegen – fast immer auch dank der Wählerschaft von FDP und CVP.

Claude Longchamp