Der Kanton Zürich als Trendkanton bei Parlamentswahlen


Die Wahlen in den Zürcher Kantonsrat werden mit hoher medialer Spannung erwartet. Denn der grösste Kanton der Schweiz wählt ein halbes Jahr vor der Schweiz. Vom schweizerischen Abbild im Kleinen ist deshalb oft die Rede. Ich habe nachgerechnet, was Sache ist – und was nicht.

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Im Kanton Zürich gibt es keine Lega und auch keine CSP mehr. Ob die BDP es schafft, ins Parlament einzuziehen, ist wegen der Eintrittshürde von 5 Prozent unklar. Schweizerisch ist sie im Nationalrat vertreten, und wird es auch weiterhin sein.

Quantitativ sind ist die Ergebnisdifferenzen in Zürich und in der Schweiz namentlich bei der CVP relevant. Schweizerisch gesehen war die (ehemals katholisch geprägte) Zentrumspartei immer stärker als in der Zürcher Diaspora. Die Differenz betrug 1991 noch 10 Prozentpunkte, aktuell liegt sie bei 7. Bei der EVP ist es dafür umgekehrt. Bei den Züriher Kantonsratswahlen schloss sie bisher regelmässig um 3 Prozentpunkte besser ab als bei Nationalratswahlen. Das dürfte auch für die GLP gelten, wenn hier auch keine Verallgemeinerung aufgrund der einzigen Beobachtung sinnvoll möglich ist.

Rechts gibt es einen wichtigen Unterschied: Die Zürcher SVP ist stärker als die Vaterpartei auf schweizerischer Ebene. Die Differenz hat sich jedoch markant zurück entwickelt. Betrug sie 1991 noch 7 Prozentpunkte, schmolz diese 2007 auf gut 1 Prozent zusammen.

Beschränkt man sich darauf, Gewinn- und Verluste der Parteien schweizerisch und zürcherisch zu vergleichen, eignen sich die Zürcher Trends deutlich besser. Letztlich gibt es nur zwei Einschränkungen, welche aber mit der SVP und der SP die zwei grössten Parteien betreffen. So brachen der Zürcher SP 2007 7 Prozentpunkte weg, der nationalen Partei 3,6. Es hat wohl mit dem Wahlergebnis im Kanton Zürich von 2003 zu tun. Denn damals gewann die Kantonalpartei 4,4 Prozentpunkte hinzu, national waren es 0.8. Oder anders gesagt: Zürich ist in Sachen SP volatiler als die Schweiz.

Bei der SVP stimmten die Entwicklungen bis 1999 gut überein. Dann hatte die Zürcher Partei fast 30 Prozent und legte nur noch in kleinen Schritten zu, während die gesamtschweizerisch SVP unverändert stark wuchs. Zwischen 2003 und 2007 macht sie im Nationalrat 2,2 Prozent gut, im Zürcher Kantonsrat noch 1 Promille. auch da ist Vorsicht angesagt.

Bei allen anderen Parteien sind die Trends vergleichbar. Sie stimmen in der Richtung überein, und die Differenzen in der WählerInnen-Stärke ist unter 1 Prozent. Einzig bei der EDU öffnet sich ein wenig eine Schere. Sie wächst im Kanton Zürich, wenn auch bescheiden, anders als national.

Was heisst das für den Abend des 3. April 2011? Wenn die Ergebnisse zu den Zürcher Parlamentswahlen vorliegen, weiss man die schweizerischen Parteistärken nichts Wirkliches. Man kann aber einigermassen abschätzen, wer zulegt, und wer verliert. Vier Einschränkungen mache ich hier:

Erstens, am Unsichersten ist das noch bei der SVP, denn die Trends in Zürich gehen den schweizerischen gerade bei diese Partei voraus. Ein allfälliger Verlust für die wählstärkste Partei im wählerstärksten Kanton wäre damit noch kein klares Signal für das Resultat der SVP im Herbst.
Zweitens, das dürfte, allenfalls in umgekehrter Richtung, auch bei der GLP der Fall sein. Diese Partei ist in Zürich entstanden, und sie ist nirgends so gut verankert wie in diesem Kanton.
Drittens, genau Umgekehrtes trifft auf die BDP zu. Das Resultat in Zürich ist Hinweis darauf, was mit dieser Partei in Graubünden, Bern und Glarus geschieht.
Viertens, kann sein, dass die EVP in Zürich erheblich durch die GLP konkurrenziert wird, mehr als das in allen Kantonen zusammen der Fall sein dürfte.

Eines sei hier noch nachgeschoben: Das alles sind keine Gesetze. Es sind Erfahrungen. Eine Theorie, warum es zahlreiche Uebereinstimmungen in Zürich und der Schweiz hat, gibt es nämlich nicht. Die besten Argumente sind die Grösse Zürichs und der geringe Abstand der beiden Wahlen.

Claude Longchamp